Shorttrack:Extrarunden ohne Perspektive

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Abgehängt? Maximilian Kroner galt als eins der größten deutschen Talente, jetzt hat er die Jugend-WM verpasst. (Foto: Johannes Simon)

Maximilian Kroner vom EHC Klostersee erwägt das Karriereende - mit 19

Von Alexander Mühlbach, Grafing/München

Als Maximilian Kroner danach gefragt wird, ob er seine Karriere nun beendet, muss er erst einmal tief durchatmen. "Ich weiß das noch nicht", sagt der Shorttracker des EHC Klostersee. Dann lässt er ein paar Sekunden verstreichen, um sich des Ausmaßes der Frage bewusst zu werden. Es hat sich ja so viel geändert seit den deutschen Meisterschaften am vergangenen Wochenende. Kroner wollte sich dort für die Jugendweltmeisterschaften qualifizieren, es war seine letzte Chance. Jetzt aber ist die Saison des Grafingers so gut wie gelaufen. Wenn nicht gar die ganze Laufbahn. Wohlgemerkt: Mit 19!

Kroner weiß nicht, woran es lag, dass er die Qualifikation für die Jugendweltmeisterschaften nicht geschafft hat. Er hatte ja mehrere Rennen gehabt, um eine bestimmte Zeitvorgabe der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft über 1000 Meter zu unterbieten. Aber entweder wurde er während des Rennens von Konkurrenten gestürzt - was keineswegs unüblich ist für diese Sportart -, oder aber er war zu langsam. "Ich hätte es mir echt gewünscht, das zu schaffen", versichert Kroner. "Es hat halt nicht gereicht." Er hört sich abgekämpft an, müde. Kroner gibt zu, dass die Luft jetzt einfach raus sei. Die Saison hat ihn einfach zu viel Kraft gekostet.

Jeden Tag ist er um fünf Uhr aufgestanden und seiner Ausbildung als Mechatroniker nachgegangen, bevor er sich entweder auf das Eis stellte oder alternativ trainierte. Im Park, im Kraftraum, auf dem Rad. Weil ihm die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) trotzdem unterstellte, er trainiere nicht professionell genug, ihn aus dem Bundeskader warf und ihm damit die Förderung strich, zahlte Kroner in dieser Saison sogar alles selbst. Lehrgänge, Startgebühren, Reise- und Übernachtungskosten. Ausgerechnet jetzt, wo er so weit reisen musste, um überhaupt noch geeignete Konkurrenz zu finden. Mitte Januar trat er beispielsweise in Nottingham/England an. Und nun drängt sich natürlich die Frage auf: War das alles für nichts?

Am Donnerstag vergangener Woche war seine Trainerin Renate Ulrich noch überzeugt von der Vorbereitung. "Die ganze Saison ist auf die Meisterschaft ausgerichtet", hatte sie gesagt. Kroner hätte weniger trainiert, seine Beine seien fitter als sonst. "Er müsste es eigentlich schaffen", schlussfolgerte Ulrich. Das klang einerseits zuversichtlich, andererseits war es etwas Wunschdenken. Mit der Jugend-WM hätte sich dem Grafinger wieder eine Perspektive eröffnet. Sie hätte all die zeitlichen und finanziellen Einschnitte gerechtfertigt. Sie hätte ihm Auftrieb gegeben nach dem Rauswurf aus dem Bundeskader. Und Ulrich hätte nicht schon wieder einen Athleten in ihren Reihen, der in der Jugend an der Spitze steht, dessen Sprung zu den Erwachsenen dann aber misslingt.

Ulrich ist eine erfahrene Trainerin, sie hat jede Menge hervorragende Nachwuchsläufer in Grafing ausgebildet. Doch seit der Olympiateilnehmerin Susanne Rudolph hat es beim EHC niemand mehr wirklich in die Erwachsenenklasse geschafft. Es ist ein deutschlandweites Phänomen, das dem Sport die Mitglieder raubt: Nach Erfolgen im Jugendbereich hören die meisten Shorttracker auf. Zu groß sind die Anforderungen, zu gering die Perspektiven, die ihnen der Verband gibt. Er konzentriert sich auf die Nationalmannschaft und den Olympiastützpunkt Chemnitz/Dresden. Das Signal an die Jugend: Entweder ihr gehört zur absoluten Spitze, oder ihr hört auf. Eine Breite wie im Fußball oder in der Leichtathletik gibt es im Shorttrack nicht. "Kaum ein Athlet, der nicht auf ein Sportgymnasium geht oder als Sportsoldat in die Bundeswehr aufgenommen wird, schafft es in die Spitze", weiß Ulrich. Einem kleinen Verein wie dem EHC Klostersee anzugehören, macht es nicht leichter.

Kroner hat es trotzdem versucht. Jetzt stellt sich die Frage, ob er dazu bereit ist, sich ein weiteres Jahr aufzuopfern. "Irgendwie fehlt mir derzeit die Perspektive", sagt er. Er wird weiter trainieren, klar. Mindestens bis zu den deutschen Jugendmeisterschaften im März. Dann will er eine Entscheidung fällen. "Aber nach zehn Jahren Shorttrack ist es wirklich schwer, sich zu entscheiden", erklärt er. Dann atmet er tief durch.

© SZ vom 22.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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