Serie "Auswärtsspiel":Eigene Marke

Lesezeit: 5 min

Martin Smolinski lebt als Speedway-Profi seinen Traum. Der Olchinger hat gelernt zu kämpfen. In Deutschland ist er ganz oben, jetzt will er international durchstarten

Von Ralf Tögel, Olching

Eigentlich müsste man Martin Smolinski auf den Rücken schauen. Ob da ein großer Schüssel steckt, mit dem man ihn aufziehen kann. Erst mal einen Kaffee. Und schon ist er wieder weg. Nebenan beim Bäcker schalten sie die Maschine schon ein, wenn er den Laden betritt, erzählt Smolinski, als er zurückkommt, es hat nicht lange gedauert. Der 29-Jährige sprüht vor Energie, man hat den Eindruck, dass er gar nicht still stehen kann. "Stimmt schon", sagt er, "ich bin sehr impulsiv, sehr energiegeladen." Er nimmt einen Schluck. Dann erzählt er. Hier kennt man ihn, sagt er, Smolinski ist eine kleine Berühmtheit im Ort. Hier, das ist Olching, seine Heimat, hier ist er aufgewachsen, hierher kommt er zurück, um Kraft zu tanken. Allzu oft ist das aber nicht mehr, denn Martin Smolinski ist Speedway-Profi. Nicht irgendeiner, er ist der mit Abstand beste Deutsche, und langsam aber sicher kommt man auch international an seinem Namen nicht mehr vorbei. Spätestens seit Smolinski Anfang April Geschichte geschrieben hat, als der Olchinger als erster Deutscher ein Grand-Prix-Rennen gewann.

Die großen Zeiten der deutschen Speedwayfahrer sind seit Jahrzehnten vorbei, Egon Müller war 1983 der letzte deutsche Weltmeister. Seit 1995 wird der WM-Titel in einer Grand-Prix-Serie ähnlich der Formel 1 ausgefahren, Smolinski ist der erste Deutsche, der sich in diesem Jahr für diese Serie überhaupt qualifizieren konnte. Und dann der Sieg in Auckland, gleich im ersten Rennen der Saison. "Das ging vielleicht ein wenig zu schnell", sagt Smolinski nun, denn die Erwartungshaltung schnellte umgehend in unrealistische Dimensionen.

Sand und Speed: Martin Smolinski will jetzt auch international durchstarten. (Foto: Günther Reger)

Man kann jetzt nicht erwarten, dass er als Grand-Prix-Neuling die Konkurrenz aufmischt, erklärt Smolinski, er sehe sich zudem ständig mit neuen Erfahrungen konfrontiert. In Kopenhagen etwa, dem sechsten der zwölf WM-Rennen, fuhr der Olchinger seinen ersten Indoor-Grand-Prix. Nie hatte er vorher eine Atmosphäre wie in der riesigen, 30 000 Zuschauer fassenden Halle erlebt, auch die Einstellung seines Boliden geriet zum Experiment: "Wir hatten keine Erfahrungswerte, es fiel uns nicht leicht zu verstehen, wie sich die Temperaturen, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck in so einer großen Halle auf die Abstimmung der Bikes auswirken." Absolutes Neuland habe er betreten, sagt Smolinski, "wir müssen noch viel lernen". Das macht er gerade, derzeit liegt er in der WM-Gesamtwertung auf Rang elf, die ersten Acht sind für die kommende WM-Saison gesetzt. Das würde Smolinski die kraftraubende Qualifikation ersparen, und es ist ein realistisches Ziel. Vier Rennen stehen noch aus, nach einem zwischenzeitlichen Tief zeigte hat er sich zuletzt wieder stabil, an diesem Samstag ist das Rennen in Gorzow/Polen. Smolinskis Rückstand auf Rang acht beträgt gerade mal vier Punkte.

Das Leben, das der Olchinger führt, gestaltet sich wie ein großes Abenteuer. Seit zehn Jahren ist Smolinski auf dem Erdball unterwegs, lediglich in Asien "bin ich noch keine Rennen gefahren". Smolinski war in allen bedeutenden Profiligen engagiert, in Dänemark, Schweden, Polen und England. In dieser Saison hat er sich aber nur beim AC Landshut verdingt, gegen die Empfehlung vieler Fachleute. Man müsse in einer dieser Top-Serien starten, um in der Weltspitze mithalten zu können, hieß es, diese Theorie hat Smolinski mit seinem Sieg in Neuseeland schon mal infrage gestellt. Auf bis zu 100 Rennen pro Jahr sei er gekommen, erzählt er, als er noch regelmäßig mehrere Landesmeisterschaften gleichzeitig fuhr. "Das war zu viel", sagt er jetzt, zumal die Zahlungsmoral einiger Klubs nicht immer vorbildlich gewesen sei: "Ich bin oft meinem Geld hinterhergerannt, das hat zusätzliche Kraft gekostet."

Sieger-Brause: Smolinski (Mitte) nach dem Auckland-Sieg. (Foto: Imago)

Mittlerweile hat sich der Olchinger einen Status erarbeitet, der es ihm gestattet, nur noch in der deutschen Bundesliga zu starten. Er ist begehrt, wird zu Rennen eingeladen, vor allem in Deutschland wollen ihn die Veranstalter haben. "Unter 3000 Zuschauern fahre ich keine Rennen mehr", sagt er, ein Startgeld ist für die deutsche Nummer eins selbstverständlich. Das bedeutet natürlich nicht, dass Smolinski nicht das ganze Jahr " in aller Herren Ländern" unterwegs ist, wie er es ausdrückt. "Dänemark, dann Bundesliga, dann Riga in Lettland, wieder nach Deutschland, dann Polen", liest er aus seinem Rennkalender vor, "oh, dann habe ich ein freies Wochenende." Es ist das einzige im ganzen Jahr, sagt er, "aber, stimmt, da bin ich ja eingeladen zu den Salzburgring Classics". Mit einem Oldtimer wird er dort starten, alte Autos sind eine Leidenschaft des gelernten Zweirad-Mechanikers. Und ein mögliches Standbein für die Zukunft, wenn er keine Speedway-Rennen mehr fährt. Das indes ist noch in weiter Ferne, einige der besten Fahrer sind um die 40 Jahre alt.

50 Rennen hat er in dieser Saison, rechnet Smolinski vor, im Ausland beansprucht so ein Rennen schnell drei Tage. In dieser Rechnung ist kein Training berücksichtigt, kein Sponsoren- oder Pressetermin, kein Abend in der Werkstatt beim Tunen. Allein der logistische Aufwand ist enorm, es gilt, Equipment, Material und das Team an den Rennort zu bringen.

Mit 19 hat Smolinski diesen Weg eingeschlagen, eine eigene Firma gegründet und sich als Profi versucht. Der Weg war vorgezeichnet, die Olchinger Speedwaybahn ist nicht weit entfernt von seinem Zuhause. Sein Vater war dort Stadionsprecher, er selbst hat "als fünfjähriger Knirps den Fahrern bei der Siegehrung die Blumensträuße übergeben". Bald saß er selbst auf einen Speedway-Motorrad, "es war schon immer mein Traum, Profi zu werden", erzählt Smolinski. Jetzt lebt er seinen Traum, aber es war "ein harter und steiniger Weg". Smolinski hat früh gelernt zu kämpfen, als er 14 Jahre alt war ist seine Mutter an Krebs gestorben. "Mein Vater war beim Arbeiten, da haben meine Schwester und ich früh gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen".

Star zum Anfassen: Martin Smolinski sucht den Kontakt zu den Fans. (Foto: Günther Reger)

Smolinski hat sich durchgekämpft, durch sein Leben und jetzt bis an die nationale Spitze in seinem Sport. Jetzt will er international Furore machen, wieder ein weiter und steiniger Weg. Wie schwer das wird, erklärt er so: Nicki Pedersen ist nach seiner Ansicht der weltbeste Profi, "der hat zehn fest angestellte Teammitglieder". Smolinski hat einen festen Mechaniker, um das meiste kümmert er sich selbst: Sponsorensuche, Marketing, Presse, Tuning. Ohne sein Team von bis zu zehn Helfern und Unterstützern wäre er dennoch aufgeschmissen, betont er, zu einem Grand Prix "bin ich mit mindestens sechs Leuten unterwegs". Auf etwa 500 000 Euro taxiert er seinen Jahresetat, finanziert durch Sponsoren, Start- und Preisgelder und neuerdings durch Merchandising. Es gibt Smolinski-Shirts, Kissen, Caps, Taschen, Geldbörsen, Kalender und vieles mehr, die Grafiken dafür habe er im Übrigen selbst entworfen. "Es ist ein immerwährender Kampf", sagt Smolinski, und: "Es ist mein Leben." Er könne sich nichts anderes vorstellen und er hat eine Vision: "In den Achtzigern war Speedway Volkssport, ich will dazu beitragen, dass es sich wieder in diese Richtung entwickelt."

Er habe schon viel frischen Wind in die Szene gebracht, sagt er selbstbewusst, darauf ist er sichtlich stolz. Seine direkte und bisweilen ungestüme Art kommt indes nicht immer gut an - vor allem bei alteingesessenen Funktionären. Meist hat er sich durchgesetzt, dabei schon einiges bewegt: Er zeichnet für manche Modifizierung im Regelwerk verantwortlich, beispielsweise hat er nach hartnäckigem Intervenieren die Dauerstartnummer durchgesetzt. Seine ist die 84, das ist wichtig fürs Corporate Identity. Smolinski hat viele Ideen, und es macht nicht den Anschein, dass ihm die Energie so bald ausgeht.

Das Telefon klingelt, die nächste Presseanfrage, morgen ist ein Treffen in Stuttgart. Es geht um eine technische Weiterentwicklung, mehr darf er noch nicht sagen. Jetzt muss er aber los, höchste Zeit, Training im Fitnesscenter. Der Kaffee ist mittlerweile kalt geworden.

Bisher erschienen: N. Sriram Balaji, Tennisprofi (7.8.); Michael Elmer, Eishockey-Trainer (9.8.); Patrick Steuerwald, Volleyballprofi (14.8.); Carlos Escribá Liñero, Hockeytrainer (21.8.); Daniel Heidemann, Fußballtrainer (23.8.); James Craig, Headcoach der Munich Cowboys (26.8.)

© SZ vom 28.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: