Segeln:Volle Fahrt nach Rio

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Bei der Weltmeisterschaft vor Haifa haben Ferdinand Gerz (li.) und sein Vorschoter Oliver Szymanski bewiesen, dass sie sehr konstant unterwegs sind. (Foto: oh)

Ferdinand Gerz und Oliver Szymanski haben Deutschlands Seglern mit WM-Rang neun einen Olympia-Startplatz gesichert - mit besten Chancen, ihn selbst zu bekommen. Der Vorbereitungsplan steht, ein neues Boot wird gebaut

Von Joachim Mölter, München

Zum Studieren kommt der Münchner Ferdinand Gerz kaum noch an die Uni, dafür ist der 26-Jährige viel zu oft unterwegs in der Welt. Gerade eben erst ist er aus Haifa/Israel zurückgekommen, demnächst wird man ihn in Sanremo/Italien antreffen. Das bedeutet aber nicht, dass er gar nichts mehr für sein Studium tut, im Gegenteil: Er beschäftigt sich sogar sehr intensiv mit der Technologie- und Managementorientierten Betriebswirtschaftslehre, für die er an der TU München eingeschrieben ist. Er tut das freilich eher praxisorientiert: Zusammen mit seinem Berliner Partner Oliver Szymanski, 25, ebenfalls ein BWL-Student, managt er einen kleinen Technologiebetrieb, die GS Sailing GbR.

Hinter diesem Namen verbirgt sich ein Segelteam, das Gerz als Steuermann und Szymanski als Vorschoter bilden: In der 470er-Klasse steuern sie gerade auf die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro zu. In der vergangenen Woche sicherten sie dem Deutschen Segler-Verband (DSV) mit Rang neun bei der Weltmeisterschaft in Haifa einen Olympia-Startplatz in dieser Bootskategorie. Ob sie den letztlich auch besetzen dürfen, ist noch nicht ganz sicher. "Aber wir haben eine Ausgangsposition, die sehr, sehr gut ist", sagt Gerz.

Nach zwei von drei Qualifikationswettkämpfen für Rio, die der DSV vorgegeben hat, liegen Gerz/Szymanski in der nationalen Rangliste weit vor den Konkurrenten Jasper Wagner/Dustin Baldewein aus Berlin sowie den Brüdern Julian und Philipp Autenrieth aus Augsburg. Als Europameister und WM-Neunte erfüllen sie zudem das Kriterium der "begründeten Endkampfchance" des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), der letztinstanzlich die Olympia-Fahrer bestimmt. Bei der EM im April 2016 vor Palma de Mallorca genügt den Titelverteidigern ein Platz unter den besten 15, um für Olympia nominiert zu werden; Ferdinand Gerz hat das auf dem Rückflug von Haifa schon mal durchgerechnet unter Berücksichtigung aller möglichen Konstellationen.

Er war überhaupt sehr umtriebig nach der WM. In den drei Tagen seit seiner Rückkehr hat er schnell mal eine Pressemappe zusammengestellt mit aktuellen Bildern aus Haifa und den jüngsten Sponsoren-Akquisitionen. Am Mittwoch wurden die erst kürzlich eingeleiteten Partnerschaften mit einem italienischen Uhrenhersteller und einem Münchner Juwelier offiziell besiegelt, und zu dem Termin trugen Gerz und Szymanski bereits die Logos der beiden Firmen auf Hemden, Pullis und Jacken. Sie hatten sich mit Hilfe ihres Trainers selbst um die Aufdrucke und Stickereien gekümmert, zwischen vorolympischer Testregatta in Rio und WM in Haifa.

Die neuen Sponsoren engagieren sich vorerst bis zu den Olympischen Spielen, in einem kostenintensiven Sport wie dem Segeln ist das dennoch eine große Erleichterung. Ferdinand Gerz und Oliver Szymanski haben gerade ein neues Boot in Auftrag gegeben bei einer Hamburger Werft. "Im Moment sind wir zwar extrem zufrieden", sagt Gerz, "aber das Gewebe wird halt relativ schnell weich durch die vielen Wellen, die auf den Rumpf schlagen." Deshalb braucht die Crew jedes Jahr ein neues Gefährt, beim nächsten - dem für die Spiele in Rio - gehe es darum, "Kleinigkeiten zu optimieren", sagt Gerz. Da hilft ihm sicher der Technologie-Aspekt seines Studiums.

Zur Organisation des Bootsbaus kommen nun viele Reisen zum Training und zu Wettkämpfen hinzu, die gemanagt werden müssen. Nach einer "etwas längeren Segelpause", wie Gerz die kommenden vier Wochen auf dem Trockenen beschreibt, geht es nach Sanremo ans Mittelmeer zum Trainieren. Im Dezember üben Gerz und Szymanski dann vor Rio, und im Januar erneut. Sie wollen sich gewöhnen an die speziellen Wellen, die es dort wegen der zerklüfteten Küste gibt. "Aber an Weihnachten und Neujahr sind wir schon gern zu Hause", sagt Szymanski, der Jüngere und Ruhigere der beiden.

Ende Februar 2016 steht dann schon die nächste WM an, in Buenos Aires; im März folgt die EM-Vorbereitung und Anfang April dann die EM selbst. Gerz und Szymanski haben die Zeit bis zu den Spielen im August schon durchgeplant, "aber manches hängt auch noch von den Trainingspartnern ab", sagt Gerz: "Wir brauchen ja ein gutes Referenzboot, um zu wissen, wie gut wir unterwegs sind."

Seit der WM in Haifa haben sie immerhin die Gewissheit, dass sie sehr konstant segeln: Als schlechteste Platzierung in den insgesamt zwölf Regatten hatten sie einen 16. Rang zu Buche stehen, selbst die Olympiasieger und Weltmeister Mathew Belcher und Will Ryan aus Australien kamen einmal erst als 22. an. "Nur der Start ist nicht unsere Stärke", weiß Gerz, "wir müssen besser an der ersten Boje ankommen." Da lagen sie in Haifa bisweilen arg zurück und mussten sich erst nach vorn kämpfen. Aber auch dieses Problem werden sie noch managen.

© SZ vom 22.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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