Segeln:Mona Lisa auf Wasser

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Ein bisschen Kunst und viel Technik: Die Bundesliga startet in ihre vierte Saison und professionalisiert sich weiter. Meister Tutzing wird Vierter, der MYC segelt auf Rang sechs, der BYC fällt als Zwölfter etwas ab.

Von Thomas Gröbner, Prien am Chiemsee

Die Anleitung für ein Manöver des letzten Augenblicks findet sich im Teil B der Kollisionsverhütungsregeln. Ein nützlicher Hinweis, wie sich am Chiemsee in einer stürmischen Regatta der Segel-Bundesliga zeigte, als sich einige Sommerfrischler zwischen die Kiele der Teilnehmer verirrten. Der Segelsport kämpft um Aufmerksamkeit, dafür wurde die Bundesliga erfunden, und da kann es schon passieren, dass sich ahnungslose Urlauber in den umkämpften Kurs schaukeln und das Rennen entscheiden. "Zu wenig Helden", das sei das Problem, warum der Segelsport in der Vergangenheit Mühe hatte, wahrgenommen zu werden. Oliver Schwall, Geschäftsführer der Deutschen Segel-Bundesliga (DSBL), gelingt das mit dem neuen Format plötzlich. Aus dem Einzelkämpfer-Sport Segeln wurde hier ein Vereinswettbewerb.

Die routinierte Crew des Münchner Yacht-Club holt als Sechster das erhoffte Punktepolster und kann fortan beruhigt an die Jugend übergeben. (Foto: Lars Wehrmann/DSBL)

Seit 2014 wird an Modus und Reglement geschraubt, der Wettkampf immer weiter zugespitzt, es sind mittlerweile atemlose Rennen. Sechs Boote liegen im direkten Wettstreit, es gibt meist schon vor dem Start Gerangel, Gepöbel und Geschrei, dann werden Flaggen geschwenkt und Sanktionen eingefordert. Die Schiedsrichter in den begleitenden Schlauchbooten verdonnern die Kontrahenten nicht selten zu 360-Grad-Kringeln. 16 Mal geht jedes der 18 Teams an den Start, insgesamt werden 48 Rennen an den drei Tagen gefahren. Nur zehn Minuten dauert ein Lauf, dann werden die Boote wieder mit neuen Teams besetzt. Das Saisondebüt am Chiemsee gewinnt der Segelclub Überlingen, der Titelverteidiger Deutscher Touring Yacht-Club schiebt sich im letzten Rennen noch am überraschend starken Münchner Yacht-Club, der die Regatta als Sechster beendet, vorbei auf Platz vier. Dessen Training am Chiemsee hat sich ausgezahlt: Mit einer erfahrenen Crew sollte gleich ein Vorsprung auf die Abstiegsplätze geholt werden, dann werden die Klubtalente an die Pinne gehen. Der Vorjahresdritte, der Bayerische Yacht-Club, wird Zwölfter. Gastgeber Chiemsee wird Dritter - der Süden dominiert den Auftakt. Dann werden die sechs J/70-Sportboote der Liga - sieben Meter lang und 30 000 Euro teuer - eingepackt und zum Bodensee kutschiert. Auch die Logistik übernimmt die Liga, die Segler können bequem anreisen, was die Kosten abfedern soll. Schwall ist ehemaliger Tornado-Weltmeister, er trägt das sonnengegerbte Gesicht eines Seglers und spricht die Sprache von Menschen, die man in Werberkreisen "Entscheider" nennt. "Mit den Klubs funktioniert es", die Vereine sind alte, regionale Marken. Während die Wogen der Aufmerksamkeit meterhoch über dem Fußball zusammenschlagen, muss der Segelsport kämpfen, um gesehen zu werden.

Drohnen schwirren am Himmel, Kameras an den Schiffen produzieren Hochglanz-Bilder, die per Live-Stream Zuschauer suchen. Bis zu 25 000 waren das in der vergangenen Saison, dieses Mal nicht. 200 Meter vor den Stegen des Chiemseer Yacht-Clubs endet das Kabel, das die aufwendige Übertragung sicherstellen soll. So gibt es keine Bilder, Schwall ärgert sich.

Wenigstens lässt sich am Mobiltelefon jedes Manöver der Boote verfolgen, per Ortungsdaten wird der Kurs verfolgt und aufgezeichnet. Ein bisschen erinnert das an Malversuche von Kindern, mit bunten Linien werden die komplexen Muster von Halsen und Überholmanöver eingezeichnet, der Zuschauer kann so alles nachvollziehen. Was möglich ist, haben die Vermarkter vor der Saison gezeigt, als sie das Bild der Mona Lisa ins Meer malen ließen, per GPS-Sender an einem Boot wurde das Muster auf das Wasser gemalt. Die Botschaft: Segeln ist eine Mischung aus etwas Kunst und viel Technik - und der stete Kampf um Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt daher orientieren sich Wettbewerbe am Fußball, es gibt Spieltage, Abstiegskampf und sogar eine Champions League. Das funktioniert inzwischen so gut, dass in aller Herren Länder Ligen nach dem deutschen Vorbild entstehen: Dänemark, Russland, Polen, die USA, nun kommt England dazu, erzählt Schwall. Es gibt eine zweite Bundesliga und seit dieser Saison eine Regionalliga, die Szene wächst. "Geburtshelfer" sei man in den anderen Ländern gewesen, sagt Schwall stolz. Hinter der Bundesliga steht die Konzeptwerft, eine Vermarktungsagentur, auch die deutsche Segel-Legende Jochen Schümann ist an Bord. Ursprünglich hat die Konzeptwerft für den Deutschen Segel-Verband gearbeitet, dann hat man sich überworfen, erzählt Schwall: "In der Gründungsphase hat der Verband die Bundesliga zunächst ignoriert, kurze Zeit später gab es offenkundig sogar Überlegungen, das Format mit einstweiligen Verfügungen zu unterbinden." Mittlerweile seien die Wogen einigermaßen geglättet, es gebe ein friedliches Nebeneinander.

Das Manöver des letzten Augenblicks heißt übrigens: Ausweichen!

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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