Segeln:"Das ist wie beim FC Bayern"

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Trotz Champions-League-Sieg muss Maxi Weiß im Bundesliga-Finale auf die Bank. Der Segel-Steuermann vom DTYC erklärt, warum ihn das kein bisschen stört

Interview von Ralf Tögel

An diesem Donnerstag beginnt auf der Außenalster zu Hamburg die finale Segelregatta um die deutsche Meisterschaft. Der Tabellenführer und Titelverteidiger Deutscher Touring Yacht-Club hat elf Punkte Vorsprung, ein scheinbar sicheres Polster. Auch angesichts der souveränen Leistungen während der Saison, die vor vier Wochen mit dem Gewinn des Champions-League-Finales gekrönt wurden. Damals am Steuer: Maximilian Weiß. Doch der muss im Finale auf der Ersatzbank Platz nehmen. Höchste Zeit für ein Gespräch.

SZ: Sind Sie ein großzügiger Mensch?

Maximilian Weiß: Wie meinen Sie das?

Nach dem Champions-League-Sieg machen Sie nun einem Kollegen für das Bundesliga-Finale Platz am Steuer.

Na ja, wir sind ein Team. Wir haben auch als Team das Champions-League-Finale gewonnen. Wir waren zwar nur zu viert dort auf dem Boot gesessen, aber wir hätten dieses Niveau nie erreicht, wenn wir nicht so gute Leute im Team hätten. Nur gemeinsam konnten wir uns auf so ein hohes Leistungslevel hieven. Wenn man so viele gute Leute im Team hat, muss man auch immer eine gute Leistung bringen.

Aber das fällt Ihnen doch nicht leicht?

Was meinen Sie?

Würden Sie denn nicht am liebsten wieder selbst am Steuer sitzen?

Klar will man immer segeln. Aber es passt auch so, wie es ist. Wenn man als Team funktionieren will, muss man sich auch mal zurücknehmen. Diese Entscheidung wird uns abgenommen, von Teammanager Michael Tarabochia und von Trainer Norbert Wagner. Das ist wie beim FC Bayern, man wird aufgestellt oder nicht.

Es gibt beim Segeln viele Parallelen zum Fußball: Beides heißt Bundesliga, es gibt Spieltage, einen Meister, eine Schale. Aber beim FC Bayern würde der Steuermann nach so einem Erfolg wohl nicht so geräuschlos auf seine Position verzichten.

Ist schon richtig, man kann das schon ganz gut mit dem Fußball vergleichen. Klar denkt man sich manchmal, och, wieso darf ich jetzt nicht. Aber man funktioniert trotzdem nur als Team, und man wird nur besser, wenn man sich gegenseitig antreibt. Ich sehe das positiv.

Bleiben wir beim Fußball-Vergleich: Der beste Spielmacher Europas muss im entscheidenden Spiel um die Meisterschaft auf die Bank. Im Fußball wäre das eine riesen Geschichte, im Segeln kein Thema?

Nein, da ist das nicht ungewöhnlich. Ich glaube, Julian und ich nehmen uns beide nichts. Jeder hat seine Stärken. Ich bin ein bisschen älter und gerade seit einem Dreivierteljahr im Job, Julian studiert und hat daher ein bisschen mehr Zeit. Das ist voll okay, wenn er jetzt ein bisschen mehr fährt und ich mich auf den Beruf konzentriere.

Der Nachwuchs drängt nach?

Ich war die Jahre davor öfter am Steuer, im vergangenen dreimal und heuer einmal in Travemünde, das passt schon.

Der DTYC hat vor dem Saisonfinale in Hamburg elf Punkte Vorsprung, darf man zum vorzeitigen Titel gratulieren?

Nein, lieber nicht. Man darf das nicht zu locker angehen. Im Segeln können auch mal Schweinerennen passieren, es kann auch in Hamburg wenig Wind sein, dann gibt es wenige Rennen, dann versaut man die - wie gesagt, es gibt Schweinerennen.

Aber so souverän, wie ihre Mannschaft bisher war, ist das schwer vorzustellen.

Das stimmt schon, ich glaube auch, dass sie es machen. Weil sie es konzentriert angehen werden, das lassen wir uns nicht mehr nehmen.

Sie sitzen am Steuer, sind Sie - um beim Fußball zu bleiben - der Spielmacher?

(lacht) Unser ehemaliger Trainer hat immer gesagt, hinten sitzt der Bremser.

Wo bitte ist im Boot die Bremse?

Der Steuermann lenkt, aber der Taktiker, der vor mir sitzt, sagt mir genau, wo ich hinzufahren habe. Meine Aufgabe ist es, das Boot schnellstmöglich auf dem Kurs zu steuern.

Also geben Sie gar nicht die Richtung vor?

In den Jugendbootklassen war das schon so, da war der Steuermann wichtiger. Aber in der Bundesliga kann man das Maximum nur rausholen, wenn auch die Kameraden vorne alles perfekt machen. Das Top-Level erreicht man nur, wenn alle 100 Prozent geben. Es ist keiner weniger wichtig, gerade wenn das Niveau so hoch ist wie in der Bundesliga. Es funktioniert nur, wenn alle am gleichen Strang ziehen. Ich denke, in der Bundesliga ist das Niveau fast höher als in der Champions League.

Obwohl auf europäischer Ebene so viele Profis dabei waren?

Ich hätte mir nie träumen lassen, dass wir das gewinnen, bei den Seglern, die dabei waren. Aber wir haben einfach unser Ding gemacht, und die Kurse sind sehr klein. Da kommt es viel auf das Handling an.

Also waren Sie vielleicht nicht die besten Segler, aber die beste Mannschaft?

Das ist das Schöne bei uns, dass wir uns viele Jahre kennen. Unser Team war früher schon bei den 420ern eine Trainingsgruppe, da sind wir noch gegeneinander gefahren. In diesen Trainingslagern haben wir diese kleinen Kurse schon geübt, das hat sich bei uns in den Köpfen verewigt. Und solche Kurse fährt man jetzt im Bundesliga- oder Champions-League-Format.

Sollte nicht der Bessere am Ruder sitzen?

Wir sind gleichwertig, ich gönne das dem Julian voll. Er ist auch super gesegelt, hat schon drei Bundesliga-Events gewonnen, das ist eine Mega-Leistung.

Gönnt er Ihnen die europäische Krone?

Was ist denn das für eine Frage? Natürlich!

Es läuft ja auch optimal: Einer gewinnt die Champions League, der andere die Meisterschaft. Da muss kein Neid aufkommen.

Würde es auch anders nicht. Das ist schon auch eine besondere Qualität von uns, jede Position ist doppelt und gleichwertig besetzt. Damit habe andere Teams Probleme. Jeder muss ja auch in das Gesamtkonstrukt passen.

Wie im Fußball, immer das gleiche Spielsystem?

Sozusagen. Wir wollen, dass jeder auf dem Boot die gleichen Handgriffe macht, damit alles harmonisch funktioniert.

Welche Bedeutung hat denn nun der Champions-League-Titel für Sie?

Das ist schön, ein guter Erfolg, aber geändert hat sich nichts, ich muss immer noch arbeiten (lacht). Ich war auch schon deutscher Meister, habe in anderen Bootsklassen die Rangliste angeführt. Das ist schön, aber es gibt auch andere schöne Dinge.

Wie ist die Bedeutung für den Klub?

Gigantisch. Auf dieser Schale steht Royal Danish Yachtclub, Royal Norwegian Yachtclub und jetzt Deutscher Touring Yacht-Club. Das muss man sich mal vor Augen halten: Die anderen sind alle königlich und wir sind halt der kleine Provinzverein vom Starnberger See.

Und wie ist die Bedeutung für den deutschen Segelsport?

Es ist ein immenses Aushängeschild. Deutschland hat das Format ins Leben gerufen - eine unglaubliche Bereicherung. Das ist etwas Neues, Interessantes und zeigt, wie man medienwirksam den Segelsport betreiben kann. Das war ja das Problem. Und damit hat Deutschland schon gezeigt, dass wir hier die beste Liga haben.

Ihr Trainer Norbert Wagner hat erzählt, dass mancher norddeutsche Konkurrent den DTYC als FC Bayern des Segelns bezeichnet.

(lacht) Das habe ich auch schon mal gehört, aber wenn wir so viel Geld hätten, hätten wir keine Probleme mehr. Man muss sich schon vor Augen halten, dass das viel Arbeit ist, wir machen das alle gern und opfern viel Freizeit, aber wir sind Amateure. Wir studieren oder arbeiten, das Segeln läuft nebenher.

Der FC Bayern hat viel Geld. Sie haben wohl bald das Double aus Meisterschaft und Champions League, dem läuft der FCB schon ein paar Jahre hinterher.

Richtig, und das werden wir gigantisch feiern. Ich fahre extra am Freitag nach Hamburg, um unser Team anzufeuern. Ich glaube, dass fast alle anderen auch kommen.

Und dann wackeln die Wände?

In Hamburg wackeln die Wände, dann ist eine Meisterehrung im November bei uns im Klub, egal wie es ausgeht. Und im Dezember gibt es ein internes Teamfest.

Mit Champions-League-Schale?

Natürlich, die kommt ins Klubheim.

Da gab es ein kleines Transportproblem?

Ja, das war witzig. Der Yachtclub Costa Smeralda ist eine andere, sehr exklusive Welt. Wenn man rausfährt, kommt man an der ehemaligen Berlusconi-Villa vorbei, wo es die berühmten Bunga-Bunga-Partys gab. Der Yachtclub hat einen eigenen Check-in-Schalter am Flughafen in Porto Cervo, da wollten wir die Schale aber nicht abgeben. Weil wir fürchteten, dass der Holzkoffer, in dem sie war, kaputt geht. Im Flieger hat er aber nicht ins Handgepäckfach gepasst. Aber wir haben mit der Stewardess geredet, die hat dann extra eine Toilette für die Silberschale reserviert. Schüssel neben Schüssel sozusagen.

© SZ vom 27.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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