Schwimmen:Ins eiskalte Wasser

Lesezeit: 4 min

Vor den deutschen Mannschaftsmeisterschaften in Essen kämpfen Münchens Vereine mit zahlreichen Problemen

Von Sebastian Winter, München

Für Münchens Spitzenschwimmer hat das Jahr nicht sonderlich gut begonnen, jedenfalls nicht für den Olympia-Neunten Florian Vogel. Beim Skifahren riss Anfang Januar sein Kreuzband, gerade als er wieder ins Training einsteigen wollte. Vogel hatte sich nach den Spielen von Rio und dem hauchdünn verpassten Finalplatz eine Auszeit genommen, er reiste drei Monate lang durch Südafrika, Mauritius und Neuseeland. Ende Dezember kam der 22-Jährige zurück - ein paar Tage später verletzte er sich.

Vogel wurde bereits in München operiert, fällt aber voraussichtlich die gesamte Saison aus, also auch für die deutsche Langbahn-Meisterschaft im Juli und die Weltmeisterschaft in Budapest Mitte Juli, seine Reha absolviert er in seiner Heimatstadt Bayreuth, wo er sich auch auf die Studienprüfungen vorbereitet, die im März anstehen. "Das ist ganz dumm gelaufen", sagt Münchens Stützpunkttrainer Olaf Bünde. Auch die deutsche Mannschaftsmeisterschaft (DMS) an diesem Wochenende in Essen verpasst Vogel, jenen ungewöhnlichen Wettkampf, bei dem die besten deutschen Klubs gegeneinander antreten - und ihre Spitzenathleten gemeinsam mit jüngeren Klubkollegen auf völlig ungewohnten Strecken ins Wasser gehen. Der Teamgedanke soll hier gefördert werden, im eigentlich höchst individualistischen Schwimmsport. Männer wie Frauen der SG Stadtwerke München treten in der ersten Bundesliga an. 2014 wurden die SG-Männer deutscher Meister, das dürfte in diesem Jahr kaum gelingen, da der dritte Olympiateilnehmer neben Vogel und Alexandra Wenk, Philipp Wolf, mit Trainingsrückstand an den Start geht.

Bei den Frauen ist die Lage noch schwieriger. Wenk, die sich nach Rio ebenfalls eine längere Auszeit nahm und durch die USA reiste, laboriert seit Herbst an einer hartnäckigen Schulterverletzung, einem Anriss der Subscapularissehne und mehreren Entzündungen. Erst im Januar ist sie wieder behutsam ins Training eingestiegen, an Wettkämpfe ist noch nicht zu denken - dabei ist die Abhängigkeit der SG-Frauen von Wenk bei der DMS besonders groß. Für Bünde ist das aber auch kein Drama. Ohnehin hat für Münchens Trainer die Meisterschaft auf der Kurzbahn keinen besonderen Stellenwert: "Sie hat an Reiz verloren, wir haben gerade auch eher die DM und WM im Sommer im Blick."

Auch Wenk ist nach den Spielen in ein kleines Loch gefallen, aber anders als Vogel, der zwischenzeitlich gar sein Karriereende erwog, hatte sie ihre dritten Olympischen Spiele 2020 in Tokio immer fest im Blick. Bünde lobt diesen Ehrgeiz ausdrücklich: "Es gibt ohnehin nicht viele 21-Jährige, die schon an zwei Olympischen Spielen teilgenommen haben."

Bei der DM möchte Wenk in diesem Jahr starten und sich dort für die WM in Ungarn qualifizieren, dazu hat sie einige Dinge verändert. Wenk hat ihren Ausrüster gewechselt, zudem geht es nun laut Trainer Bünde darum, "die Schnelligkeit am Start und auf der ersten Bahn zu verbessern und zu überlegen, ob wir andere Schwerpunkte setzen." Wenks Paradedisziplin waren bislang die 100 Meter Schmetterling, aber auch über 200 Meter Lagen ist sie stark - und hat dort womöglich noch mehr Potenzial, an die absolute Weltspitze heranzuschwimmen.

Einfach ist das zurzeit nicht in der Olympiaschwimmhalle, die gerade renoviert wird. "Die Stadtwerke tun alles, aber wir müssen ab und zu eben auch mit Baulärm leben", sagt Bünde. Bis voraussichtlich Frühjahr oder Sommer 2018 leben die SG-Schwimmer im Provisorium.

Beim TSV Hohenbrunn-Riemerling ist die Lage noch komplizierter. Die Leistungsschwimmer, die bei der DMS mit Männern und Frauen in der zweiten Liga in Schwäbisch Gmünd starten, müssen improvisieren, weil das städtische Hallenbad seit einem Brandanschlag kurz vor Weihnachten geschlossen ist - noch bis voraussichtlich 20. Februar. Für den TSV ist das eine kleine Katastrophe, immerhin beherbergt der Klub 150 Leistungs- und mehr als 1000 Breitensportler. Während die Leistungssportler mühsam auf andere Bäder im Umkreis verteilt werden, "sitzen unsere Breitensportler gerade auf dem Trockenen", sagt die kommissarische TSV-Vorsitzende Annegret Upmann. Anfang 2014 stand das marode Bad vor dem endgültigen Aus, die Schließung konnte aber gerade noch abgewendet werden - auch, weil sie das Ende des TSV bedeutet hätte. Bis 2020 soll voraussichtlich ein neues Bad in der Gemeinde gebaut werden.

Nicht nur infrastrukturell muss der TSV kämpfen, auch auf sportlicher Ebene. Die besten Leistungssportler haben Hohenbrunn verlassen, zumeist aus Studiengründen, wie Antonia und Teresa Baerens, die wie auch Lara Siebrecht in den USA Studium und Leistungssport mittels Stipendien kombinieren. Laras Schwester Emily Siebrecht studiert aus denselben Gründen in England; Helen Scholtissek möchte sich nach ihrer knapp verpassten Olympia-Qualifikation mehr auf ihr Studium konzentrieren und das Training etwas herunterfahren. Sie startet aber bei der DMS, wie auch Riemerlings einstiger Spitzenschwimmer Jonas Lunemann, der immer wieder gerne bei der DMS mitschwimmt. "Wir sind im Aufbau", sagt Upmann.

Seit vergangenem Sommer ist Pierre Martin hauptamtlicher Cheftrainer beim TSV. Der 27-Jährige löste Jan Wolfgarten ab, der sich mehr auf seinen Job als Triathlontrainer konzentrieren wollte. Martin ist Coach der ersten und dritten Mannschaft, während Jonas' Vater Jens Lunemann die zweite Mannschaft betreut. Sie sind Teil des neuen Leistungssport-Konzepts, das sie in Riemerling 2014 entworfen haben. Die Zusammenarbeit fruchtet offenbar. Der Nachwuchs unterhalb des Jahrgangs 2001/02 floriert, Robin Fierbach und Gregor Bechhold stehen für den Aufschwung. "Wir versuchen, Lücken zu schließen und uns irgendwann wieder als Eliteverein darzustellen", sagt die Leistungssport-Verantwortliche Barbara Watzlawick.

Bis dahin ist es noch ein Stück Arbeit. Aber die Motivation der TSV-Schwimmer scheint auch in diesen schwierigen Tagen zu stimmen. Sie organisieren sich privat Wasserzeiten, in den Faschingsferien trainieren sie zudem sechs Tage in Bayreuth. Und Pierre Martin, der Trainer, lässt es sich nicht nehmen, ein bis zwei Mal pro Woche um vier Uhr aufzustehen und die Sportler mit dem Vereinsbus nach Haar zu chauffieren. Dort können sie immerhin ins Wasser: vor der Schule, von 5.30 bis 7 Uhr.

© SZ vom 04.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: