Reiten:Wagemutig in die Kurve

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Helm ab: Anfangs sei Chacon ein ängstliches Pferd gewesen, mit den Jahren werde er immer entspannter. Maximilian Schmid weiß das zu nutzen. (Foto: dpa)

Beim Großen Preis von München düpiert Maximilian Schmid, 26, die Springreiter-Elite. Er will selbst bald groß rauskommen

Von Philipp Jakob, München

Angespannt beobachten die Zuschauer das Treiben in der Olympiahalle. Nur das Schnauben von Chacon durchbricht die Stille. Angetrieben von seinem Reiter Maximilian Schmid bewegt sich der zehnjährige Hengst rasant durch den Parcours des Großen Preises von München. Plötzlich raunt ein überraschtes "Ohh" durch die Halle. Schmid dreht mit Chacon eine sehr enge Kurve, viel Anlauf bleibt für das nächste Hindernis nicht. Mit dem riskanten Manöver des 26-Jährigen haben die wenigsten gerechnet. Die Zuschauer halten den Atem an, doch nur wenige Sekunden später brandet lauter Jubel auf. Chacon hat es geschafft. Schmid reckt auf dem Rücken seines Pferdes die Faust in die Höhe, während der Hallensprecher den fehlerlosen und mit 39,86 Sekunden extrem schnellen Ritt des Hengstes verkündet.

Schmid war im Großen Preis am Sonntag im Rahmen der zum 19. Mal ausgetragen Munich Indoors nur einer von vier Reitern, die im zweiten Umlauf der mit 90 000 Euro dotierten Vier-Sterne-Prüfung ohne Strafpunkt blieben. An dessen starke Zeit kam niemand heran. Schmid war mehr als zwei Sekunden schneller als die Konkurrenz. "Ich habe mitbekommen, dass fast alle, die vor mir dran waren, Fehler gemacht hatten", erklärte Schmid. "Mein Pferd ist sehr schnell, da habe ich alles auf eine Karte gesetzt und alles riskiert." Schmid wusste, dass es dank einer schnellen Zeit auch mit einem Abwurf für einen der vorderen Plätze reichen kann. Sein Konzept ging auf, sogar besser als gedacht. Auch die Stars der Reiterszene wie Ludger Beerbaum oder Marcus Ehning, der Gesamtsieger der Riders Tour 2016, ließ Schmid hinter sich. Dass er bei dem Starterfeld am Ende vorne steht, damit habe er nicht gerechnet. "Wahnsinn, gegen die zu gewinnen", so Schmid. "Und das in München, vor heimischen Publikum." Die Zuschauer in der Olympiahalle bejubelten den aus Utting am Ammersee stammenden Bayer lautstark, als er den "größten Erfolg meiner noch jungen Reiterkarriere" feierte. Auch das Bayernchampionat konnte er unter anderem schon gewinnen. Nicht umsonst gehört Schmid also zu den talentiertesten Springreitern Deutschlands - und mit Chacon hat er zudem ein äußerst fähiges Pferd im Stall.

"Anfangs war es mit ihm sehr schwierig", erklärt Schmid, der den Hengst vor vier Jahren gekauft hat. "Er war ein sehr ängstliches Pferd. Wir haben eineinhalb Jahre gebraucht, bis er ohne Krampf, ohne Spannung und ohne Fehler durch einen Parcours gekommen ist." Dank mehr Erfahrung sei Chacon mittlerweile lockerer und entspannter. "Er wird von Jahr zu Jahr besser", sagt Schmid. In München war es vor allem seine Wendigkeit und seine Schnelligkeit, die ihm den Sieg bescherten. Gezüchtet wurde der Chacco-Blue-Sohn auf dem Gestüt Lewitz, das der ehemalige Springreiter Paul Schockemöhle aufgebaut hat. Er dürfte die Entwicklung des Pferdes ähnlich positiv sehen, hatte aber auch ein Lob für Schmid übrig: "Auch meine Pferde brauchen gute Reiter."

Schmid ist allerdings nicht nur ein guter Reiter, sondern war in seiner Jugend auch ein begabter Skifahrer. Kurzzeitig überlegte er sogar, auf ein Skiinternat zu gehen, um dort sein Talent besonders zu fördern. Die Entscheidung fiel letztendlich gegen den Wintersport und für die Pferde - sicherlich auch zur Freude der Eltern. Die betreiben in Utting eine eigene Reitanlage mit 18 Pferden und eine Zuchtstation. Mit zwei Jahren saß Schmid gemeinsam mit der Mutter erstmals im Sattel. "Das Reiten wurde mir in die Wiege gelegt." Druck der Eltern habe er aber nie gespürt. Die Entscheidung pro Pferd kam allein von ihm aus und hat einen einfachen Grund: "Das Reiten macht einfach am meisten Spaß, da hoffe ich, groß rauszukommen."

Das Ziel des jungen Reiters ist die Weltspitze. "Bei Fünf-Sterne-Prüfungen, Championaten oder Welt- und Europameisterschaften dabei zu sein, das sind so meine Träume", sagt Schmid. Die Munich Indoors haben schon gezeigt, dass er mit den Ehnings und Beerbaums dieser Welt offenbar ganz gut mithalten kann. Außerdem könnte sein Erfolg als eine Art Türöffner dienen. In der kommenden Saison möchte Schmid zum Beispiel in der Riders Tour angreifen. Durch den Sieg beim Großen Preis von München sollten die Einladungen zu den fünf weiteren Stationen der bedeutendsten Spring-Serie Deutschlands schon bald in seinem Briefkasten landen. In den nächsten Wochen geht es für Schmid erst einmal zu einem kleineren Turnier nach Ising am Chiemsee. Anschließend soll es auf internationaler Bühne weitergehen, bevor Schmid Mitte Dezember in Salzburg seine Saison beendet. Auch dort wartet ein Springen auf Vier-Sterne-Niveau. Vergangenes Jahr wurde er Vierter. Ist dieses Mal vielleicht ein ähnlicher Erfolg wie in München möglich? "Auf jeden Fall", sagt Schmid angriffslustig. Er hat Blut geleckt.

© SZ vom 15.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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