Pferdesport:Mit festem Glauben und trotzigem Optimismus

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Seit zwei Monaten lenkt Angelika Gramüller die Geschicke des Münchner Trabrennvereins in Daglfing. Nun muss sie einen Ersatz für den ausgestiegenen Sponsor Winrace finden

Von Julian Galinski, München

"Schauen's, der grüne Zaun da drüben", sagt Angelika Gramüller und deutet von der obersten Tribüne der Daglfinger Trabrennbahn auf deren Umgrenzung. "Alles was innerhalb dieses Zaunes passiert, unterliegt besonderen Regeln, es ist nicht leicht, das Geschehen hier zu lenken", sagt die Präsidentin des Münchner Trabrenn- und Zuchtvereins (MTZV), "da musst du das Herz schon am rechten Fleck haben." Seit zwei Monaten ist Gramüller im Amt, ihr Vorgänger Peter Schrägle hatte bei der Wahl Ende Oktober aus familiären Gründen nicht mehr kandidiert.

Die 55-Jährige, zuvor Vizepräsidentin, steht nun einem Verein vor, der nicht nur von der großen Krise des Trabrennsports in Deutschland an sich gebeutelt wird, sondern auch von seinen eigenen, hausgemachten Problemen. "Meine Mannschaft und ich kämpfen an allen Fronten. Aber wir sind positiv gestimmt, dass es den Trabrennsport in München noch lange gibt", sagt Gramüller. Sie ist im festen Glauben Präsidentin geworden, zumindest das, was in ihrer Hand liegt, zum Guten zu wenden.

Denn schlechte Nachrichten gab es für den chronisch finanziell klammen MTZV in jüngerer Vergangenheit in jedem Rennjahr. 2014, das am 26. Dezember mit dem Daglfinger Weihnachtspreis zu Ende ging, machte da keine Ausnahme, im Gegenteil. Der Verein hatte gegen den Verkauf seiner Anlage an den Immobilienunternehmer Günther Karl im Jahr 2005 geklagt - Ende Februar wurde die Klage abgewiesen, mehr als deutlich. Was bedeutet: Früher oder später, sofern Karl die zugesagte neue Bahn in Maisach errichtet hat, müssten sie umziehen. Zwar sind die Daglfinger in Berufung gegangen, doch niemand weiß, wie viel Aussicht auf Erfolg das hat. "Das bedeutet natürlich auch, dass wir nicht über einen langen Zeitraum planen können", sagt Gramüller. "Was nach 2015 kommt, darüber machen wir uns dann im Herbst Gedanken."

Nach dem Weihnachtspreis endet das Rennjahr in Daglfing mit weiteren schlechten Nachrichten. Bis Januar muss ein neuer Sponsor her. (Foto: Claus Schunk)

Es stehen sowieso dringlichere Aufgaben an: Der Wettanbieter und Sponsor Winrace ist abgesprungen, trotz bestehenden Vertrages für die neue Saison, die schon am 11. Januar beginnt. Die Hamburger Unternehmerfamilie Herz, die hinter Winrace steht, hat sich offenbar gänzlich aus dem Pferdesport zurückgezogen. 30 000 bis 50 000 Euro fehlen dem MTZV nun, was an sich noch nicht dramatisch klingt. Das Problem: Mit dem Geld von Winrace wurden direkt die Gewinnsummen der Rennen bezuschusst. Gibt es keinen Wettanbieter als Partner, sinkt mit der Dotierung der Reiz für die Teilnehmer, an Rennen in Daglfing teilzunehmen: Weniger Teilnehmer, weniger Rennen, weniger Einnahmen. "Wir führen Gespräche mit einem aussichtsreichen Kandidaten", sagt Gramüller, sie erwartet in der ersten Januarwoche eine Entscheidung. "Ich glaube nicht, dass wir am 11. ohne Partner dastehen."

In Zeiten, in denen der Trabrennsport nur noch ein bröckelndes Relikt seiner gesellschaftlichen Bedeutung vor 30, 40 Jahren ist, verlangt Gramüller von sich und ihrem Umfeld vor allem eines: Optimismus. "Ich bin ein Arbeitstier", sagt sie. "Mir wird selten etwas zu viel. Aber ich brauche positive Stimmung um mich herum, Menschen, die mich nicht herunterziehen, sondern die vor einem Renntag sagen: Das wird gut heute!" Gramüller, beruflich Leiterin einer zahnmedizinischen Klinik, ist ein Kind der Rennbahn, im wörtlichen Sinne. "Mit sechs, sieben Jahren" war sie zum ersten Mal in Daglfing und ist dort geblieben. Ihr Mann Josef ist Trainer.

Natürlich schmerzt es sie, wenn sie zusehen muss, wie Teile des Areals verfallen, weil ihre Rettung keinen Sinn mehr ergibt. Der einst opulente verglaste Ostteil der Tribüne etwa ist für immer geschlossen, eine Renovierung kann sich der MTZV nicht leisten. "Wir müssen das wenige Geld, das wir haben, sinnvoll einsetzen", sagt Gramüller. Das hieß zuletzt: Ställe und die restlichen Tribünen sanieren.

Die vornehmliche Aufgabe für 2015 sieht Gramüller darin, München zu zeigen, dass der Trabrennsport in Daglfing trotz seiner tristen Perspektive eben nicht tot ist. "Wir wollen wieder ins Gespräch kommen" sagt sie. "Indem wir Familienrenntage veranstalten, mit Ponyreiten und Kutschenfahrten etwa. Oder ein Weinfest am Renntag veranstalten."

© SZ vom 29.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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