Leichtathletik:Heißer als die Sonne

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Zwei Meter Wille: Johannes Trefz (r.) habe die "Fähigkeit, hinten massiv beißen zu können", sagt sein Trainer. (Foto: imago)

400-m-Läufer Johannes Trefz bestreitet seine bislang beste Saison. Sein Antrieb ist nicht die Aussicht auf einen dicken Vertrag. Sondern sein brennender Ehrgeiz.

Von David Weber, Kaiserslautern

"Wenn man davon leben muss, muss man erfolgreich sein, und wenn man erfolgreich sein will, muss man dopen." Der Satz stammt von Johannes Trefz (LG Stadtwerke München), er ist "überspitzt" formuliert. Trefz sitzt im Schatten eines kleinen Baums, eigentlich eher Busch als Baum, ein Busch in Kaiserslautern; er hat das nasse Trikot ausgezogen, ausschwitzen, erholen, es ist heiß. Trefz ist gerade süddeutscher Meister geworden über 400 Meter, aber das ist ein Titel, für den man sich noch nicht mal eine Kugel Eis kaufen kann, und die Zeit, viel wichtiger, war nicht gut, 47,06 Sekunden. Schlechte Zeiten sind teuer. Profisport ist teuer. Teuer für den Profisportler.

Also, da ist ein junger Athlet, 23 Jahre alt, der früher für den TSV Weilheim und die LG Würm Athletik lief, jetzt für München startet, der dieses Jahr mit der Nationalmannschaft zur Team-Europameisterschaft nach Russland und zur Staffel-Weltmeisterschaft auf die Bahamas gefahren ist, wo die "Leichtathletik-Begeisterung brutal ist, wo die 4×400-Meter-Staffel das ist, was hier die Fußballnationalmannschaft ist". Der eine kleine Unterstützung vom Verein erhält und ansonsten seinen Eltern "auf der Tasche liegen muss". Letztes Jahr war Trefz noch in der Sportförderung. Er wurde deutscher Juniorenmeister, verzockte sich aber bei den deutschen Meisterschaften, verpatzte den Vorlauf und damit die EM in Zürich. Auf Wiedersehen, Sportförderung. Dieses Jahr gibt es nichts. "Ich mache es nicht fürs Finanzielle", sagt der Biologie-Student Trefz. "Aber es wäre doch schön, wenn etwas dabei herumkommen würde, wenn es ein Nebenjob wäre."

Als die Pistole endlich zum Start knallt, mit 45 Minuten Verspätung, unterläuft Johannes Trefz, der so lange warten musste, beinah einen Fehlstart. Konkurrenz ist nicht da, in seinem Lauf nicht, im ganzen Feld nicht. Der Zweitplatzierte, Roy Heilmann von der LG Neustadt, ist eine gute Sekunde langsamer als Trefz. Der hat sich vorgenommen, niedrige 46 Sekunden zu laufen (Bestzeit: 46,27 Sekunden), bestenfalls die 45 anzugreifen. "Ich laufe gerne, wenn's warm ist", sagt er, und an diesem Wochenende ist es "schön warm". Ein guter Ausdruck für diese süddeutschen Meisterschaften im Sonnenbrillentragen, im Schattensuchen und Eincremen, bei denen Trefz seine Konkurrenz gewinnt und gleichzeitig verliert. "Er hat sich in der deutschen Staffel gefestigt", sagt Trainer Peter Rabenseifner, "solche Zeiten sind dann schon herbe Rückschläge".

Die Freiluftsaison 2015, das ist "seine stärkste Saison", sagt Rabenseifner. Und Trefz sagt: "Ich bin noch lange nicht am Zenit angekommen." Er habe nie einen "krassen Leistungssprung" gehabt, "aber andere laufen dann immer einer starken Zeit hinterher, die sie nie mehr erreichen", während er sich von Jahr zu Jahr verbessern könne, kontinuierlich. Trefz verbesserte sich von 47,37 Sekunden (2011) über 47,29, 46,66 und 46,50 auf 46,27 in dieser Saison. Er habe einen "eisernen Willen", sagt Trainer Rabenseifner, "die Fähigkeit, hinten massiv beißen zu können". Wenn der Zwei-Meter-Mann eine Stadionrunde läuft, sehe das vielleicht träge aus; "es ist aber schnell", sagt Rabenseifner und verweist auf Ingo Schultz, ehemaliger Europameister und WM-Silbermedaillengewinner, auch ein großer Mann, auch zwei Meter. "Für 100 Meter bin ich nicht schnell genug, für 800 Meter nicht hart genug", sagt Trefz und grinst. 400 Meter also. "In keiner anderen Disziplin kann man sich in so kurzer Zeit so intensiv verausgaben. Man leidet, man stirbt."

In drei Wochen sind deutsche Meisterschaften, da zählt's. Es geht um einen Platz in der WM-Staffel, die in Peking antreten wird. Die bisherigen Ergebnisse sprechen für Trefz. "Bei mir läuft's gut, ich bin heiß und möchte mich jetzt bei der DM unbedingt gut verkaufen. Ich will allen zeigen, was ich kann", sagt er. Ohne verbotene Mittel. Johannes Trefz sagt: "Fakt ist: Doping lohnt sich. Das sieht man an den Amerikanern, die überführt werden und trotzdem neue Werbeverträge bekommen, während hier die Sponsorengelder gekürzt werden. Da ist der Gedanke nicht weit, zu illegalen Mitteln zu greifen. Aber ich laufe nur aus Ehrgeiz. Und nicht wegen der Kohle."

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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