Leichtathletik:Wieder unter den Fliegenden

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Hochspringer Tobias Potye und Hürdensprinter Sebastian Barth melden sich mit Titeln zurück

Von Andreas Liebmann, Fürth/München

Fürth ist ein hübsches Städtchen, aber es ist nicht Amsterdam. Es ist schon gar nicht Rio de Janeiro. Und es ist nicht einmal Leipzig, das spürten Sebastian Barth und Tobias Potye am vergangenen Wochenende recht deutlich. Der Hürdensprinter Barth, 23, verwies bei den bayerischen Hallenmeisterschaften am Samstag in Franken einen 38-Jährigen auf Rang zwei. Hochspringer Potye, 21, stieg dort mit jener Höhe in den Wettkampf ein, mit der der Zweitplatzierte Andreas Plößl den seinen abschloss: 1,98 Meter. Potye blieb also allein mit sich und seinen Sprüngen, er steigerte sich bis auf 2,18 Meter.

Die Nachricht war ohnehin weniger, dass Potye und Barth bayerische Meister wurden. Die Nachricht war: Sie sind wieder da. Nach einem zermürbenden Jahr 2016, in dem einige ihrer Vereinskollegen von der LG Stadtwerke München an den Europameisterschaften in Amsterdam teilnahmen oder an den Olympischen Spielen in Brasilien, das für sie selbst jedoch sportlich kaum stattfand. Und das sie nun, drei Wochen vor den deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig, abhaken wollen.

Erstmals fünf Hürden am Stück: Sebastian Barth wird in Fürth bayerischer Meister und hofft, endlich mal länger verletzungsfrei zu bleiben. (Foto: Theo Kiefner)

Barth und Potye haben nicht wirklich viel miteinander zu tun, und doch erzählen sie zurzeit fast dieselbe Geschichte. Barth war als Sprinter Kummer gewöhnt, seine bisherige Karriere, die wegen eines Stipendiums vier Jahre lang überwiegend in den USA verlief, war ein steter Wechsel zwischen Zeiten, die aufhorchen ließen, und Rückschlägen wegen verletzungsanfälliger Muskelstränge. "Entweder der Muskel hält, dann wird es schnell. Oder es knallt" - diese Gewissheit hatte er. Zumeist knallte es, wenn er "kurz vor dem Durchbruch" stand. Doch nach der Hallensaison 2015, in der er "so gut wie nie" unterwegs war, nach dem Gewinn des deutschen U-23-Freilufttitels 2015 kam etwas Neues hinzu, etwas Chronisches. Etwas, das einen halbjährigen Ärztemarathon erforderte, ehe er eine gesicherte Diagnose hatte. Eine Nervenwurzelentzündung im Bereich der Lendenwirbel war es, die ihm zu schaffen machte.

Einmal, bei der Regensburger Gala, probierte er etwas aus diesem vermaledeiten Jahr 2016 zu machen, es sollte eine Generalprobe sein für die deutschen Meisterschaften. "Mit dem letzten Hemd", wie er sagt. Ein Kaltstart ohne jedes Training. Doch der Körper wehrte sich, die Adduktoren streikten. "Ich habe dann mit der Saison abgeschlossen und versucht, etwas Abstand zu gewinnen", erinnert er sich. Und klar habe er sich auch die Sinnfrage gestellt, wie bei jeder seiner vielen Verletzungen. "Aber ich weiß ja, wo ich stehen kann", sagt er. Also: warten, schonen, Grundlagen üben. "Im November habe ich die ersten schnellen Schritte gemacht, gegen Weihnachten so etwas wie einen Start. Und jetzt war es das erste Mal, dass ich vom Startblock weg fünf Hürden am Stück gelaufen bin, sogar zwei Mal." 60 Meter, 7,91 Sekunden. "Da ist Luft nach oben, aber ich bin sehr glücklich", sagt er. Zweiter im Finallauf wurde mit 8,19 Sekunden übrigens Jan Schindzielorz (LG Forchheim). Der deutsche EM-Teilnehmer von 2002 hatte mit 38 Jahren ein überraschendes Comeback gegeben.

Wie Barth freut sich nun auch Potye auf die deutschen Meisterschaften, und wie Barth ist auch Potye gerade sehr glücklich. Auch der U-20-Europameister von 2013 hatte die vergangene Saison irgendwann aufgegeben. Im dritten Jahr nacheinander hatte er sich in der Wintervorbereitung verletzt, irgendetwas am Oberschenkel, Leistenschmerzen, eine echte Diagnose hat er bis heute nicht. "Das war schon sehr frustrierend", sagt er, "ich war bis dahin in einer Riesenform." Vielleicht sei er damals etwas übereifrig gewesen, glaubt Potye, weil es 2016 nach den verkorksten Vorjahren endlich wieder aufwärts gehen sollte. "Da fühlst du dich dann schon vom Schicksal veräppelt." Danach habe er die Saison nur noch etwas mitgemacht, um nicht völlig den Anschluss zu verlieren. Und durchaus habe er auch ernsthaft in Betracht gezogen, eine sehr viel längere Pause einzulegen. Nun aber hat er in München den starken Nachwuchsspringer Lucas Mihota als Trainingspartner bekommen, er hat erstmals seit 2013 eine Vorbereitung ohne Verletzung absolviert, und bei den südbayerischen Meisterschaften sogar 2,20 Meter überquert. Potyes bisherige Hallenbestmarke von 2,16 Meter war bereits drei Jahre alt. "Ich bin jetzt froh, dass ich nicht das Handtuch geschmissen habe", sagt er.

Für viele Münchner Athleten lohnte sich der Ausflug nach Fürth. Benedikt Wiesend siegte über 400, Adrian König-Rannenberg über 800 Meter, auch die 4×200-Meter-Staffel gewann die LG Stadtwerke (Wiesend/Johannes Trefz/Laurin Walter/Tobias Giehl). Bei den Frauen setzten sich Mareen Kalis (800 Meter) und LG-Neuling Katharina Trost (1500 Meter) durch. Im Kugelstoßen siegte Valentin Döbler (LG Stadtwerke, 18,80 m) vor Christian Zimmermann (Kirchheimer SC, 18,18 m) und Lukas Koller (LG Stadtwerke, 17,29 m). Der TSV Gräfelfing feierte im Stabhochsprung gar einen Dreifachsieg: Korbinian Suckfüll vor Julian Meuer (je 4,80 m) und Felix Wolter (4,70 m). Wolter gewann überdies mit 7,10 Meter den Weitsprung-Wettbewerb.

Für Leipzig hofft Tobias Potye auf einen Wettkampf, den er nicht mehr weitgehend alleine bestreiten muss, aber bis zum Ende mitprägen darf. Sebastian Barth hofft vor allem, dass er gesund bleibt. Denn nach all seinen Verletzungen wäre es für ihn die allererste Teilnahme an einer deutschen Meisterschaft.

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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