Leichtathletik:Wegweisende Quote

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Einfarbige Angelegenheit: Beim Münchner Stadtlauf ist das alles beherrschende Kolorit orange, heuer so oft getragen wie nie zuvor. (Foto: Florian Peljak)

Neuer Teilnehmerrekord beim 37. Münchner Stadtlauf

Von Julian Ignatowitsch, München

Dieses Mal lief alles glatt. Um 11.06 Uhr passierte Dieter Baumann mit weit ausgestreckten Armen die Ziellinie beim Stadtlauf in München. Er hatte den Weg also gefunden, das Publikum applaudierte, er selbst jubelte fast schon etwas selbstironisch. Seine Zeit über die zehn Kilometer: 35:58 Minuten, Platz vier. Damit war der heute 50-Jährige zwar gut acht Minuten langsamer als zu seiner aktiven Hochzeit (mit 27:21 Minuten hält er nach wie vor den deutschen Rekord), aber eben zweieinhalb Minuten schneller als im Vorjahr. Damals war Baumann auf der Strecke durch den Englischen Garten fehlgeleitet worden, hatte anschließend in seinem Blog verärgert von einem "fürchterlichen Läufer-Alptraum" geschrieben - der weiße Kenianer rot vor Zorn. Heute fragt Baumann, der ja auch als Kabarettist auftritt, darauf angesprochen nur schmunzelnd zurück: "War da was?" Und ergänzt: "Wenn einer von 20 000 Läufern mal nicht so zufrieden ist, ist das immer noch eine gute Quote." Vergessen ist das organisatorische Missgeschick, Baumann kommt nach wie vor gerne nach München, den sportlichen Ehrgeiz immer im Gepäck.

20 082 Sportler gingen bei der 37. Auflage des Stadtlaufs an den Start, zum zweiten Mal waren es mehr als 20 000 und natürlich: Zuschauerrekord. Das Feld war bunt gemischt. Vom Profi bis zum Amateur, vom Grundschüler bis zum Rentner, Männer und Frauen aus 82 Ländern, Halbmarathon- und Fünf-Kilometer-Läufer. Die Innenstadt erstrahlte bei optimalem Wetter im Orange der Läufertrikots.

In der Königsdisziplin über die 21,1 Kilometer verteidigten der Äthiopier Kedir Burka (1:11:37 Stunden) und die Olympiahoffnung Anna Hahner (1:17:41) jeweils souverän ihre Siege aus dem Vorjahr. Burka gewann bereits zum dritten Mal in München. Für Hahner ist das Breitensportevent ein "willkommener Trainingswettkampf" auf dem Weg nach Rio. Dort wird sie in vier Wochen beim nächsten Stadtlauf starten und dort will sie natürlich unbedingt auch im nächsten Jahr dabei sein, wenn die Olympischen Spiele stattfinden. "Das ist der große Traum, darauf arbeite ich jeden Tag hin", sagt Hahner.

Auch Hahners jüngere Zwillingsschwester Lisa, Zweite im Halbmarathon 2014, war nach ihrem Ermüdungsbruch zu Anfang des Jahres wieder in München am Start, allerdings nur über die Zehn-Kilometer-Strecke. Dort landete sie mit einer Zeit von 37:40 Minuten auf Platz zwei, hinter der Hamburger Marathonmeisterin Anna Diethers (35:35 Minuten), deren Sieg die Überraschung des Tages war. "Für uns stand heute der Spaß im Vordergrund", sagten die Hahner-Zwillinge, die noch am gleichen Tag in Leipzig beim nächsten Schaulaufen antraten. Wenn sie es vermeiden können, starten sie ohnehin lieber in getrennten Wettbewerben, als Team, nicht als Rivalinnen. Bei den Männern siegte Sebastian Hallmann (32:20 Minuten) über zehn Kilometer, auch Goldmedaillengewinner Nils Schumann, mittlerweile Stammgast beim Stadtlauf, war im Feld und für einen guten Zweck dabei. Über fünf Kilometer gewann die ehemalige deutsche Halbmarathonmeisterin Ingalena Heuck (18:09 Minuten).

Die Strecke führte traditionell vom Marienplatz in den Englischen Garten, vorbei am Chinesischen Turm und dem Kleinhesseloher See, und wieder zurück zum Rathaus, vor dem der leicht neu positionierte Zieleinlauf lag. Zwischendrin fotografierten Touristen das Glockenspiel, die Zuschauer feuerten die unzähligen Hobbyläufer an, die nahmen dann ihre Medaillen entgegen. Besonders viel Applaus bekam der 80-jährige Wilhelm Stürmer, der bereits beim ersten Stadtlauf 1979 durchs Ziel lief und damals seine Urkunde noch eigens abstempeln musste. Er absolvierte den Halbmarathon trotz zweier Hüftprothesen in 3:45:32 Stunden und, wie er betonte, "ohne stehen zu bleiben". Verlaufen hat auch er sich nicht.

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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