Leichtathletik:Über Freund und Feind

Lesezeit: 3 min

Der Spanier Pedro Garcia Fernandez kann sich ein Leben ohne Hürden nicht vorstellen

Von Alexander Mühlbach, München

Schon vor dem Start war es die reinste Machtdemonstration. Wie Pedro Garcia Fernandez sich Zeit nahm, obwohl der Zugang der LG Stadtwerke München sie nicht hatte. Wie der Spanier absichtlich beim 60-Meter-Hürdensprint als Letzter in den Startblock ging. So wie Usain Bolt das gerne macht, oder wie Julian Reus, der deutsche Rekordhalter über 100 Meter. Die besten Sprinter diktieren den Startvorgang. Vor allem aber diktieren sie schon vor dem Rennen das Tempo.

Garcia Fernandez beherrscht dieses Spiel der Besten, das die ungeduldig wartenden Gegner zermürben soll. Oft genug musste der 23-Jährige es über sich selbst ergehen lassen: bei U23-Europameisterschaften, bei spanischen Meisterschaften, bei internationalen Meetings. Bei den Munich Indoors am vergangenen Samstag aber ist Garcia Fernandez mit dem Zeitspielchen dran. Ein paar Sprünge hier, ein Zurechtrücken der weißen Mütze da. Zusätzlich eine Musterung der fünf Hürden zwischen ihm und dem Ziel, mit der eindeutigen Nachricht an die Konkurrenz: Ihr wartet heute alle auf mich.

Hinter der Ziellinie muss Fernandez auf seine Gegner warten. 8,03 Sekunden zeigt die Uhr, deutsche Jahresbestleistung. Glückwünsche vom Hallensprecher, vom Publikum, vom Nachwuchs, der ihm gebannt zuschaut. Garcia Fernandez sagt: "Ich weiß, dass ich schneller laufen kann." Ihn ärgert, dass er an der letzten Hürde hängen blieb. Die Woche zuvor war noch das erste Hindernis das Problem gewesen.

Ein paar Tage vor dem Wettkampf sitzt Garcia Fernandez in seiner Münchner Wohnung und philosophiert über die 1,10 Meter hohen Hindernisse. Er hat Zeit, seine Maschinenbau-Vorlesung hat früher geendet. "Wissen Sie", sagt er, "ich habe keine Angst vor den Hürden." Dabei sind sie manchmal seine Feinde. Wie im Frühjahr 2014, als er sich beim Überqueren der letzten Hürde die Hand brach. Garcia Fernandez kann sich sogar noch genau an das Datum erinnern: 31. Mai 2014. Danach war die Saison gelaufen.

Oft aber sind die Hürden seine Freunde, seine Motivation. So wie im Jahr 2013, als er Zweiter der spanischen Meisterschaften wurde und fortan zum Nationalkader gehört. Eine andere Sportart, sagt Garcia Fernandez, hätte er sich gar nicht vorstellen können. Zu Hause in der spanischen 150 000-Einwohner-Stadt Salamanca, 200 Kilometer westlich von Madrid, hat er mal Fußball und Karate ausprobiert. Aber das sei alles so langweilig gewesen. Genauso wie das ewige Im-Kreis-Laufen in der Leichtathletik oder das Springen und das normale Sprinten. Das Leben, sinniert der Spanier, sei doch viel aufregender, wenn etwas im Weg herumsteht.

El alemán: "Die deutsche Kultur passt einfach besser zu mir", sagt Pedro Garcia Fernandez. (Foto: Claus Schunk)

Man kann auch nicht behaupten, dass Garcia Fernandez die Hindernisse im Leben nicht suchen würde. Für sein Maschinenbaustudium im Jahr 2010 zog er zuerst nach Madrid, bevor er ein Auslandsjahr in Karlsruhe einlegte, obwohl er kein Wort Deutsch konnte. Manchmal vermisste er seine Heimat, weil die Leute hier weniger sprechen und die Sonne seltener scheint. Aber er lernte das Land lieben, vor allem lernte er hier seinen Sport neu kennen: Die Qualität der Athleten sei hier viel höher, zudem werde hier viel professioneller trainiert. Als er wieder zurück in Spanien war, vermisste er Deutschland.

"Die deutsche Kultur passt einfach besser zu mir", sagt Pedro Garcia Fernandez, der, nach nur einem Jahr in Madrid, sein Studium nun in München fortsetzt. Er mag es, dass die Menschen hier so diszipliniert sind, dass hier so "korrekt gearbeitet wird". Dabei findet sein Trainer Jonas Wahler, dass Garcia Fernandez selbst einer der fleißigsten und zielstrebigsten Athleten ist, die er jemals trainieren durfte.

"Es ist Wahnsinn, einen Athleten von diesem Kaliber zu bekommen", sagt Wahler. Vor allem, weil Garcia Fernandez nun lange genug in Deutschland in einem Leichtathletikverein Mitglied ist, um bei den bayerischen Meisterschaften starten zu dürfen. Die LG München will ihn am Wochenende in ihre Staffeln integrieren. Darüber hinaus will Garcia Fernandez bei den deutschen Hallenmeisterschaften Ende Februar ins Finale. "Da wird es dann darum gehen, das Rennen zu genießen", sagt er. Er weiß, dass dort wieder andere das Tempo vor dem Start diktieren werden.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: