Leichtathletik:Rückkehr nach Tiflis

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Diskuswerferin Amelie Döbler holt Silber bei U18-EM

Von Andreas Liebmann, München

Viele Hotels werben mit Berg- oder besser noch mit Meerblick. Das ist in Tiflis schlecht möglich. Die Hauptstadt Georgiens liegt nun mal ziemlich mittig zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, beide sind gut 200 Kilometer entfernt. Das Teamhotel, in dem die deutsche Leichtathletik-Mannschaft während der U18-Europameisterschaften in Tiflis wohnte, hatte dennoch eine prächtige Aussicht zu bieten: Seine Dachterrasse lag unmittelbar über der Diskusanlage des Stadions. Deshalb hatte Amelie Döbler während ihrer Auftritte ein frenetisches Publikum. Die gesamte Mannschaft habe sich dort oben versammelt, um sie anzufeuern. "Das Team hat mich total motiviert, alle haben geschrien", berichtete sie. Und gejubelt. Denn Döbler gewann Silber. Ihr bisher größter Erfolg.

Es war die erste EM für die Altersklasse U18. Vor einem Jahr hatte Amelie Döbler an gleicher Stelle ihr internationales Debüt gegeben, im Rahmen der Europäischen Olympischen Jugendspiele, doch das war weit weniger gut gelaufen. Gerade mal 40,36 Meter warf die damals 16-Jährige in der georgischen Hauptstadt, sie steckte in einem Leistungstief und scheiterte als 13. bereits in der Qualifikation. Später tröstete sie sich damit, dass es "eine tolle Erfahrung mit den anderen Athleten" gewesen sei. Nun aber jubelten ihr die anderen Athleten zu. Mit der drittbesten Weite (51,20 Meter) war sie als eine Mitfavoritin angereist, und diesmal war es in der Qualifikation bereits deutlich runder gelaufen: Erster Versuch, 46,08 Meter, Danke, das war's. Die Nächste, bitte.

Das Finale geriet etwas spannender, allerdings nur auf den Plätzen hinter der Moldawierin Alexandra Emilianov. Denn die war bereits mit der weitaus besten Weite angetreten und legte im vierten Versuch mit 58,09 Meter noch ein paar Meter drauf - mit jedem ihrer vier gültigen Versuche hätte sie den EM-Titel geholt. Döbler indes lag zunächst hinter der Finnin Helena Leveelahti und der Kroatin Marija Tolj auf Rang vier, doch im vierten Versuch gelang ihr der entscheidende Wurf: 50,14 Meter. "Ich wollte über 50 Meter werfen, das habe ich geschafft", sagte sie später zufrieden, "damit wäre ich auch glücklich gewesen, wenn es nicht zur Medaille gereicht hätte."

"Silber war das Beste, was sie holen konnte", wusste Gerhard Neubauer, einer ihrer Trainer im Wurfteam der LG Stadtwerke München, "Gold war vergeben." Die Moldawierin sei "viel viel weiter" gewesen. "Aber das macht mir keine Sorgen. Wer in diesem Alter so exorbitant gut ist, den holt man meist irgendwann wieder ein." Mit Amelie Döbler habe er einen Jahresplan gemacht, für 2016 standen darin zwei Ziele: Den Diskus 50 Meter weit zu werfen und die Kugel 18 Meter weit zu stoßen. Beides gelang. Die Diskusscheibe hatte sie bereits an Pfingsten 51,20 Meter weit geschleudert. Nervös sei sie schon gewesen, bekannte Döbler. Immerhin die Hitze machte ihr kaum zu schaffen. Es sei zwar "megaheiß" gewesen, doch die Diskus-Wettbewerbe fanden jeweils erst abends statt.

Amelie Döbler hat eine enorme Wandlung durchlebt, nicht nur sportlich. Knapp 40 Kilogramm habe sie zwischenzeitlich abgenommen, die sich auf ihre Länge von 195 Zentimetern verteilt hatten. Damit ist sie nicht nur kaum wiederzuerkennen, auch die Abläufe im Diskusring mussten dem extrem angepasst werden. Auch deshalb sei es vor einem Jahr in Tiflis so schlecht gelaufen, erzählt sie. Im Winter habe sie sogar wieder ein paar Kilo zulegen müssen, um im Sport besser klarzukommen. Die Schnellste im Ring sei sie noch immer nicht, erzählt sie, aber natürlich deutlich beweglicher als früher. Neubauer klingt fast ein wenig erstaunt, dass es so schnell so gut gelaufen sei, denn die Entwicklung im Winter sei doch "sehr zögerlich" verlaufen. Die Umstellungen hätten jedoch funktioniert und Döbler begeistere sich noch mehr als früher für ihren Sport.

Amelie Döbler hat nun noch ein bisschen was vor. Die Tochter von Jörg Döbler, der mal als Kugelstoßer im Trikot der (damals noch aus drei Vereinen bestehenden) LG München Zweiter der deutschen Meisterschaft war, wird in zwei Wochen in Mönchengladbach antreten, zu den deutschen Jugendmeisterschaften. Nach ihrer Mittleren Reife will sie sich für die Fachoberschule anmelden. Und Urlaub steht an. Drei Wochen USA mit den Eltern, darauf freut sie sich. Tiflis muss es nicht wieder sein, aber versöhnt hat sie sich mit Georgiens Hauptstadt allemal.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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