Leichtathletik:Lisa lacht

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16 500 Teilnehmer zieht der Münchner Stadtlauf in diesem Jahr an - weniger als sonst. Bei den Männern gewinnt Sebastian Hallmann, doch die Hahner-Schwestern stehlen ihm die Schau. Was nicht jedem gefällt.

Von Max Ferstl, München

Der Fehler geschah, kurz bevor sich Lisa Hahner über die Ziellinie schob. "Hier kommt", setzte der Moderator an, die Stimme ein dramatisches Crescendo: "Annaaa Haaahner." Lisa Hahner hätte dem Mann wohl auch dann keinen Vorwurf gemacht, wenn dieser sich nicht hastig korrigiert hätte. Die Zwillingsschwestern sehen sich auch täuschend ähnlich. Also lächelte Lisa Hahner, und freute sich darüber, soeben beim Münchner Stadtlauf die Halbmarathon-Distanz gewonnen zu haben. Auch, wenn das nicht wirklich überraschend kam.

Sehr früh hatte sich Lisa Hahner von Schwester Anna abgesetzt, die ohnehin nur einen lockeren Trainingslauf geplant hatte. Auf der Strecke gab es dann einige Schwierigkeiten, erzählte Lisa Hahner später. Diese hätten aber mit der richtigen Navigation durch den Englischen Garten zu tun gehabt, nicht mit der Konkurrenz. Hahner joggte nach 1:15:03 Stunden ins Ziel und musste dreieinhalb Minuten auf ihre Schwester Anna warten. Die Dritte Mireia Guarner Piquet hatte fast acht Minuten Rückstand, womit das Leistungsgefälle hinreichend beschrieben wäre. Natürlich ist der sportliche Wert eines Stadtlaufs überschaubar für jemanden, der vor einem Jahr bei Olympia den Marathon gelaufen ist. "Es passt einfach gut rein in die Vorbereitung. Ein Wettkampf ist etwas anderes als Training", erklärte Lisa Hahner. Sie bereitet sich gerade auf die Marathon-Distanz vor, im Herbst stehen die Höhepunkte der Saison an. Dass der Sonntag eher kein Höhepunkt war, leugnete Hahner nicht. Trotzdem betonte sie: "Der Lauf in München ist eine Institution."

Anderer Blickwinkel: Wegen des Stammstreckenbaus wurde der Start- und Zielbereich des Stadtlaufs an die Ludwigstraße verlegt. (Foto: Claus Schunk)

Für die Schwestern ist er zugleich auch eine Art Schaufenster. Sie sind nicht nur ambitionierte Läuferinnen, sondern auch tüchtige Geschäftsfrauen, die es verstehen, sich in Szene zu setzen. Im Netz firmieren sie als "Hahnertwins", sie verkaufen Laufkurse, Ernährungstipps, sogar eine Mitgliedschaft im eigenen Twins-Klub. Viele finden das gut, ihre Facebook-Seite gefällt fast 75 000 Menschen, beachtlich für zwei Läuferinnen, die bisher vor allem auf nationaler Ebene glänzten. Manche jedoch stört die Inszenierung. "Warum muss man mit aller Gewalt verkaufen wollen, dass man immer lacht und alles immer super ist?", fragte einmal Lauf-Kollegin Sabrina Mockenhaupt.

Vor einem Jahr, bei den Olympischen Spielen in Rio, waren die Hahners als 81. und 82. ins Ziel gejoggt. Viele Minuten hinter der eigenen Bestleistung, aber Hand in Hand, und, natürlich, lächelnd. Es gab eine Menge Ärger damals. Es hieß, die Schwestern würden die eigene Marke über den sportlichen Erfolg stellen. Einige Marathon-Veranstalter wollten sie nicht mehr bei ihren Rennen dabei haben. In München waren die prominenten Starter hingegen sehr gerne gesehen. Die Schwestern zogen die Aufmerksamkeit auf sich, sobald sie das Ziel erreicht hatten. Kaum einer interessierte sich für Sebastian Hallmann, Sieger bei den Männern und immerhin vielfacher deutscher Meister. Das begehrte Fotomotiv waren die Hahner-Schwestern. Diese strahlten in die Kameras oder klatschten mit Kindern ab - es gibt schlechtere Werbung. "Für viele Läufer ist es toll, dass sie mit Olympia-Läufern am Start stehen", glaubt Cheforganisator Bernd Leuschner: "Das ist schon ein zusätzlicher Anreiz." Den dürfte die Veranstaltung auch in Zukunft brauchen.

Erste im Regen: Lisa Hahner ist diesmal schneller als ihre Schwester. (Foto: Schunk)

16 500 Menschen wollten dieses Jahr in München laufen. "Eine gigantische Zahl", findet Leuschner, aber auch deutlich weniger als in den vergangenen Jahren. Das liege jedoch vor allem am Umzug, glaubt der Organisator. Bisher befand sich der Start-Ziel-Bereich am Marienplatz. Weil dort gerade an der Stammstrecke gebaut wird, ist der Lauf in die Ludwigstraße umgezogen. "Endlich haben wir Platz", freut sich Leuschner. Er würde die Veranstaltung gerne dauerhaft hierher verlagern: "Es ist sehr aufwendig, aber es würde sich lohnen", glaubt Leuschner: "Die Premiere war vielversprechend." Eine Premiere erlebte übrigens auch Lisa Hahner: Es war ihr erster Sieg beim Stadtlauf - bisher hatte jeweils ihre Schwester gewonnen. Vorausgesetzt, es gab damals keine Verwechslung.

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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