Leichtathletik:Im Sande versunken

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Um Sandkornbreite hat Yannick Wolf die WM in Nairobi verpasst. Nun soll sich der Münchner auf die deutsche Meisterschaft konzentrieren. (Foto: imago/Beautiful Sports)

Kugelstoßerin Selina Dantzler darf zur U18-WM nach Nairobi, Yannick Wolf nicht - dabei galt der Münchner Weitspringer zwei Tage lang als nominiert.

Von Andreas Liebmann, München

Bekanntlich kann der Mensch nicht fliegen. Zumindest nicht lange, nicht entgegen der Erdanziehung und ohne technische Hilfsmittel. Besondere Menschen mit besonderer Sprungkraft, manche mit Stäben in den Händen oder Skiern an den Füßen, vollbringen zwar verblüffende Dinge, die fast wie Fliegen aussehen und sich an guten Tagen wohl auch so anfühlen - aber die (oft unsanfte) Landung gehört nun mal zwingend dazu. Insofern kennt der Weitspringer Yannick Wolf im Kleinen längst dieses Gefühl, das ihn nun auch im Großen erwischt hat: Er weiß, dass selbst der weiteste Satz irgendwann am Boden endet; in einer bisweilen matschigen Grube.

Vom 12. bis 16. Juli finden in Nairobi die Weltmeisterschaften der U18-Leichtathleten statt. Der 17-jährige Yannick Wolf von der LG Stadtwerke hatte vor vier Wochen mit einem Sprung über 7,26 Meter die vom Deutschen Leichtathletik-Verband geforderte Norm übertroffen. Der Ausscheidungswettkampf am vergangenen Samstag in Schweinfurt lief ebenfalls gut: Wolf wurde Vierter mit 7,24 Meter, Ole Grammann (Uerdingen/Dormagen) Dritter mit 7,32 Meter. John Schlegl (Ahrensburg; 7,52 m) und Reinal Nogueira Soares Neto (Berlin; 7,42 m) sprangen weiter, aber bei irregulärem Rückenwind. Und der favorisierte Luka Herden musste wegen einer Zerrung im Rücken einige Sprünge auslassen und kam nur auf 7,11 m. Weshalb Bundestrainerin Elke Bartschats bald nach dem Wettkampf mitteilte, dass Grammann und Wolf die Nairobi-Starter sein sollen.

"Ich hätte gar nicht gedacht, dass wir eine Chance haben", sagt Wolfs Trainer Richard Kick, 70. "Aber plötzlich hüpft Yannick da rum und sagt mir, dass er nominiert ist." Wolf war euphorisch, natürlich, er war im Höhenflug. "Ich habe mich eher verhalten gefreut, denn ich habe dem Frieden nicht getraut", sagt Kick. Und tatsächlich behielt der ehemalige deutsche Meister im Dreisprung Recht mit seiner Skepsis: Der Bundesausschuss Leistungssport setzte sich zwei Tage später über den Nominierungsvorschlag hinweg - Herden darf anstelle von Wolf in Nairobi starten, der nur als Ersatzmann gemeldet ist. Zwar hatte der Münchner nicht nur in diesem Wettkampf die Oberhand behalten, sondern auch im Punktevergleich einen winzigen Vorsprung gehabt, doch Herden (Münster) hat eine Bestleistung von 7,50 m vorzuweisen. "Natürlich hat sich Yannick gefreut, als er gehört hat, dass er nominiert wird", sagt Kick, "aber er hat auch gleich gesagt, dass er es eigentlich gar nicht versteht." Entsprechend souverän reagiert Yannick Wolf nun auf die Entscheidung. "Klar war das nicht in meinem Sinn, aber es hatten eben drei Leute die Norm - und die anderen haben es auch verdient."

Die LG Stadtwerke wird in Nairobi also nur von Selina Dantzler vertreten, die im Kugelstoßen antreten wird - als Favoritin. "Yannick soll jetzt seine Wut bei den deutschen Meisterschaften rauslassen und den Titel holen", rät Kick. "Er hat sich super geschlagen, die Norm geschafft, der Rest lag nicht in seiner Hand. Er steht erst am Anfang seiner Karriere, wer weiß, wozu es gut war." Kick kennt die Härten seines Sports. Ihm haben mal drei Zentimeter zur Olympianorm gefehlt, und er hätte damals nicht bis Nairobi fliegen müssen. Olympia kam zu ihm nach München, 1972. "Ich habe am Isartorplatz gewohnt, ich hätte zu Fuß kommen können."

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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