Leichtathletik:Goldener Rahmen

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Die Erfolge von Christina Hering, Johannes Trefz und der 400-Meter-Staffel bei der DM in Kassel befeuern die Ambitionen der LG Stadtwerke München: In drei bis fünf Jahren will der Klub "die Nummer eins in Deutschland" sein

Von Johannes Knuth, Kassel

Die Dienste und Pflichten eines deutschen Meisters? "Na ja", sagt Johannes Trefz, "es hält sich dann doch im Rahmen." Er hat am Wochenende alles unaufgeregt über sich ergehen lassen, die Interviews, ein paar Autogramme. Nur eine Sache war ihm wirklich wichtig, nachdem er am Sonntag in Kassel seinen ersten deutschen Meistertitel über 400 Meter erwirtschaftet hatte, in 46,62 Sekunden, drei Hundertstelsekunden vor Alhagie Drammeh (TG Werste). Trefz wollte später unbedingt noch bei seinem kleinen Fanklub vorbeischauen, bei Freunden und Familie, die ihn seit Jahren begleiten. Egal, ob Trefz Vierter wird oder im Halbfinale hängen bleibt, wie vor zwei Jahren. "Da bin in Tränen zu ihnen gekommen", erinnert er sich. Diesmal trug Trefz eine tiefe Zufriedenheit mit sich, die einen Sportler ja immer ein wenig mehr wärmt, wenn er zuvor durch das eine oder andere kühle Tal geschritten ist. Dieses Jahr, sagt Trefz, war das erste bei deutschen Meisterschaften, "bei dem ich wirklich zufrieden sein konnte".

Johannes Trefz, 24, war nicht der einzige Athlet von der LG Stadtwerke München, der am Wochenende wirklich zufrieden abreiste. Sie nahmen diesmal noch zwei weiter Titel mit, einen von Christina Hering, die den nationalen Titel über 800 Meter vor ihrer Münchner Trainingspartnerin Fabienne Kohlmann gewann, wie 2014 in Ulm. Den dritten Meistertitel sicherte sich die 4×400-Meter-Staffel der Männer mit Benedikt Wiesend, Trefz, Laurin Walter und Tobias Giehl. Viel hätte nicht gefehlt, und Giehl hätte die 400 Meter Hürden gewonnen, er wurde Zweiter, knapp hinter Felix Franz. Drei Titel also, ein zweiter Platz und diverse Athleten, die sich in die besten Sechs geschoben hatten, damit rückten die Münchner bis an die Branchenführer aus Wattenscheid und Leverkusen heran. Kurt Mühlhäuser, Präsident der LG Stadtwerke, befand: "Das beflügelt unsere Ambitionen, in drei bis fünf Jahren die Nummer eins in Deutschland zu werden."

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(Foto: imago/Chai v.d. Laage)

Erstmals Erster: Johannes Trefz fliegt als Schnellster über 400 Meter ins Ziel.

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(Foto: imago/Jan Huebner)

Christina Hering (Mitte) als Siegerin über 800 Meter vor Trainingspartnerin Fabienne Kohlmann kennt das Gefühl.

Es ist kein leichtes Unterfangen, nachhaltigen Erfolg in der olympischen Kernsportart zu kultivieren, sie können bei der LG ja nicht die ganz großen Namen verpflichten. Aber so langsam merken sie, dass ihre Politik der Nachhaltigkeit anschlägt. Zum Beispiel mit ihrem LG-Stipendium, das Sportler nicht nur finanziell unterstützt, sondern auch Hilfe verspricht, wenn Athleten Praktika suchen oder einfach nur eine neue Wohnung. Trefz hat mit der LG kein Stipendium, sondern einen handelsüblichen Vertrag ausgehandelt, er steht dennoch ein wenig für den Weg des Vereins, es ist ja ein Weg mit vielen kleinen Schritten, die ihn irgendwann ans Ziel führen sollen. "Ich hatte nie den großen Ausreißer", sagt er, vor vier Jahren lief er 47,37 Sekunden, in diesem Jahr ist er bei 46,02 angekommen, zwei Hundertstel über der EM-Norm. "Ich gehe lieber den langen, steinigen Weg, als einen großen Sprung zu machen und dann in ein tiefes Tal zu fallen", sagt er. Aber richtig leicht hat er es sich mit seiner Politik der kleinen Schritte auch wieder nicht gemacht.

Trefz startete früher für den TSV Weilheim und die LG Würm, er sammelte seine erste Meriten mit den deutschen Staffeln, bei Team-EM und der Staffel-WM. Er war deutscher Juniorenmeister, er war und ist einer dieser Athleten, die eigentlich am meisten Förderung genießen sollten. Aber die deutsche Sportförderung fördert weniger, sondern belohnt die , die bereits erfolgreich sind. Als Trefz vor zwei Jahren im DM-Vorlauf ausschied, flog er prompt aus der Sportförderung. "Ein Fehler, und es zieht dir die Grundlage weg. Das hat mir ziemlich zu denken gegeben", sagt er. Trefz lebte "auf den Taschen seiner Eltern", der Verein unterstützte ihn weiter, nur deshalb konnte er seine Karriere noch einmal neu ausrichten. Er arbeitete mit einer Mentaltrainerin zusammen, mit Physiotherapeuten, trieb die vielen, kleinen Überlastungsprobleme aus dem Körper, fand zurück zum Erfolg. In seinem Biologie-Studium hat er erst einmal ein Urlaubssemester eingelegt. "Das Gesamtpaket passt jetzt", sagt er. "Ich bin auch dem Verein sehr dankbar, das ist keine Selbstverständlichkeit."

Auch die 4×400-m-Staffel um Tobias Giehl ist siegeserfahren. (Foto: imago/Beautiful Sports)

In Trefz' Biografie spiegelt sich viel davon, was von olympischen Athleten verlangt wird, die keiner Bundeswehr-Fördergruppe angehören. Insofern hofft er schon, dass er in diesem Jahr bei der EM nicht nur mit der Staffel, sondern auch im Einzel antreten kann; der Bundestrainer hat ihn zumindest vorgeschlagen. "Wegen meiner Konstanz", sagt Trefz. Vielleicht klappt es ja sogar noch mit der Norm für Rio (45,40), die 45 Sekunden stecken in jedem Fall noch in ihm drin, glaubt er. Spätestens 2018, zur Heim-EM, sollen sie fallen. Dazwischen will Trefz sein Studium vorantreiben. Und endlich mal wieder in den Skiurlaub mit seinem kleinen Fanklub fahren, eine Woche lang. "Das ist in letzter Zeit viel zu kurz gekommen", sagt er.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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