Leichtathletik:Eingeklemmt auf halber Strecke

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Multitalent Mareen Kalis wird bei U20-WM Achte über 800 Meter

Von Andreas Liebmann, München

Viele Manager könnten sich eine Scheibe von Mareen Kalis abschneiden, sagt Jürgen Boelsen. In Sachen Zeitmanagement. Er muss es wissen, Boelsen ist Leiter der Musikschule Paderborn. Kalis, 19, hat dort schon mit sieben Jahren Geigenunterricht genommen, sie spielte im Orchester, legte später ein 1,0-Abitur ab und sammelte über die Jahre als Leichtathletin vier deutsche Meistertitel über 800 Meter. 2015 war sie Paderborns Sportlerin des Jahres. Inzwischen hat Kalis das Orchester gewechselt, denn sie studiert in München Medizin. Daher trainiert sie seit vergangenem Herbst bei der LG Stadtwerke, mit den 800-Meter-Läuferinnen Christina Hering, Fabienne Kohlmann und Christine Gess. In der schnellsten Trainingsgruppe Deutschlands.

An diesem Donnerstag ist Kalis über 800 Meter im Finale der U20-Weltmeisterschaft im polnischen Bydgoszcz gelaufen, sie wurde Achte, in einer Zeit von 2:06,32 Minuten. Der souveränen Siegerin Samantha Watson aus den USA spendierte sie ein Schulterklopfen und eine flüchtige Umarmung, so recht zufrieden sah sie nicht aus. 2:04,52 Minuten war Watson, 16, gelaufen. "Das ist eine Zeit, die ich mir auch zutraue", sagte Kalis, nur zwei Zehntel schneller als ihre Bestzeit.

Zeitmanagement ist auch im 800-Meter-Lauf wichtig. Wie schon im Halbfinale (2:05,45min), bei dem sie sich per Fotofinish geschickt auf Rang zwei gestreckt hatte, begann Kalis das Finale eher gemächlich. "Die meisten rennen die ersten 200 Meter wie bekloppt los", sagt Daniel Stoll, ihr Trainer bei der LG Stadtwerke. Kalis blieb ruhig, Stoll lobt ihre mentale Stärke, bald lag sie wieder aussichtsreich im Rennen. Doch weil der Rest des Feldes nun langsamer wurde, war die 19-Jährige plötzlich eingeklemmt, zu Beginn der zweiten Runde seien ihr in diesem dritten Rennen an drei Tagen zudem etwas "die Körner ausgegangen", so Stoll - und der gute Schlussspurt brachte nichts mehr. "Sie hatte sicher mit Platz fünf bis sechs geliebäugelt", schätzt der Trainer, "aber im Finale zu sein, war schon sehr gut." In ihrer jungen Karriere war Kalis schon Siebte der U18-WM 2013, Dritte der Olympischen Jugendspiele 2014 und Sechste der U20-EM 2015. An diesem Wochenende werden ihre Klubkolleginnen Hering und Gess bei den deutschen U23-Meisterschaften in Bochum starten, am Wochenende darauf soll Kalis mit den beiden in einer 3×800-Meter-Frauenstaffel antreten, die im Rahmen der deutschen U20-Meisterschaften in Mönchengladbach ausgetragen wird, und dort vielleicht einen deutschen Rekord aufstellen. Danach, so Stoll, freue sie sich auf Zeit für ihre Hobbys. Surferin ist sie nämlich auch.

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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