Leichtathletik:Breiter Weg an die Spitze

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LG Stadtwerke belegt in der Rangliste deutscher Leichtathletik-Vereine Platz zwei

Von Andreas Liebmann, München

Eines gleich vorweg: Die LG Stadtwerke München ist noch lange nicht der Nabel der deutschen Leichtathletik. Gerade mal eine Starterin brachte der Zusammenschluss aus elf Münchner Vereinen im Sommer nach Rio de Janeiro: Christina Hering, die über 800 Meter den Einzug ins olympische Halbfinale verpasste. Ein zweiter, Hürdenläufer Tobias Giehl, hatte die Qualifikationsnorm nur um eine Winzigkeit verpasst und bis zur letzten Sekunde vergeblich auf eine Einladung des Weltverbands gehofft. Allein neun deutsche Athleten starteten dagegen für Bayer 04 Leverkusen, sechs für den TV Wattenscheid. Medaillen gewannen die Werfer Christoph Harting (SCC Berlin) und Thomas Röhler (LC Jena). Trotzdem ist nun die Münchner Leichtathletik-Gemeinschaft für das Jahr 2016 die neue Nummer zwei der deutschen Vereine, hinter Leverkusen und vor all den anderen. "Das macht mich stolz und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt LG-Präsident Kurt Mühlhäuser.

Als nationale Nummer zwei weist die Münchner die alljährlich im Dezember veröffentlichte Rangliste des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) aus. Mühlhäuser hatte stark auf diesen Top-Drei-Platz gehofft. "Wir mischen nun endgültig in der obersten deutschen Leichtathletik-Liga mit", folgert er. Dazu muss man wissen: Für die DLV-Vereinsrangliste wird erfasst, wie viele Athleten jedes Klubs in den Jahresbestenlisten der Freiluftsaison auftauchen. Für jeden Eintrag - ganz egal ob auf Rang eins oder auf Rang 30 bzw. 50 - gibt es jeweils einen Punkt. Erfasst werden die Listen ab den Nachwuchs-Altersklassen M/W 14. Auf 226 Zähler hat es die LG dieses Mal gebracht, Seriensieger Leverkusen hat 320, der Dritte Wattenscheid 196.

Hinter den Zahlen steckt also eine ganz andere Aussage als hinter den Medaillenbilanzen bei Großereignissen. Zum einen ist die Breite bedeutend: Um mehr als 25 Prozent ist die Mitgliederzahl der LG Stadtwerke in den vergangenen vier Jahren gewachsen, auf 2655; mit mehr als 700 Startpässen dürfte die LG in Deutschland ebenfalls weit vorne liegen, schätzt Geschäftsführer Christian Gadenne. Zum anderen bildet sich hier speziell die gute Nachwuchsarbeit quer durch alle Jahrgänge und Disziplinen ab. Erstmals habe die LG in allen Altersklassen zweistellig gepunktet, so Gadenne, vor allem zwischen U18 und U23 habe sie enorm zugelegt. So erklärt sich dieser erste Top-Drei-Platz der LG-Historie - der dritte Rang aus dem Vorjahr war nämlich bis Jahresende 2015 noch zu einem fünften geworden, weil Wattenscheid und Leipzig in letzter Sekunde um jeweils einen Punkt vorbeigezogen waren. Auch dieses Jahr ist die Liste noch offen für Laufveranstaltungen bis Silvester, "aber diesmal ist unser Vorsprung viel größer", weiß Gadenne.

Er misst dieser Statistik durchaus einen großen Wert bei, denn sie sei über viele Jahre hinweg vergleichbar. 2010 lag München noch auf Rang 22, seitdem hat es seine Punktzahl nach gleichen Kriterien fast verdreifacht. Weggänge von Spitzenathleten wie Kamghe Gaba oder David Gollnow habe man kompensieren können. Positiv bemerkbar mache sich "unsere Anziehungskraft auf Athleten aus der Region", wie Gadenne sagt, denn immer wieder schließen sich Talente aus Umlandvereinen der Leichtathletik-Gemeinschaft an. Vor allem aber habe es sich nicht negativ ausgewirkt, "dass wir uns entschieden haben, niemanden mehr zu fördern, der seinen Lebensmittelpunkt nicht in München hat", so Gadenne. Und natürlich geht es in der Statistik nicht nur um die Breite: Bei der deutschen Meisterschaft der Erwachsenen etwa gab es vier Titel für Münchner Starter.

Wie es in dieser DLV-Statistik die nächsten Jahre weitergeht, ist schwer zu sagen. Es gibt da einige Besonderheiten, die die Sache unübersichtlich machen. Zum Beispiel kann man mehrfach punkten: Die Werferinnen Amelie Döbler und Selina Dantzler zum Beispiel haben beide gleich acht Punkte ergattert, weil sie im Kugelstoßen und Diskuswerfen jeweils in U18, U20, U23 und bei den Frauen auf der Bestenliste stehen. Hering oder ihre Trainingspartnerin Christine Gess schlagen zurzeit über mehrere Laufdistanzen und in den Staffeln jeweils doppelt zu, nämlich in der U23 und bei den Frauen - sie wiederum altern demnächst aus der Jugendklasse heraus.

So geht es der LG Stadtwerke nun auch weniger um Rang zwei, sondern eher um den Trend, den die Bestenlisten abbilden. "Unsere Philosophie, möglichst den eigenen Nachwuchs an die Spitze zu führen, wird spürbar", sagt Gadenne. Und die Statistik zeigt, dass da allerhand Talente nachkommen. Olympische Medaillen können ja immer noch folgen.

© SZ vom 15.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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