Leichtathletik:Auf der Bremse

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"Mehr war nicht drin": Der Münchner 400-Meter-Läufer Johannes Trefz erreicht in Lille das Finale, aber keine neue Bestzeit. (Foto: Chai v.d. Laage/imago)

Johannes Trefz und Christina Hering von der LG Stadtwerke München laufen bei der Team-EM in Lille langsamer als geplant. Hering kämpft weiter um die WM-Norm.

Von Joachim Mölter, Lille

Immerhin ein Erfolgserlebnis nimmt Christina Hering mit von der Team-EM der Leichtathleten in Lille: "Ich habe die Weltmeisterin von 2015 geschlagen." Nämlich die Weißrussin Marina Arzamsowa, die sich an diesem Samstagnachmittag im 800-Meter-Lauf brav in der Mitte einordnete, als Siebte von elf Starterinnen. Hering, die 22-Jährige von der LG Stadtwerke München, war als Fünfte ins Ziel gekommen, nach 2:04,19 Minuten, nur knapp eine Sekunde hinter der Siegerin Olga Lyakowa aus der Ukraine (2:03,09). "Der Platz war schon okay", fand Hering; schließlich geht es für die Individualsportler bei diesem Wettbewerb darum, möglichst viele Punkte zum Erfolg ihres Teams beizutragen, und da hatte sie sich nichts vorzuwerfen. Dennoch haderte sie: "Ich war nicht zufrieden mit dem Rennverlauf."

Christina Hering war ja auch mit einem persönlichen Ziel zu diesem internationalen Kräftemessen nach Nordfrankreich gekommen: die WM-Norm zu erfüllen. Die hat der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) in dieser Saison auf 2:01,00 Minuten festgesetzt, der deutschen Meisterin fehlen noch 35 Hundertstelsekunden, um sie zu unterbieten. "Ich hatte gehofft, dass ich auf die Norm gehen kann", gab sie zu: "Ich dachte, ein schnelles Rennen wäre im Interesse aller Läuferinnen." Das war es offensichtlich nicht, denn nachdem das wegen der dopingbedingten Suspendierung des russischen Verbandes nur elf statt zwölf Teilnehmerinnen umfassende Feld sich sortiert hatte, "haben sie nach 200 Metern voll die Bremse reingehauen. Da gab's dann viel zu viel Gerempel zwischen 200 und 400 Metern", schilderte Hering das Geschehen. Sie hielt sich zwar raus aus den Rangeleien, aber das Tempo war halt erst mal weg, die Chance auf die Norm dahin.

Zwei Gelegenheiten bieten sich Hering noch, die WM-Norm zu erfüllen - sonst bleibt die Staffel

Zwei Gelegenheiten bleiben der WM- und Olympia-Teilnehmerin der vergangenen beiden Jahre noch, sich in ihrer Spezialdisziplin erneut für die globalen Titelkämpfe zu qualifizieren: Schon am Donnerstag probiert sie es bei einem Meeting in der schwedischen Stadt Sollentuna, danach bleiben noch die deutschen Meisterschaften in Erfurt (8./9. Juli), auch so eine Veranstaltung, wo das Interesse der meisten Teilnehmerinnen erfahrungsgemäß eher bei einer guten Platzierung liegt als auf einer guten Zeit. Notfalls muss die Mittelstrecklerin Christina Hering damit zufrieden sein, als Kurzstrecklerin zur WM Anfang August nach London zu reisen, als Mitglied der deutschen 4×400-Meter-Staffel. In dieser kam sie am Sonntag in Lille nicht zum Einsatz. Das Quartett muss sich ebenfalls erst noch qualifizieren: Eine exakte Zeitvorgabe für die WM-Teilnahme gibt es nicht, der Weltverband IAAF lässt lediglich die 16 besten Staffeln zu.

Auch für Herings Klubkameraden Johannes Trefz bietet die 4×400-Meter-Staffel die beste Gelegenheit für eine WM-Teilnahme, ein Einzelstart "wird schwierig", weiß der Biologie-Student. Der DLV verlangt für eine Nominierung 45,40 Sekunden, davon ist er fast eine Sekunde entfernt mit seiner Saisonbestzeit von 46,35. Und der Vorgabe des Verbandes ist er in Lille nicht näher gekommen. Beim Sieg des Briten Dwayne Cowan (45,46 Sekunden) wurde Trefz am Samstag Siebter in 46,54 Sekunden. "Ich hatte mir schon vorgenommen, mindestens Saisonbestzeit zu laufen", erzählte Trefz, "das ist gar nicht geglückt. Aber mehr war nicht drin."

Wie Hering hatte sich auch der 25-Jährige wenig vorzuwerfen, er war als Neuntbester des Elferfeldes angetreten, und in den erstmals bei der Team-EM in den Sprintbewerben ausgetragenen Vorläufen am Freitag hatte er sich immerhin fürs Finale der besten Acht qualifiziert, in 46,96 Sekunden. "Damit kann ich erst mal zufrieden sein", fand er. Im Endlauf musste der Münchner dann auf Bahn 1 starten, ganz innen. Das ist wegen des engen Radius die ungünstigste Bahn für einen Mann seiner Größe (2,00 Meter). Den Ukrainer Witali Butrim auf der Bahn vor ihm hatte Trefz zwar "relativ schnell unter Kontrolle", berichtete er, "aber der hatte auch schon eine Lücke zu den Läufern davor, und ich hab's nicht mehr geschafft, an die ranzulaufen".

Wegen des Vorlaufes am Freitagabend und der Staffel am Sonntag, in der die Deutschen in 3:04,64 Minuten Sechste wurden, musste Trefz drei 400-Meter-Rennen an drei Tagen bewältigen. "Das ist natürlich ein brutaler Härtetest", räumt er ein. Andererseits sei die Team-EM "einfach ein schönes Miteinander, gerade mit der Staffel", findet er: "Bei den deutschen Meisterschaften ist dann jeder wieder für sich, aber hier kämpfen wir miteinander, das ist eine schöne Abwechslung."

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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