Leichtathletik:Ansporn aus dem Norden

Lesezeit: 3 min

Süddeutschlands größtes Stabhochsprungfestival lockt 136 Athleten nach Gräfelfing. Von den 18 Startern des heimischen Stützpunkts stellt jeder zweite eine neue persönliche Bestleistung auf.

Von Andreas Liebmann, Gräfelfing

Felix Wolter wollte es wissen. Entschlossen nahm der 19-Jährige Anlauf, doch schon auf den letzten Schritten sah ihm sein Trainer Matthias Schimmelpfennig an, dass das keine gute Idee war. Wolters Gesicht drückte Schmerzen aus. "Er hatte Rückenprobleme, eigentlich konnte er gar nicht richtig laufen", berichtete Schimmelpfennig, "ich hatte ihm schon vorher gesagt, dass niemand von ihm erwartet, dass er hier teilnimmt." Doch Wolter, eines der größten Stabhochsprungtalente des TSV Gräfelfing, wollte das heimische Festival nicht verpassen, er versuchte es. Tatsächlich überquerte er einmal bei sechs Versuchen die Latte, da lag sie bei 4,50 Meter. "Weit unter seinen Möglichkeiten", wusste der Trainer, "er war sehr frustriert." Doch irgendwie zeigte es auch, wie wichtig dem Nachwuchs am Gräfelfinger Stützpunkt dieser Heimwettkampf war.

Wie schön es ist, die Fünf-Meter-Marke zu überwinden, zeigen gleich sieben Teilnehmer, hier der Landauer Lamin Krubally (5,20 m). (Foto: Tim Marcour/oh)

Felix Wolter ist auch ein aussichtsreicher Mehrkämpfer, im Februar ist er in der Halle 7,33 Meter weit gesprungen und bayerischer Siebenkampf-Meister geworden mit 5262 Punkten. Er wird den Rückschlag also verschmerzen können. Das galt sicher auch für Malte Mohr, zweimaliger Silbermedaillengewinner bei Hallenweltmeisterschaften, der gleichfalls mit Rückenproblemen angereist war. Als eins der Zugpferde des "Touch the Clouds"-Festivals brachte er letztlich gar keinen gültigen Sprung zustande. "Schade, er hatte sich sicher mehr erhofft - und wir uns auch", sagte Schimmelpfennig, der das Festival seit Jahren organisiert. Und doch war Gräfelfings Trainer zwei Tage lang voller Euphorie auf der von etwa eintausend Zuschauern besuchten Anlage gestanden. "Wir hatten jetzt zwei bombastische Jahre", bilanzierte er.

Malte Mohr bekommt aufmunternden Applaus, ein gültiger Sprung gelingt ihm nach Verletzungspause aber nicht. (Foto: Tim Marcour/oh)

Es ist gerade mal vier Jahre her, da hatten die Organisatoren ernsthaft überlegt, das Festival einzustellen. Mehrmals war es völlig verregnet gewesen, in jenem Jahr fiel es ganz ins Wasser. Doch das Durchhalten sollte sich lohnen. Zur zehnten Auflage 2016, erinnert sich Schimmelpfennig, "da hat das Top-Feld erstmals gezeigt, dass man hier wirklich hoch springen kann, das war fantastisch". Mit 5,55 Meter stellte der Schweizer Dominik Alberto einen Festival-Rekord auf. In diesem Jahr, erneut bei perfektem Frühsommerwetter und 136 Startern, sei die Elite am Sonntag nicht ganz so stark gewesen (sieben Athleten sprangen höher als fünf Meter, Alberto verteidigte mit 5,50 Meter seinen Titel); dafür gab es bereits am Samstag, der dem Nachwuchs gehörte, einen emotionalen Höhepunkt. Auch hier hatten sich etwa 250 Zuschauer eingefunden, viele standen bei den letzten Sprüngen Spalier und klatschten. "Wow", sagte Schimmelpfennig. Der Norweger Pål Haugen Lillefosse ließ die Veranstalter wissen, dies sei der "beste und emotionalste Wettkampf" seines Lebens gewesen.

Gräfelfings Korbinian Suckfüll erwischt dagegen einen sehr guten Tag, er verbessert seine Bestleistung auf 4,95 Meter. (Foto: Tim Marcour/oh)

Das sprach zum einen natürlich für die Arbeit des Organisationsteams, zum anderen muss man wissen: So überaus viele Wettkämpfe kann Lillefosse noch gar nicht erlebt haben, er ist erst 15. Umso beachtlicher war jedoch seine Leistung: Der Teenager stellte mit 5,30 Meter einen norwegischen Rekord auf und war so euphorisiert, dass er die Kampfrichter nach seinem Siegsprung sicherheitshalber noch einmal nach der genauen Höhe fragte. Überhaupt die Norweger: Zweiter des ersten Tages wurde mit 5,15 Meter der 17-jährige Sondre Guttormsen. Gemeinsam mit Carolin Bauer vom TSV Gräfelfing gewannen sie als norwegisch-bayerisches Mixed auch die Teamchallenge, die das Publikum an Tag eins so euphorisierte. Teams aus Österreich, der Schweiz, Bayern und Baden-Württemberg hatten sich gebildet. "Wir versuchen andere Wege zu gehen und neue Präsentationsformen zu finden", erläuterte Stützpunktleiter Schimmelpfennig.

Der internationale Zuspruch für das Touch the Clouds ist in den zurückliegenden Jahren gewachsen. Die Gefahr, darüber den eigenen Nachwuchs aus den Augen zu verlieren, sieht Schimmelpfennig aber nicht, ganz im Gegenteil. "Wir haben keine Angst, uns internationaler Konkurrenz zu stellen - das motiviert eher." Schließlich sind Gräfelfings Stabhochspringer bayernweit führend, da fühle man sich schnell, als wäre man bereits der Größte. Das Touch the Clouds gebe da Orientierung und neuen Ansporn. Von 18 heimischen Athleten stellten am Wochenende neun neue Bestmarken auf. Lena Zintl übersprang als beste Nachwuchsspringerin 3,05 Meter. Julia Zintl (3,75 m, beide LG Stadtwerke) und Carolin Bauer (3,55 m) qualifizierten sich für die deutschen Jugendmeisterschaften, was Noemi Rentz (beide Gräfelfing) schon zuvor gelungen war. Die Lokalmatadore Julian Meuer mit 4,90 Meter und Korbinian Suckfüll mit 4,95 Meter empfahlen sich mit ihren neuen Bestleistungen für die U-23-Meisterschaften. Die Siegerin bei den Frauen, die Schweizerin Olivia Fischer, stellte mit 4,07 Meter einen neuen Stadionrekord auf.

Natürlich ist auch der Aufwand der Organisatoren stetig gewachsen, schon während des Abbaus hatte Schimmelpfennig Ideen, wie man es im nächsten Jahr noch besser machen könne - sofern all die Helfer das mittragen. Er selbst sei da ziemlich offen. Aber die Zeit, als der Wettkampf vor dem endgültigen Aus stand, sagte er glücklich, "die ist ganz weit weg".

© SZ vom 30.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: