Karate:Shinichis Schüler

Lesezeit: 2 min

Der Münchner Ilja Smorguner startet von diesem Mittwoch an bei der Karate-WM in Bremen. In seiner Disziplin Kata, in der Techniken ohne direkten Zweikampf gezeigt werden, hat der 30-Jährige gute Chancen auf den Titel

Von Florence Niemann, München

Wenn sich Ilja Smorguner etwas in den Kopf gesetzt hat, dann erreicht er sein Ziel für gewöhnlich. So war es mit dem Wunsch, an einem Lehrgang des japanischen Spitzenkaratekas Shinichi Hasegawa teilzunehmen. So war es mit dem Ziel, die deutsche Meisterschaft in Erfurt zu gewinnen. Mittlerweile ist Smorguner zweimaliger deutscher Meister, nach seinem Erfolg in Erfurt 2013 konnte er sich auch in diesem Jahr in Coburg wieder den Titel holen. Gelassen sitzt der 30-Jährige in einem Café am Sendlinger Tor. Und während er so genüsslich an seinem Cappuccino schlürft, erzählt er freudestrahlend von den Anfängen seiner Karriere, den Träumen und Zielen, die er sich sportlich noch steckt. Denn in diesem Herbst geht für den Softwareentwickler aus München ein weiterer Lebenstraum in Erfüllung: Smorguner kämpft von Mittwoch an bei der Karate-Weltmeisterschaft in Bremen.

Die Leidenschaft für den Kampfsport hat Smorguner, der bei dem Münchner Verein Shugokan Karatedo trainiert, seinem Vater zu verdanken, der selbst Karateka war. Damals lebte Smorguners Familie noch in Sankt Petersburg. Vater und Sohn schauten jeden Freitagabend gemeinsam Kung-Fu-Filme, der Junge war begeistert. "Ich habe solange vor dem Fernseher rumgeturnt und die Szenen nachgemacht, bis mein Vater mich in einer Kampfschule angemeldet hat", erzählt Smorguner grinsend. Da die meisten Kampfsportarten in Russland bis in die neunziger Jahre aber Normalbürgern verboten und nur der Polizei und dem Militär gestattet waren, nahm Smorguner zunächst Taekwondo-Unterricht. Erst als die Familie 1996 nach Deutschland kam, wechselte er zum Karate. Smorguner lacht. ,,Die Sportart, bei der die meisten Menschen zunächst wohl eher an asiatische Kampfsportler denken, die Bretter zerschlagen oder sich im Zweikampf duellieren.''

Smorguner nutzt die Schlag-, Stoß-, Tritt- und Blocktechniken des Karate aber nicht, um Bretter zu zerschmettern oder Gegner auszuschalten, denn direkte Zweikämpfe gibt es für ihn nicht. Er tritt in der Kata an, einer speziellen Wettkampfform, bei der Duellanten Karate-Techniken aus verschiedenen Stilrichtungen zeigen. Dabei ist darauf zu achten, dass eine bereits vorgeführte Technik im weiteren Wettbewerb nicht noch einmal zum Einsatz kommen darf. ,,Man muss sich gut überlegen, welche Technik-Abfolge man gegen welchen Gegner einsetzt", erklärt Smorguner, der sich bei der Auswahl der richtigen Kata, die 30 mögliche Element-Abfolgen umfasst, auch auf Bundestrainer Efthimios Karamitsos und Vereinstrainer Michael Schölz verlassen kann.

"Iljas größte Stärke ist seine Zielstrebigkeit und Selbstdisziplin": Das sagt Smorguners Trainer. Der Münchner Karateka kämpft nun bei der WM. (Foto: oh)

Schölz ist Landestrainer des Bayerischen Karate Bundes und betreut in München mehrere Karatekas. Nachdem Smorguner zuvor fünf Jahre ohne Trainer gearbeitet hatte, zog es ihn berufsbedingt nach München - und dort ins Training von Schölz. ,,Iljas größte Stärke ist seine Zielstrebigkeit und Selbstdisziplin'', lobt sein Trainer. Neben drei wöchentlichen Einheiten unter Schölz trainiert Smorguner vor und nach der Arbeit sowie während der Mittagspause in einem Fitnessstudio. ,,Ohne Eigeninitiative reicht es nicht, dann würde ich jetzt nicht zur WM fahren'', sagt er.

Die Förderung des Kampfsports ist gering, der Deutsche Karate Verband erstattet lediglich Fahrt- und Teilnahmekosten für Turniere. Den Trainer zahlt der Karateka selbst. Smorguner schätzt sich glücklich, dass er in Schölz einen renommierten Coach gefunden hat, der ehrenamtlich arbeitet. ,,In Dinge, die mich weiterbringen, bin ich aber gerne bereit zu investieren'', sagt er und spielt auf den Lehrgang unter Hasegawa an, den mehrfachen Kata-Weltmeister. 2010 trainierten sie am Oberrhein und feilten an den Techniken der Kata.

Auch bei der WM in Bremen kommt es auf eine saubere Ausführung an, denn ,,die Leistungsdichte ist so hoch, dass kleine Fehler sofort bestraft werden'', sagt Smorguner. 100 der rund 1200 Teilnehmer messen sich mit ihm in seiner Disziplin. Zum Favoritenkreis zählen neben Weltmeister Antonio Diaz aus Venezuela auch Europameister Mattia Busato aus Italien und der Japaner Ryo Kiyuna. Angst hat Smorguner keine. Er zweifelt nicht an seinem Können, und auch Trainer Schölz ist ,,zutiefst überzeugt'', dass sein Schützling gute Chancen auf den Titel hat. Es wäre an der Zeit: Denn einen deutschen Weltmeister im Kata hat es noch nie gegeben.

© SZ vom 05.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: