Judo:Würstchen mit Knack

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Unterwegs zum Double? Bundesligist TSV Großhadern tritt in Hamburg zur Titelverteidigung an. In dieser Saison hat eine neue Generation mehr Verantwortung übernommen - darunter der Sohn des Trainers

Von Julian Ignatowitsch, München

Vor dem Bundesliga-Finale lässt er sich noch einmal durchchecken. Lukas Vennekold vom TSV Großhadern liegt bei der Physiotherapeutin auf der Pritsche. Die rechte Schulter knacke ein bisschen. "Das ist bei mir ganz normal", sagt er und fügt hinzu: "Ich fühle mich topfit." Als Kampfsportler verzieht er keine Miene, für Wehwehchen ist im Judo kein Platz. Die Therapeutin massiert, der 20-Jährige spricht über seine sportliche Leidenschaft: "Ich habe früh angefangen, mache jetzt seit 15 Jahren Judo", erzählt er. "Ich bin eigentlich schon immer hier, seit ich denken kann." Für ihn ist die Judohalle in Großhadern wie ein zweites Zuhause.

2001 hat Vennekold als kleiner Junge zugeschaut, wie Großhadern Meister wurde. Im vergangenen Jahr hat er den Titel selbst gewonnen. Allerdings sah er in den Finalkämpfen wieder nur zu. "Andere kamen zum Einsatz", sagt er. Das wird diesmal anders sein. Wenn Großhadern an diesem Samstag in Hamburg als Titelverteidiger zum Finale der besten Vier antritt - erster Gegner ist der KSV Esslingen - ist Vennekold ein wichtiger Bestandteil des Teams. Seine Rolle hat sich in den zurückliegenden zwölf Monaten stark verändert. Im Leichtgewicht bis 66 Kilo ist er mittlerweile erste Wahl. Die meisten Kämpfe in diesem Jahr hat er gewonnen, dazu war er international bei zwei European Cups (Gold und Silber) erfolgreich. Man kann sagen: Vennekold ist angekommen im Kreis der Profis. Der nächste Schritt soll die Aufnahme in den Nationalkader sein. Dafür trainiert er zweimal täglich neben seinem Studium der Sportwissenschaften.

"Die Jungs haben sich enorm weiterentwickelt": Lukas Vennekold (hier gegen Potsdam) ist erst 20, kämpft aber schon seine vierte Saison in der Bundesliga. (Foto: Claus Schunk)

Bei der abschließenden Einheit vor dem Finale steht Vennekold neben seinen Teamkameraden auf der Matte. Sie werfen sich auf den Boden, rollen sich zweimal zur Seite, machen Sit-ups. In der Mitte macht Trainer Ralf Matusche die Übung vor und feuert lautstark an. Was die Nachnamen nicht gleich verraten: Vennekold ist Matusches Sohn aus erster Ehe. Der Augsburger Matusche hat früher selbst für Großhadern gekämpft, in der goldenen Zeit während der 80-er, als der Verein fast jedes Jahr den Titel gewann, mit Kämpfern wie Peter Jupke und Günther Neureuther, der Zweiter bei Olympia 1976 in Montreal wurde.

Auch Matusche hat mehrere internationale Erfolge errungen, aber zum ganz großen Wurf reichte es nicht. Seit den 90-ern ist er als Landes- und Vereinstrainer tätig, so gelangte er auch erstmals zu den Sommerspielen. Gleichzeitig führt er das Fitnessstudio beim TSV Großhadern, in dem die Athleten ein- und ausgehen. Matusche ist eigentlich immer da, der Verein hat ihm viel zu verdanken. "Ohne ihn wäre der TSV nicht, was er ist", sagen gleich mehrere Kollegen. Und ohne ihn wäre wohl auch der Sohn nicht auf dem Weg zu einem der besten deutschen Judoka. Matusche hat Vennekold von klein auf zum Judo mitgenommen und ihn von Beginn an ausgebildet. "Ich habe bei ihm im Anfängerkurs begonnen und trainiere bis heute bei ihm", sagt Vennekold. Probleme? "Gab es eigentlich fast nie." Wahrscheinlich hilft es, dass Vater und Sohn zwei ganz unterschiedliche Charaktere sind. Matusche ist auf der Matte der Laute, einer, der vorangeht; auch daneben ist er nie um einen Spruch verlegen. Vennekold wirkt dagegen ruhig und besonnen, seine Kameraden schätzen ihn für seine ausgeglichene Art. Trainer und Schüler, Vater und Sohn - sie ergänzen sich also gut, die Rollen sind klar verteilt.

Jetzt sitzen beide an der kleinen Theke des Fitnessstudios. Der Sohn überragt den Vater um fast einen Kopf, im Gespräch gibt aber der Vater den Ton an. Matusche antwortet ausführlich, Vennekold hält sich eher kurz. "Diese Saison läuft gut", sagt er, und der Vater fügt hinzu: "Das Erstaunliche ist ja, dass Lukas trotz seines jungen Alters schon im vierten Jahr Bundesliga kämpft." Matusche hat ihn früh ins Team geholt und immer wieder ranschnuppern lassen. "Wenn Lukas auf der Matte stand, war ich tierisch im Stress", erzählt er. "Das ist besser geworden, auch weil er mittlerweile konstanter kämpft."

Bei Großhadern steht Vennekold auch für die neue Generation von Kämpfern, die der Verein ausgebildet hat. Timo Cavelius, David Karle, Hugo Murphy oder Manuel Mühlegger sind alle nicht älter als 21 Jahre und haben in dieser Saison mehr Verantwortung im Team übernommen. "Die Jungs haben sich enorm weiterentwickelt", sagt Matusche. Großhadern verlor vor der Saison in Aaron Hildebrand, Igor Wandtke und Alexander Wieczerzak drei Bundeskaderathleten für die erste Liga und setzte daher verstärkt auf den eigenen Nachwuchs. Anfangs hatten die Neuen Probleme, doch mit jedem Kampf steigerten sie sich. Und zuletzt waren es eben gerade sie, die die entscheidenden Punkte verbuchten. Im Finale wird es neben den drei Olympiastartern Tobias Englmaier (bis 60 kg), Karl-Richard Frey (bis 100 kg) und Marcus Nyman (bis 90 kg) erneut besonders auf die Jungen ankommen.

"Ich habe viel dazugelernt", sagt Vennekold, der kürzlich die Top-Kämpfer Robert Kopiske und Neil MacDonald besiegte. Im November wird er bei der U23-Europameisterschaft antreten. Überholt er bald den Vater? Matusche lacht, Vennekold zögert. "Das Würstchen", sagt der Vater flapsig. Beide lachen. "Im Ernst: Ja, das muss natürlich das Ziel sein." Vennekold nickt. "Er hat seine Zeit gehabt", sagt er.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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