Judo:Süd-Ost-Gerangel

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Zukunft auf der Matte: Nora Bannenberg (Langenfeld, re.) kämpft bei der U-18-DM gegen Lea Proft (Leipzig). (Foto: Claus Schunk)

Die Judo-Talente des TSV Großhadern erkämpfen als Gastgeber der deutschen U-18-Meisterschaft Bronze und zeigen, dass sie den dominierenden Klubs aus den neuen Bundesländern auf den Fersen sind

Von Julian Ignatowitsch, München

Bruno Tsafack kommt gerne nach Großhadern. Der U-18-Bundestrainer lobt den Judostützpunkt dann als "positives Beispiel". Während die ostdeutschen Bundesländer in der Jugendförderung beim Männer-Judo weiterhin vorangehen, sei Großhadern das Vorbild für Bayern und den Rest der Bundesrepublik.

Das Ergebnis der deutschen Mannschaftsmeisterschaften im Nachwuchsbereich der unter 18-Jährigen, die am Wochenende in der bayerischen Landeshauptstadt stattfanden, liest sich wie die Übersetzung dieser Worte ins Sportliche: In Frankfurt/Oder und Potsdam belegten zwei Teams aus Brandenburg die Spitzenplätze, dahinter teilten sich Leipzig und Großhadern den dritten Platz. Die Gastgeber schieden im Viertelfinale etwas unglücklich gegen den späteren Sieger Frankfurt/Oder mit 1:4 aus, über die Trostrunde und durch Siege gegen Neubrandenburg (4:3) und Sindelfingen (4:3) sicherten sie sich schließlich noch Bronze. "Sie hatten zuvor auch etwas Pech mit den Schiedsrichter-Entscheidungen", sagte Tsafack, der gleich mehrere Judoka aus Großhadern für die Nationalmannschaft beobachtete - darunter Manuel Mühlegger (-55 kg), Tobias Bergmeier (-73 kg) und Mario Güther (+81 kg), die zusammen zehn von zwölf Einzelkämpfen gewannen. Insbesondere Schwergewichtler Güther machte mit vier Siegen in vier Kämpfen auf sich aufmerksam. Der 17-Jährige hinterlässt auf der Matte schon optisch Eindruck: 1,88 Meter groß, 108 Kilogramm schwer. Sein Trainer, der britische Ex-Olympionike Winston Gordon, nennt ihn nur "the beast", die Bestie.

Wenn er seinen Gegner entscheidend zu Boden wirft oder wie im zweiten Kampf mit Würger bezwingt, hat man nicht selten Sorge um die Gesundheit des Kontrahenten. Abseits der Matte zeigt sich Güther dann aber ganz gutmütig: "Natürlich will ich niemanden verletzen, sondern einfach meine Kämpfe gewinnen", sagt er und lacht verlegen. Güther hat den Vorteil, dass er sein Training schon jetzt klar auf eine Gewichtsklasse ausrichten kann. Während die Leicht- und Mittelgewichtler in diesem Alter noch häufig die Gewichtsklasse wechseln und entsprechende technische Änderungen vornehmen müssen, ist Güther gewichtsmäßig schon klar positioniert. Sein Vorbild ist der französische Judoka Teddy Riner: 2,04 Meter groß, 131 Kilo schwer und als Olympiasieger, Welt- und Europameister die dominierende Figur bei den Profis. Güther könnte in Großhaderns Bundesliga-Mannschaft die Problemposition im Schwergewicht zukünftig ausfüllen, im nächsten Jahr will er vorher deutscher U-21-Meister werden und auch international erste Erfahrungen sammeln. Sein Bruder Tim, zwei Jahre älter, hat in diesem Jahr bereits erfolgreich die ersten Schritte bei den Erwachsenen gemacht.

Bundestrainer Tsafack betonte, wie wichtig "die richtigen technischen Grundlagen" beim Übergang vom Jugend- in den Erwachsenenbereich seien. Seit zwei Jahren ist der gebürtige Kameruner jetzt im Amt und hat die Nachwuchsförderung des Judoverbands gerade bezüglich der Trainingsinhalte reformiert. "Gute Ergebnisse sind in diesem Alter erst mal zweitrangig", schildert Tsafack seine Philosophie. Viel wichtiger sei, "wie sich ein junger Judoka auf der Matte präsentiert und ob er technisch geschult und sauber kämpft". Die physischen Defizite könnten auch später noch korrigiert werden - und in körperlicher Hinsicht verändert sich bei den Jungen ohnehin noch sehr viel. Tsafack plädiert zudem für eine schulgebundene Förderung, zum Beispiel in Internaten. Gerade in West- und Süddeutschland gäbe es da noch viel Nachholbedarf. In München bietet das Isar-Sport-Gymnasium als einzige Schule eine solche Ausbildung, dorthin geht auch Großhaderns Talent Güther, der neben dem Leistungssport nächstes Jahr das Abitur macht.

Etwas anders stellt sich die Situation bei den Mädchen dar, wo die ostdeutsche Dominanz nicht so groß ist, auch wenn die Mehrheit der Top-Vereine aus den neuen Bundesländern kommt. Dort gab es sogar ein rein bayerisches Finale: Titelverteidiger Großhadern unterlag dem TSV Abensberg mit 1:4. Eine kleine Erinnerung auch für die Männer. Denn die waren in der Bundesliga 13 Jahre lang nicht am niederbayerischen Konkurrent vorbeikommen, ehe diese Saison in Abwesenheit von Abensberg der lang ersehnte Titelgewinn glückte.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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