Judo:Olympia im Nacken

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Der neue Modus macht es dem TSV Großhadern noch schwerer, die Endrunde der Bundesliga zu erreichen. Das Ziel bleibt sie dennoch.

Von Julian Ignatowitsch, München

Wenn der bayerische Judo-Stützpunkt-Trainer Ralf Matusche über die Belastung seiner Athleten spricht, dann kommt er schnell zu dem Schluss: "Es passt einfach nicht. Es ist immer zu viel!" Der Terminplan für die Spitzen-Judoka, die um die Olympia-Qualifikation kämpfen, ist 2018 wieder einmal übervoll.

Ende April steigt die Europameisterschaft in Tel Aviv, vier Monate später die WM in Baku - dazwischen steht fast jedes Wochenende ein internationales Turnier oder Trainingslager an. "Judo ist so eine intensive, körperfressende Sportart", erklärt Matusche. "Da braucht man ausreichend Regeneration. Und wenn dann Zeit für Regeneration wäre, dann steht ein Bundesliga-Kampf auf dem Plan..." Er hält inne und guckt skeptisch. "Hm, schwierig."

Anstrengend: Der Österreicher Lukas Reiter wird diese Saison in der Klasse bis 73 Kilo für den TSV Großhadern kämpfen – wenn es sein Terminplan erlaubt. (Foto: imago)

Noch dazu, wenn es mehr Wettkämpfe sind als bisher: Die Judo-Bundesliga hat ihre Nord- und Südstaffel jeweils um drei Mannschaften erweitert, von sechs auf neun. Entsprechend hat sich auch die Zahl der Kämpfe erhöht, was gerade einen etablierten Verein wie den TSV Großhadern vor Herausforderungen stellt. "Letztlich ist Judo ein Individualsport", sagt Matusche. Er will seinen Athleten bei der Mehrbelastung - mehr Teams, mehr Kämpfe - entsprechend mehr Pausen einräumen. Für den alljährlichen Titelaspiranten aus Großhadern heißt das: Man gehört in dieser Saison nicht zu den Top-Favoriten. In den vergangenen Jahren konnte Großhadern sich noch mit dem B-Kader durch die Hauptrunde mogeln und brachte dann rechtzeitig zu den Playoffs die besten Kämpfer auf die Matte. Nach der Modusänderung ist diese Vorgehensweise nicht mehr erfolgversprechend, weil sich nur noch die besten zwei Süd-Teams für das Finale qualifizieren. Die Konkurrenz ist größer, jeder einzelne Kampf in der Hauptrunde zählt mehr. Deswegen sind auch gleich die Auftaktduelle an diesem Samstag (18 Uhr) in Esslingen und eine Woche später gegen Leipzig richtungsweisend für Großhadern. Beide Teams sind direkte Rivalen im Rennen um die Top-Plätze. Dazu kommt Rekordmeister TSV Abensberg. Die übrigen Bundesliga-Teams Erlangen, Speyer, Rüsselsheim, Offenbach und Heidelberg-Mannheim werden eher um den Klassenerhalt kämpfen.

Neuverpflichtungen hat der TSV Großhadern fast nicht gemacht, lediglich drei junge Österreicher. Stephan Hegyi (Gewichtsklasse über 100 Kilogramm), Lukas Reiter (bis 73 kg) und Kimran Borchashvili (bis 60 kg), verstärken den Kader auf Abruf. Ansonsten setzen die Münchner in dieser Saison noch mehr auf die eigenen Nachwuchskräfte. Eine Philosophie, der man seit der Meisterschaft 2015 folgt. In Peter Thomas, Severin Edmeier (beide bis 66 kg) und Johann Lenz (bis 81 kg) stehen nun die ersten drei 2000er-Jahrgänge im Team. Die fünf Jahre älteren Lukas Vennekold (bis 73), Niklas Blöchl ( bis 81) oder Tim Güther ( bis 90) kamen ebenfalls als U-18-Athleten in den Kader und sind mittlerweile trotz ihres nach wie vor jungen Alters entsprechend erfahren. Während die Auswahl in den mittleren Gewichtsklassen groß ist, bliebt das Problem im Schwergewicht.

Dort hängt viel von den beiden Brüdern Karl-Richard Frey (bis 100 Kilo) und Johannes Frey (über 100) ab, die eben auf die Olympischen Spiele 2020 hinarbeiten - und somit entsprechend seltener verfügbar sind. Gleich am Auftaktwochenende fehlen die Freys Großhadern, weil Bundestrainer Richard Trautmann ihnen andere Trainingsschwerpunkte verordnet hat. Großhaderns Trainerteam um Ralf Matusche folgt dieser Vorgabe. Die Krux dabei ist aber: Nicht alle Klubs halten sich daran. Wenn die Sponsoren Druck machen, müssen die Judoka in manchen Fällen trotzdem ran. Titelverteidiger Hamburg aus der Nordgruppe setzte bei seinem vorgezogenen ersten Kampf Sportler aus dem Nationalteam ein. Auch Esslingen könnte keine Rücksicht nehmen, spekuliert Matusche. Dazu ist seit dem Karriereende von Tobias Englmaier, der mittlerweile die Bundesliga-Mannschaft mitbetreut, auch die Auswahl im Superleichtgewicht sehr beschränkt. Und so geht der TSV Großhadern gleich im seinem ersten Kampf als Außenseiter an den Start. Auch wenn der Klub wie jedes Jahr die Finalrunde anstrebt, dürfte das in diesem Jahr schwer werden. Schon im Vorjahr scheiterte der TSV knapp - und da war der Modus noch günstiger.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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