Judo:Ohne Schwergewicht

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"Eine Herzenssache": Auch nach dem Ende ihrer internationalen Karriere kämpft Maria Tretter für Großhadern - in Speyer war sie zweimal unachtsam. (Foto: Claus Schunk)

Trotz der Niederlage in Speyer liegen Großhaderns Frauen in der Judo-Bundesliga auf Kurs. Auch in der vergangenen Saison gab es eine durchwachsene Vorrunde, dann holte der TSV den deutschen Meistertitel.

Von Julian Ignatowitsch, München

In vier Minuten kann viel passieren. Und ein Kampf ist erst vorbei, wenn der Gong läutet - soviel Sportweisheit gilt auch im Judo. Maria Tretter (ehemals Ertl) weiß das eigentlich genau. Seit mehr als 20 Jahren steht sie auf der Matte, gut ein Jahrzehnt kämpfte sie im Nationalteam auf allen Kontinenten der Welt. Vor dieser Saison hat sie ihre internationale Karriere beendet. Sie tritt zwar weiterhin in der Bundesliga für den TSV Großhadern an, aber das Training hat gelitten. "Dann schleichen sich Fehler ein, die man sonst nicht macht", sagt Tretter. Und plötzlich gehen zwei Kämpfe in den Schlusssekunden verloren: "Reine Konzentrationssache."

Bei der 4:10-Niederlage der Großhaderner Judo-Frauen gegen den JSV Speyer lief einiges nicht nach Plan. Das fing schon bei der Aufstellung an. Im Schwergewicht fehlten in Carolin Weiß, Lisa Dollinger, Laura Vargas Koch und Claudia Probst alle Stammkämpferinnen. Weil die höchsten Gewichtsklassen leer blieben, wofür Großhadern Strafe zahlen muss, schenkte das Team vier Punkte ab; dazu die zwei Unaufmerksamkeiten von Tretter - damit war ein Sieg fast unmöglich. Von den restlichen acht Punkten holte der TSV vier: Seine Top-Kämpferinnen Theresa Stoll (-57 kg) und Milica Nikolic (-48 kg) punkteten, wie so oft, doppelt. Jana Ziegler (-63 kg), die über Normalgewicht kämpfte, sowie die britischen Schwestern Amy (-70 kg) und Bekky Livesey (-63 kg) blieben indes chancenlos.

Der dünne Kader stellt Großhadern wieder mal vor Probleme. Das war schon in den vergangenen Jahren so. Die Problematik im Leichtgewicht ist mit der Verpflichtung der Serbin Nikolic zwar gelöst, dafür ist die Lücke im Schwergewicht größer geworden. Das hat aber nicht verhindert, dass die Mannschaft in drei Jahren zweimal deutscher Meister wurde. Die Rechnung geht so: Während in der ersten Saisonhälfte aufgrund vieler Terminkollisionen mit internationalen Wettkämpfen und Trainingslagern zumeist nur der B-Kader an den Start geht, sind ab September zur zweiten Hälfte meist alle Top-Athletinnen dabei. Bis dahin gilt es, die Chance aufs Finale aufrecht zu erhalten - und das haben Großhaderns Frauen mit zwei Siegen und zwei Niederlagen erneut geschafft. "Jetzt kommt erst mal die Sommerpause, dann greifen wir voll an", sagt Tretter, die sich mittlerweile auch als Trainerin und Betreuerin einbringt. Mit einem Sieg gegen Backnang im September hat der Titelverteidiger die Finalqualifikation sicher und kann nach der Weltmeisterschaft auch personell wieder aus dem Vollen schöpfen.

Tretter kennt die Kalkulation noch aus ihrer Profizeit: "Wenn du jede Woche an einem anderen Ort kämpfst, musst du zwischendrin mal pausieren und lässt die Bundesliga aus." So hat es am Wochenende etwa Olympia-Teilnehmerin Viola Wächter (-57 kg) gemacht. Tretter selbst war dieser Terminstress irgendwann zu viel, daher entschied sie sich zum Rücktritt. Sie hat geheiratet, arbeitet als Polizistin und wohnt bei ihrer Familie in Lenggries nahe Bad Tölz. Früher musste sie zum Training immer an den Bundesstützpunkt in Großhadern, jetzt trainiert sie öfters bei ihrem Heimatverein. "Manchmal helfe ich meinem Vater beim Kindertraining", erzählt sie.

Ihr Erstligateam wollte sie "natürlich nicht aufgeben", sagt sie, "das ist eine Herzenssache." Für die sie jetzt umso mehr Zeit hat - Kräftemessen gegen internationale Stars inklusive. Das Team kämpft seit dem Gewinn der ersten Meisterschaft 2014 quasi unverändert zusammen. Die meisten Athletinnen sind seit ihrer Juniorenzeit dabei und können sich noch daran erinnern, wie die Frauenmannschaft 2011 aufgelöst werden sollte. Man setzte sich zusammen, stimmte dagegen und hat seitdem zweimal den Titel gewonnen.

Auch in diesem Jahr hält Tretter den Titelgewinn für realistisch. Denn vergangene Saison lief es ganz ähnlich. Die Endrunde wurde erst mit dem letzten Vorrunden-Kampf gebucht. Wenig später streckten sie den Pokal in die Höhe. Zwischen Sieg und Niederlage liegt eben oft nur ein Gongschlag.

© SZ vom 27.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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