Judo-Bundesliga:Alleinfahrt nach Leipzig

Lesezeit: 2 min

Mit 17 hat man noch - nicht so viel Routine: Hugo Murphy blieb in der Klasse bis 81 Kilo chancenlos. (Foto: Johannes Simon)

Ohne Kaderathleten muss der TSV Großhadern die erste Saisonniederlage einstecken - Trainer Matusche findet Esslinger Einspruch "albern".

Von Julian Ignatowitsch, Leipzig/München

Und plötzlich saß Ralf Matusche allein im Auto. So hatte der Trainer des TSV Großhadern das nicht geplant. Zum Kampf beim JC Leipzig sollten ihn eigentlich die beiden Bundeskader-Judoka Aaron Hildebrand und Julian Kolein begleiten. Vom Trainingslager der Nationalmannschaft in Kienbaum nahe Berlin aus wollte das Trio am Samstag zusammen nach Leipzig zum Bundesligakampf aufbrechen und anschließend gleich wieder zurückfahren. Ein kurzer Tagestrip, der den Vorgaben des Bundestrainers entsprochen hätte, der aber nicht für die Kämpfer (anderer Bundesligavereine) möglich gewesen wäre, die weiter im Süden hätten antreten müssen. Und so sprach die Konkurrenz von Wettbewerbsverzerrung und der Bundestrainer untersagte kurzerhand allen Athleten aus dem Nationalkader den Bundesligastart an diesem Wochenende.

"So sind uns die Kämpfer ausgegangen", fasste Matusche nach der 5:9-Niederlage seiner stark dezimierten Mannschaft beim JC Leipzig zusammen. "Wir sind quasi mit unserer Juniorenauswahl angetreten." Das Durchschnittsalter lag gerade einmal knapp über 20 Jahren, drei von neun Athleten sind noch im Teenager-Alter, die anderen kaum älter: "Da hätte schon alles für einen Sieg passen müssen", meinte Matusche.

Es passte aber wenig. Stattdessen zahlte manches Talent Lehrgeld. Der 20-jährige Tim Güther etwa verlor in der Gewichtsklasse bis 90 Kilogramm zweimal gegen den zehn Jahre älteren René Kirsten, Hugo Murphy (-81 kg) und Timo Cavelius (-73 kg) hatten bei ähnlichem Altersunterschied gegen ihre Gegner Norbert Fleischer und Philipp Mackeldey das Nachsehen. Auch der angeschlagene Lukas Vennekold (-66 kg) und Niklas Blöchl (-81 kg) waren in ihren Duellen chancenlos. Die Punkte für Großhadern machten fast ausnahmslos die routinierteren Starter, wie Christoph Köberlin (-60 kg) und der Schwede Markus Nyman (-100 kg), beide immerhin schon 24 Jahre alt. "Unsere Jungen haben diesmal nicht so zugeschlagen", konstatierte Matusche, der aber keinem einen Vorwurf machen wollte. Schließlich hatten beim letzten Sieg gegen Rüsselsheim (10:4) gerade die weniger erfahrenen Athleten gezeigt, welches Potenzial in ihnen steckt.

Für Großhadern war das 5:9 in Leipzig die erste Niederlage im dritten Kampf dieser Saison . Das Rennen um die Finalrunde ist jetzt wieder eng. Sechs Teams duellieren sich um vier Plätze in der Gruppe Süd. Großhadern ist, wenn auch punktgleich mit der Spitze, nur noch Dritter und muss mindestens einen der zwei verbleibenden Kämpfe gewinnen, damit das Ziel Meisterschaft in Reichweite bleibt.

Als neuer Tabellenführer jubelte am Wochenende der KSV Esslingen. An dessen Trainer Carsten Finkbeiner, den Beschwerdeführer in der eingangs erwähnten Causa um die nicht abgestellten Kaderathleten, richtete Großhaderns Trainer dann doch noch ein paar Worte. Albern sei das, befand Matusche, zumal Esslingen direkt gar nicht betroffen gewesen sei. Die Aktion erfüllte aus Sicht der Württemberger, die gleichzeitig Großhaderns größter Konkurrent im Titelkampf sein dürften, trotzdem ihren Zweck. Indirekt profitierten sie nämlich von der Niederlage der Münchner.

Probleme, seine Bestbesetzung aufbieten zu können, wird Matusche auch in den kommenden Wochen und Monaten haben, mit Europa- und Weltmeisterschaft; in Jahren vor Olympischen Spielen sind sie ohnehin chronisch. Ein Spitzenteam wie Großhadern mit vielen deutschen und internationalen Topkämpfern trifft das umso mehr. Die Diskussion um die zwei leer gebliebenen Sitzplätze in Matusches Auto zeigt dennoch, dass die Bundesliga nach wie vor ihren sportlichen Stellenwert besitzt. Die Sehnsucht nach einem Titel ist in Abwesenheit von Dauermeister Abensberg bei allen Beteiligten groß.

"Albern", wiederholte Großhaderns Trainer noch einmal - und drehte das Autoradio lauter. Das DFB-Pokalfinale im Fußball wollte er auf der Rückfahrt nicht auch noch verpassen.

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: