Klettern:"Man muss die Athleten fordern"

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"Das Schlimmste, was passieren kann: Dass es niemand schafft": Robert Heinrich versucht, dies zu vermeiden - und dennoch einen anspruchsvollen Kurs zu entwerfen. (Foto: Robert Haas)

Robert Heinrich schraubt die Routen beim Boulder-Weltcup

Interview von Sebastian Winter

Der größte Freund von Robert Heinrich, 31, ist ein Akkuschrauber. Seit Montag befestigen der mit einer internationalen Lizenz ausgestattete Landshuter und fünf Kollegen unter dem Dach des Olympiastadions Griffe für den Boulder-Weltcup an zwei vier Meter hohen Wänden. Meist bis Sonnenuntergang. Ein Job, der nicht nur eine stabile Leiter und handwerkliches Geschick erfordert.

SZ: Herr Heinrich, Sie befestigen gerade Kunststoff-Griffe an der Boulderwand. Sind Sie Handwerker oder Kopfarbeiter?

Robert Heinrich: Beides. Man muss schon wissen, wie ein Akkuschrauber funktioniert. Die Griffe, Tritte und Volumen an der künstlichen Wand zu befestigen, ist reines Handwerk. Aber das macht nur 20 Prozent unseres Jobs aus. Beim Rest geht es um Kreativität, Ideen und ein inneres Gefühl. Man muss auch teamfähig sein, denn die Routen erarbeitet man gemeinsam mit den anderen Schraubern. Und man darf keiner sein, der abends am Stammtisch sagt: "Früher war alles besser." Innovation ist wichtig, es verändert sich so viel in diesem Sport. Daily business gibt es nicht.

Inwiefern?

Die Athleten fliegen und springen heutzutage durch die Wand, das gab es vor zehn Jahren noch nicht, als ich angefangen habe, Routen zu schrauben. Züge, von denen ich damals gedacht habe, die schafft keiner, sind heute Standard. Andererseits denken viele, Bouldern sei reiner Kraftsport. Aber es geht nach wie vor ganz viel um Körpergefühl und Balance: Wie muss der Druck auf meinem linken Fuß sein, steht meine Hüfte zu weit rechts? Für uns ist das auch eine Herausforderung. Diese großen, flachen Griffe, die wir für das Weltcup-Finale in die Wand schrauben, gab es früher beispielsweise noch gar nicht.

Ist es das Ziel des Routenschraubers, Athleten vor unlösbare Probleme zu stellen?

Nein, nein. Man muss die Athleten herausfordern, physisch und mental. Manche stellt man vor unlösbare Probleme, die hängen in der Wand und wissen nicht mehr weiter. Das Optimum wäre, dass im Finale am besten nur je ein Athlet bei Frauen und Männern den Top-Griff ganz oben erreicht. Wenn sie das vor 5000 jubelnden Zuschauern schaffen, läuft auch mir eine Gänsehaut den Rücken runter. Das Schlimmste aber, das passieren kann: Dass es niemand schafft. Dann hast du verkackt als Routenschrauber.

Wie kommt man zu diesem Job?

Ich bin während des Studiums da reingerutscht, um nebenher ein bisschen Geld zu verdienen. Mittlerweile betreibe ich in Darmstadt eine eigene Boulderhalle und fliege als Schrauber durch die Welt, dieses Jahr zum Beispiel zur Studenten-WM nach Shanghai. Flug, Kost und Logis werden gezahlt, dazu ein kleines Gehalt. Und ich komme dadurch raus, das ist doch super.

Verraten Sie uns noch die Route für den Weltcup in München?

Ich kann nur verraten: Es werden ganz andere Griffe sein, darunter auch von mir und anderen Schraubern entwickelte Prototypen. Der Kurs ist nicht so verspielt wie 2015, stringenter. Die Kletterer müssen sich ihren nächsten Zug also ganz genau überlegen.

© SZ vom 12.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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