Hockey:Lust der Verantwortung

Lesezeit: 2 min

Die Jungen müssen ran: Janne Wetzel zum Beispiel, gerade mal 17. (Foto: Claus Schunk)

Das Frauen-Hockeyteam des MSC entwickelt sich nach dem Umbruch und seiner Verjüngungskur. Das zeigen auch die knappen Ergebnisse vom Wochenende, wie das 1:3 gegen den UHC Hamburg und das 1:1 gegen Harvestehude.

Von Katrin Freiburghaus, München

Philin Bolle ist die einzige Feldspielerin weit und breit. Sie wippt vor ihrer Torhüterin hin und her, allein in der eigenen Hälfte des Platzes. Den Oberkörper nach vorn gebeugt, wartet die 18 Jahre junge Hockey-Spielerin vom Münchner Sportclub geduldig auf die Angriffe ihrer Gegnerinnen aus Hamburg. Es ist das typische Bild einer Innenverteidigerin - es ist ein völlig untypisches für jahrelange Besucher des MSC. Denn wo Bolle, U-18-Nationalspielerin, am vergangenen Wochenende beim 1:3 gegen den UHC Hamburg und beim 1:1 gegen Harvestehude über das Spielgeschehen vor sich wachte, stand bis zum Frühjahr noch Nina Hasselmann - 31 Jahre alt, mehr als 200 Länderspiele, Olympiateilnehmerin.

"Ich muss zwischen Spiel und Tabellenstand differenzieren", sagt Trainer André Schriever

Ein Vergleich mit Hasselmann, die jahrelang nicht nur Führungsspielerin, sondern auch lautstarker Kommunikator des Teams war, ist eigentlich unzulässig, weil Bolle keine Chance hat, ihn gegen die aus beruflichen Gründen Zurückgetretene zu gewinnen. Und dennoch ist ein Blick auf den Unterschied nötig, um zu verstehen, warum MSC-Kapitänin Hannah Krüger am vergangenen Bundesliga-Sonntag "ganz schön genervt", aber eben nicht richtig wütend war. Das Team hatte gegen Harvestehude ordentlich gespielt, seine Chancen aber nicht genutzt und nur durch ein spätes Eckentor von Krüger (59.) überhaupt noch einen Punkt gesichert - den zweiten aus bisher drei Saisonspielen.

"Es ist enttäuschend, wenn man in einem eigentlich guten Spiel wieder die Tore nicht macht", sagte Krüger, "aber es war klar, dass wir uns durch den Umbruch erst finden müssen." Denn Bolle ist nicht die einzige Spielerin, der in einer durch zahlreiche Weggänge drastisch verjüngten Mannschaft quasi über Nacht immense Verantwortung zugefallen ist. Das Team ist voll mit Spielerinnen wie ihr, zehn von ihnen unter 20 Jahre jung. ",Mal Gucken' geht jetzt nicht mehr", sagte Trainer André Schriever über sie, "die Jungen stehen jetzt alle voll im Fokus, ziehen aber auch sehr gut mit, das hat sich in der Vorbereitung schon abgezeichnet."

Verantwortung klingt im Mannschaftssport oft mehr nach Last als Lust. Als Bolle vom Kunstrasen kam, fehlte davon jedoch jede Spur. Sie stand da mit wachen Augen und sagte auf ihre neue Rolle angesprochen: "Für mich ist das doch gut, ich kann mich super weiterentwickeln." Sie sagte "kann" - nicht "muss". Es scheint den wenigen verbliebenen Führungsspielerinnen aus der Vorsaison zu gelingen, dass die Jüngeren von sich aus mehr Verantwortung wollen, weil ihnen niemand Angst davor macht. "Als junge Spielerin sagt man eigentlich immer, dass man lieber Sturm spielt, weil man da am wenigsten Fehler machen kann", sagte Bolle, "aber wenn die Mannschaft hinter einem steht, fällt vieles leichter."

Krüger findet es "schön, das zu sehen", warnte aber vor überhöhten Erwartungen. Bolle mache "das unglaublich souverän, muss sich aber auch noch auf sich konzentrieren". Sie müsse deshalb nicht diejenige im Team sein, "an der sich die anderen hochhangeln". Weil allzu viele zum Hochhangeln nicht mehr übrig sind, wünscht sich Krüger, dass es insgesamt weniger notwendig wird. "Eine solche Veränderung ist auch die Chance dafür, dass alle zu reden anfangen und nicht mehr darauf hoffen, dass es Hasselmann hinten schon irgendwie richten wird", sagte sie, um dann zufrieden festzustellen, dass dieser Prozess bereits zu beobachten sei.

Krüger und Schriever, die aus der jüngsten Vergangenheit regelmäßige Endrundenteilnahmen kennen, müssen sich im Gegenzug daran gewöhnen, prognostizierte Niederlagen auch in der Realität zu verkraften. Der Anblick eines neunten Platzes inklusive negativem Torverhältnis ist nichts, was beim MSC in den vergangenen Jahren ausführlich geübt worden wäre. "Ich muss deshalb zwischen Spiel und Tabellenstand differenzieren", sagte Schriever. "Wir haben für das, was wir spielen, zu wenig Punkte", bilanzierte er. Mit der Spielentwicklung seines Teams sei er dagegen zufrieden.

© SZ vom 19.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: