Hockey:Lebe deine Traumblase

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Generationenwechsel beim MSC: Vorne Hannah Krüger, hinten die für Rio nicht nominierte Nina Hasselmann, die ihre Laufbahn beendet. (Foto: J. Simon)

Nach dem unerwartet frühen Aus im Bundesliga-Halbfinale konzentriert sich Hannah Krüger umso mehr auf Rio. Ihr erstes olympisches Turnier könnte für die Kapitänin des Münchner SC zugleich ihr letztes werden

Von Stefan Galler, Grünwald

Ein paar Tage nach dem verlorenen Halbfinale um die deutsche Meisterschaft merkt man Hannah Krüger ihre Enttäuschung noch an. Die 27-Jährige war mit dem Münchner SC als Tabellenerster nach der Hauptrunde der Bundesliga ins "Final-Four"-Turnier in Mannheim gegangen. Doch dort kam überraschend das Aus durch eine 0:1-Niederlage gegen den Tabellenvierten Rot-Weiß Köln. Nun ist Krüger nach Grünwald gekommen, um auf einem Pressetermin die Werbetrommel zu rühren für zwei Test-Länderspiele, die hier am 21. und 22. Juni gegen Spanien stattfinden. "Es fällt sehr schwer, nach diesem knapp verlorenen Halbfinale Bilanz zu ziehen", sagt Krüger, als sie auf ihren Verein angesprochen wird. "Aber letztlich können wir stolz sein, wir haben die Saison auf Platz eins abgeschlossen, der MSC spielt im nächsten Jahr erstmals international und wir haben in der Rückrunde kein einziges Spiel verloren."

Als einzige Münchnerin gehört Krüger dem deutschen Kader für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro an - und genau auf dieses Karrierehighlight richtet sich jetzt die volle Konzentration der 154-maligen Nationalspielerin: "Olympia ist ein absoluter Kindheitstraum von mir. Ich habe im Kunstunterricht tatsächlich Traumblasen gezeichnet, in denen ich bei Olympia Hockey spiele", sagt sie. "Der Oberhammer" wäre es, wenn es für das deutsche Team zu einer Medaille reichen würde. "Aber es geht mir in erster Linie mal um das Erlebnis: Hinfahren und im olympischen Dorf Zeit mit anderen Top-Athleten verbringen", sagt Krüger.

Bereits vor den Spielen 2012 in London hatte sie fest mit einer Berufung ins Team gerechnet, doch dann war sie plötzlich nur "erste Nachrückerin". Eine besonders undankbare Rolle, weil man nur dann ins Aufgebot rutscht, wenn sich eine Kollegin verletzt. Das war damals nicht der Fall. Umso mehr will sie nun selbst darauf achten, die Zeit bis zum ersten Vorrundenspiel am 7. August gegen China unbeschadet zu überstehen. Die Vorbereitung hat es ziemlich in sich und beginnt schon jetzt: Die Auswahl kommt in Hamburg zusammen, nimmt dort an einem Vier-Nationen-Turnier teil. Weiter geht es in London mit Testspielen gegen Südkorea und Australien, ehe der Tross am 20. Juni in die Sportschule Oberhaching einzieht - für die beiden Vorbereitungspartien gegen Spanien in Grünwald sowie einen Athletiktest. Den Feinschliff in Taktik und Teambuilding verpasst Bundestrainer Jamilon Mülders seiner sehr jungen Mannschaft - sieben Spielerinnen sind 21 Jahre oder jünger - dann am Gardasee. "Dort werden wir auch konkrete Ziele für Rio festlegen", sagt Krüger. Bislang habe man sich nur darauf verständigt, dass man gerne das Viertelfinale erreichen würde: "Wir wollen für jeden Gegner unangenehm sein, kein Team, auf das man sich freut", sagt die MSC-Spielführerin. Man habe schon oft gezeigt, dass man sich im Turnierverlauf steigern könne, deshalb gilt: "Wir wollen in jedem Spiel ein 60-Minuten-Feuerwerk abbrennen und hoffentlich als Sieger vom Platz gehen."

Nach dem Italien-Trip haben alle noch ein Paar Tage Zeit zum Ausspannen, ehe sich das Team rund drei Wochen vor den Spielen in Düsseldorf trifft und im Anschluss an Testspiele gegen Gold-Favorit Niederlande nach Südamerika abreist. Hannah Krüger ist froh, dass die Kadernominierung früh vonstatten gegangen ist und sich nun alle in die Vorbereitung stürzen können. "Das setzt enorme Energien frei und ist wesentlich besser, als wenn man erst spät Klarheit hat und alle noch total aufgeregt sind, wenn es losgeht."

Nach Möglichkeit soll alles perfekt laufen, schließlich könnte es gut sein, dass das erste olympische Turnier für die Mittelfeldspielerin, die 2010 von der HG Nürnberg nach München kam, gleichzeitig ihr letztes ist: Sie erwägt einen Rücktritt aus dem Nationalteam nach dem Rio-Abenteuer. Schließlich absolviert sie ein Lehramtsstudium, möchte Gymnasiallehrerin für Biologie und Chemie werden.

Chemie ist ein gutes Stichwort, um doch noch einmal zurückzukommen auf ihren Verein: Der MSC bekommt in der neuen Saison einen neuen Trainer, Chris Faust übernimmt das Ruder von Benjamin Lang. Als Spielführerin hat sie sich in einem längeren Telefonat schon mal einen Eindruck verschafft. "Um herauszufinden, ob man sich sympathisch findet und abzugleichen, ob seine Ideen zur Mannschaft passen", wie sie sagt. Offenbar hat der neue Coach den Test bestanden, jedenfalls findet Hannah Krüger einige seiner Aussagen richtig gut. Vor allem, dass er längerfristig bleiben und ein Gesamtkonzept erstellen wolle, auch für die zweite Mannschaft und die Junioren, gefällt der Führungsspielerin Krüger: "Das wäre für die Zukunft und den angestrebten Generationenwechsel ganz wichtig." Nicht nur wegen des Rücktritts von Abwehrspielerin Nina Hasselmann, die nicht für Rio nominiert wurde, kann ein solches Konzept nur von Vorteil sein.

© SZ vom 10.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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