Handball:Zwei Küken und ein Weltstar

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Aline Fischer wechselt vom Parkett hinter die Bank und wird das Trainerteam um Hendrik Pleines und Vater Harald Fischer verstärken. (Foto: Günther Reger)

Die Gröbenzeller Handballerinnen bereiten sich mit viel Ehrgeiz auf die zweite Bundesliga vor. Zugänge sind junge Talente, der HCD bleibt damit seiner Linie treu. Auf der Torhüter-Position könnte es eine Ausnahme geben.

Von Ralf Tögel, Gröbenzell

Hendrik Pleines korrigiert sich: "Schreiben Sie: eine kleine Chance." Der Trainer der Gröbenzeller Handballerinnen soll die Erfolgsaussichten in der zweiten Bundesliga einschätzen, Pleines reduziert das Ganze wenig überraschend auf den Klassenerhalt. "Minimal" war ihm dann doch zu tief gegriffen, gleichwohl wird die nächste Spielzeit beim HCD Gröbenzell als Abenteuer verstanden. Entsprechend gestaltet sich das Motto, das sich Team und Trainerstab vor jeder Saison verpassen: "Himmelfahrtskommando".

Im Vorjahr lautete es "Hingabe", mit selbiger wurde letztlich der Aufstieg realisiert. Der zweite Platz genügte dabei - weil nur vier Mannschaften die Lizenz für die zweite Liga beantragten, blieb dem HCD sogar die Relegation erspart. In der Vorsaison waren dort die Aufstiegsträume zerplatzt, der TuS Lintfort war zu gut. Das Team vom Niederrhein ist als Letzter wieder aus der zweiten Liga abgestiegen, was Pleines natürlich zur Kenntnis genommen hat: "Wir sind kein Zweitligaverein und wissen, worauf wir uns einlassen." Damit bezieht er sich in erster Linie auf die finanziellen Möglichkeiten, er siedelt den HCD am Ende der Etatliste ein. Pleines hat aber auch Gegenbeispiele parat, Kleenheim oder die Kurpfalz Bären aus Ketsch hätten die Klasse trotz überschaubarer Möglichkeiten gehalten. Man werde bei Gröbenzell eventuelle spielerische Defizite in gewohnter Manier mit Leidenschaft und Einsatzwillen wettmachen.

Seit zwei Wochen ist der HCD bereits wieder im Training, und in Sachen Einsatz bleiben beim Trainer keine Wünsche offen: "Es ist unglaublich, wie die Mädchen Gas geben. Ich wusste, dass der Aufstieg eine zusätzliche Motivation ist, aber so habe ich mir das nicht erwartet." Über die Gegner ist er bereits im Bilde, per Videostudium habe er sich informiert. In Bensheim und Rödertal seien die beiden Profiteams nach oben entschwunden, ansonsten werde die Liga von großer Ausgeglichenheit geprägt: "Ich könnte mir bei allen anderen Mannschaften vorstellen, dass wir sie zu Hause zumindest ärgern können." Schon einmal war der HCD zweitklassig, das ist bereits 27 Jahre her, immerhin: Damals hatte das Abenteuer ganze drei Jahre Bestand, ehe sich der Hauptsponsor zurückzog. Das kann nicht wieder passieren, der neue Zweitliga-HCD hat ein breites Profil an kleineren Geldgebern.

Mit der Kadergestaltung ist das Trainerteam Pleines und sein Co Harald Fischer bereits durch, beide sind "sehr zufrieden". Was in erster Linie damit zusammenhängt, dass alle Spielerinnen weitermachen. Das gilt auch für die Spielmacherin der Junioren-Nationalmannschaft: Wäre der HCD nicht aufgestiegen, hätte sich Amelie Bayerl entweder für den Deutschen Handballbund oder Gröbenzell entscheiden müssen, weil der DHB verlangt, dass Auswahlspielerinnen mindestens zweite Liga spielen. Einen Weggang allerdings muss Pleines verkraften - und der tut weh: Kreisläuferin Aline Fischer wird ihre Karriere beenden. Die ehemalige U-20-Nationalspielerin war mit der abgelaufenen Saison schon ein großes Risiko eingegangen, zwei Kreuzbandrisse und mehrere Operationen belasten das linke Knie. Dieses Mal beugt sich die 26-Jährige dem Rat der Ärzte, die Gefahr eines irreparablen Schadens ist zu groß. Damit fehlt nicht nur eine herausragende Abwehrspielerin, sondern ein Fixpunkt im Angriff.

Derzeit ist Katarina Bralo im Probetraining, mit Viborg hat sie die Champions League gewonnen

Aber der HCD hat aus der Not eine Tugend gemacht: Fischer wird das Trainerteam verstärken und sich gezielt um die Kreisläuferposition kümmern - und damit quasi ihre Nachfolgerinnen ausbilden. Neben Verena Obermeier, 18, die sich in der Vorsaison schon erste Meriten verdient hat, wird das Lisa Antl sein, die gerade 17 Jahre alt geworden ist und für Ingolstadt in der Landesliga spielte, sowie für Ismaning in der Jugend-Bundesliga. Pleines nennt sie "die Küken". Neu ist auch Annalena Pelz, die Linkshänderin wechselte im Alter von 15 Jahren von Würm-Mitte ins Handball-Internat des Erstligisten Blomberg-Lippe, war deutsche A-Jugend-Meisterin und spielte zuletzt zweite Liga für Beyeröhde. "Sie ist eines der größten Linkshänder-Talente in Bayern", sagt Pleines.

Der HCD bleibt damit auch in der zweiten Liga seiner Linie treu, auf junge und talentierte Spielerinnen zu setzen, könnte aber nach Lage der Dinge eine Ausnahme machen: für Torhüterin Katarina Bralo. Zwar begann die Kroatin beim PSV München, doch bald zog sie aus, um eine Weltkarriere hinzulegen. Als Jugendliche heuerte sie beim kroatischen Erstligisten Koprivnica an, kehrte dann in die Bundesliga zurück und spielte für den Frankfurter und den Thüringer HC. Mit den Erfurterinnen stand sie im Challenge-Cup-Finale, ehe sie nach Dänemark zu Viborg wechselte, wo sie Meisterschaft und Champions League gewann. Danach spielte sie für den französischen Pokal-Finalisten Nimes und wurde mit Podgorica montenegrinischer Meister. 2013 musste die nun 28-Jährige ihre Profi-Karriere wegen einer chronisch entzündeten Sehne in der Hüfte beenden und kehrte nach München zurück. Was sich zum Glücksfall für den HCD entwickeln könnte, denn die Verletzung hat sie "gut im Griff", wie Pleines im Probetraining feststellte. Derzeit werde geprüft, ob man die Rahmenbedingungen für eine Spielerin wie Bralo schaffen könne, sagt der Trainer, er klingt dabei durchaus zuversichtlich. Und dieses Mal korrigiert er sich nicht.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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