Handball:"Wir sind nicht erwünscht"

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Zweite Liga? Vorerst nicht, Martin Wild träumt aber von Profi-Handball - am liebsten mit dem TuS. (Foto: Günther Reger)

Drittligist TuS Fürstenfeldbruck hat eine Handall-Euphorie geweckt - und auf die Aufstiegsrelegation verzichtet. Trainer Martin Wild erklärt die Gründe

Interview von Ralf Tögel

Der Dienstag, so erzählt Martin Wild, ist Videoanalyse-Tag. Dann hat der Sportlehrer des Münchner Pestalozzi-Gymnasiums weniger Stunden und am Vormittag etwas Zeit für sein Hobby, das längst viel mehr als ein Hobby ist. Wild ist Trainer der Drittliga-Handballer des TuS Fürstenfeldbruck, kein anderer Klub in Südbayern ist so hoch notiert. Dienstags also studiert der 37-Jährige gegnerische Mannschaften, brütet über Taktiken, entwirft Trainingseinheiten. Seit dem vergangenen Samstag ist die Saison vorbei, der 35-Jährige hat Zeit für ein Gespräch, über die kommende Saison und eine nie da gewesene Begeisterung in Fürstenfeldbruck.

SZ: Sie wurden vor der Saison als Absteiger gehandelt, haben die Spielzeit als Zweiter abgeschlossen und Teams wie den TV Großwallstadt abgehängt. Stolz?

Martin Wild: Ich bin sogar sehr stolz auf die Mannschaft, auf die abgelaufene Saison und auf das, was sich bei uns in der Halle entwickelt hat.

Sogar Liga-Krösus Elbflorenz haben Sie düpiert: Eine Mannschaft mit dem klaren Auftrag, in die zweite Liga aufzusteigen, wofür ein Etat von mehr als einer Million Euro zur Verfügung stand. Wie geht das?

Die beiden Vereine sind tatsächlich überhaupt nicht zu vergleichen, wir sprechen über den zehnfachen Etat. Nicht nur Elbflorenz, sondern auch Groß-Bieberau oder, auch wenn es sich deutlich unter Elbflorenz bewegt, Bad Neustadt, dürfen nicht hinter uns landen. Was den finanziellen als auch den personellen Bereich angeht.

Also blutige Amateure gegen Profis? Elbflorenz hat fünf, sechs Profis im Kader.

Ich glaube sogar 13.

Erklären Sie ihre Zauberformel.

Das Erfolgsrezept ist relativ simpel: Wir haben uns konditionelle Vorteile erarbeitet, spielen eine sehr ekelige Abwehr mit viel Laufbereitschaft, bereiten uns sehr intensiv auf die Spiele vor, hatten diese Saison ein überragendes Torhüter-Duo und der Rest ist Teamgeist, Teamgeist, Teamgeist.

Das reicht?

Bei uns stellt keiner sein Ego über den Mannschaftserfolg, es gab die ganze Saison keine Neidsituation. Es ist bei uns so, wie man sich klassischen Amateursport vorstellt. Die Spieler freuen sich alle über einen Teamerfolg. Sonst hätten wir auch keine Chance gegen solche Mannschaften.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass diese Vereine viel falsch machen.

Das stimmt, eigentlich dürfte es nicht sein, dass wir vor diesen Mannschaften stehen.

Also spielen in Profi-Teams Befindlichkeiten eine größere Rolle?

Ich bin überzeugt, dass jüngere Spieler oft ihre eigene Torquote im Vordergrund sehen und der Teamerfolg an zweiter Stelle kommt. Ältere Spieler sind häufig mit ihren Verträgen zufrieden und müssen sich nicht mehr beweisen.

Das letzte Spiel gegen Bad Neustadt, also genau einer dieser Gegner, ging verloren.

Die komplette Anspannung war mit dem Gewinn der Vizemeisterschaft eine Woche zuvor abgefallen, wir haben es nicht geschafft, unsere Stärken abzurufen. Ich nehme das auf meine Kappe, wir haben uns nicht sonderlich intensiv vorbereitet und waren schon im Urlaubsmodus.

Dann ist das der Beleg für die These?

Das kann man so verstehen. Wir haben bis zur 50. Minute mitgehalten, aber ohne die letzte Leidenschaft und Bereitschaft können wir solche Spiele nicht gewinnen.

Falk Kolodziej, der als großes Talent gilt, ist vor der Saison zu Bad Neustadt gewechselt, ein Fehler?

Das will ich nicht beurteilen, aber 100-prozentig glücklich war er wohl nicht, sonst wäre er nicht wieder auf Vereinssuche.

Johannes Stumpf ist in Balingen auch nicht glücklich geworden, er kommt zurück. Haben sie mit Kolodziej schon gesprochen?

Nein, aber ich denke, die Vorstellungen gehen zu weit auseinander. Falk möchte höher hinaus, am liebsten in die zweite Bundesliga. Ich glaube, er würde eine Rückkehr als Rückschritt ansehen.

Der TuS hat auf die Lizenz für die zweite Liga verzichtet. Warum?

Weil wir de facto momentan nicht die finanziellen Voraussetzungen für Zweitliga-Handball haben. Der niedrigste Etat in der zweiten Liga liegt meines Wissens nach bei mehr als 500 000 Euro, davon sind wir meilenweit entfernt. Ich bin aber überzeugt, dass es auch mit der Hälfte gehen würde, doch selbst dann fehlt uns noch viel. Dazu mussten wir den Antrag Ende Februar einreichen, zu diesem Zeitpunkt hielten wir es für sehr unrealistisch, Zweiter zu werden. Allein dieser Antrag hätte drei- bis viertausend Euro gekostet. Geld, das wir für wichtigere Dinge sparen wollten.

Ist Gröbenzell reicher als der TuS? Der HCD hat die Lizenz beantragt.

Über die Finanzen in Gröbenzell weiß ich nicht Bescheid, glaube ich aber nicht. Ich blicke etwas neidisch zum HCD, ich als Trainer hätte diese Relegationsspiele auch gerne hier gehabt. Der HCD hat den Vorteil, den Lizenzantrag erst jetzt einreichen zu müssen, nachdem der zweite Platz feststand. Und Zweitliga-Handball im Frauenbereich ist nicht ganz so kostenintensiv.

Aber hätte Ihr Verein nicht Mannschaft und Trainer die Möglichkeit zum Aufstieg geben müssen, ein Jahr zweite Liga, egal wie chancenlos man dann ist?

Wie gesagt, wir mussten die Entscheidung Ende Februar treffen, natürlich waren alle involviert. Die Spieler verstehen die Entscheidung, aber klar kommen Zweifel auf, ob es richtig war. Es ist für Spieler und Trainer auch ein Lebenstraum - und wir wissen nicht, ob diese Chance so schnell wieder kommt. Ich denke, es ist nicht darstellbar, wir müssten das Trainingspensum auf fünf-, sechsmal die Woche hochfahren, wochentags zu Auswärtsspielen reisen und viele Auflagen des DHB erfüllen.

Welche Auflagen?

Zum Beispiel einen hauptberuflichen Geschäftsführer, Handball-Parkett in der Halle und eine beidseitige Tribüne.

Also ein Umzug? Die Wittelsbacher Halle hat nur eine Tribünenseite.

Eine Saison würde mit Sondergenehmigung gehen, aber ich habe den Eindruck, dass die Handball-Bundesliga ganz bewusst die zweite Liga als Profiliga installiert und damit als Unterbau zur ersten. Der Sprung wird ganz bewusst so groß gehalten, dass es wirklich nur Teams mit den finanziellen Möglichkeiten schaffen. Wir, also Vereine wie Fürstenfeldbruck, sind dort nicht sonderlich erwünscht.

Glauben Sie, der Verzicht hat Auswirkungen auf die Mannschaft?

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich es wegen der guten, sportlichen Möglichkeit in der Relegation gegen Leutershausen als verpasste Chance sehe. Kurzfristige Auswirkungen wird es nicht haben, die Mannschaft wird im Großen und Ganzen in dieser Zusammenstellung an den Start gehen. Mittelfristig muss man aufpassen.

Wie meinen Sie das?

Sollten wir nochmals so eine Chance bekommen und die wirtschaftlichen Voraussetzungen immer noch nicht haben, würden auch mir die Argumente ausgehen.

Um die Spieler zu überzeugen?

Ein, zwei, drei Jahre dritte Liga ist etwas Besonderes, das geht mit Enthusiasmus und Leidenschaft. Aber wenn es zur Normalität wird, dann muss das auch finanziell ausgeglichen werden.

Ist Auerbach ein warnendes Beispiel?

Genau, die sind das dritte Jahr in der Liga, haben die Klasse sportlich gehalten, nun hören drei, vier Spieler auf. Weil sie ins Berufsleben gehen, weil die Freundin oder Frau fragt, wie lange das noch so geht. Vergangene Saison habe auch ich viele Gespräche führen müssen. Auerbach spielt jetzt Bezirksoberliga. Auch wir wären nicht in der Lage, einfach Spieler nachzukaufen, das ist auch nicht unsere Philosophie.

Als der TSV Friedberg auf den Aufstieg verzichtete, ging Trainer Hartmut Mayerhoffer zum Zweitligisten Bietigheim. Könnten Sie sich Ähnliches vorstellen?

Die Gedanken kamen in den letzten Monaten intensiver, ich habe den Traum, in der zweiten Liga zu trainieren. Kommende Saison aber bin ich sicher Trainer in Bruck und werde diese Vision hier vorantreiben. Mittelfristig könnte ich mir schon vorstellen, einen anderen Verein zu trainieren.

Gab es Angebote?

Es gab ein paar lose Gespräche.

Mit wem?

(lacht) Mit ambitionierten Drittligisten. Aber ich bin hier sehr verwurzelt. Ein ernst zu nehmendes Angebot findet man in den nächsten 250 Kilometern nur schwer.

Also hier Strukturen schaffen, aber wie?

Ich wünsche mir einen hauptamtlichen Geschäftsführer - wohlwissend, dass das schwer umzusetzen ist. Ich glaube aber, dass man das über neue Sponsoren recht schnell refinanzieren könnte. Aber ich verstehe die Skepsis des Vereins, den Schritt in die Professionalität zu wagen. Und ich hoffe auf eine noch größere Unterstützung durch die Stadt und Region, von ortsansässigen Unternehmen. Ich denke, wir haben einen ordentlichen Werbewert geschaffen.

Ist das in Südbayern überhaupt möglich?

Wir brauchen in Bruck nicht von Erstliga-Handball zu träumen, aber für Zweitliga-Handball würde es eine Chance geben.

Der Bayerische Handball-Verband hat sein Leistungszentrum in Großwallstadt gebaut, an die Grenze zu Hessen. Die größten Talente gehen also weg.

Dass das Leistungszentrum in der nördlichsten Ecke Bayerns ist, ist nicht von Vorteil. Aber ganz so kritisch sehe ich das nicht. Drittliga-Handball hier in Bruck ist schon eine Plattform, um Talente an den Profi-Handball heranzuführen. Aber im Münchner Großraum fehlt eine adäquate Förderung in der Jugend.

Die Ost-Gruppe war ja nicht so schlecht für Ihre Mannschaft, die Ligeneinteilung steht noch aus. Es könnte auch die Südgruppe werden. Was hoffen Sie?

Das hat beides Vor- und Nachteile. Mit unserer Art, Handball zu spielen, haben wir uns sehr wohl gefühlt. Andererseits wäre der Süden sportlich sehr interessant, und die Fahrten wären kürzer. Ich sehe dieser Entscheidung sehr entspannt entgegen.

© SZ vom 06.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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