Handball:Vom Erfolg überrollt

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In der dritten Liga weit oben, für die zweite Liga reicht es für Frederik Hartz und die Fürstenfeldbrucker Handballer noch nicht. (Foto: Günther Reger)

Fürstenfeldbrucks Absage an die zweite Liga ist eine Vernunftsentscheidung, die zeigt, dass Profi-Handball in und um München auch mittelfristig chancenlos ist

Von Ralf Tögel, Fürstenfeldbruck

Mit Friedberg will sich Alexander Raff ungern vergleichen lassen. Das liegt keineswegs daran, dass er sich zu seinen aktiven Handballer-Zeiten mit den Schwaben leidenschaftliche Kämpfe geliefert hat, als der TuS Fürstenfeldbruck mit Friedberg noch in einer Liga spielte und man sich in herzlicher Feindschaft begegnete. Nein, das liege einfach daran, sagt Raff, dass man die Situationen nicht vergleichen könne. Friedberg hatte 2013 als Meister der dritten Bundesliga Süd auf den Aufstieg verzichtet, aus finanziellen Gründen. Die Brucker sind derzeit Tabellenzweiter, der Rückstand von acht Punkten auf Primus Hüttenberg ist einzuholen, doch die Lizenz für die zweite Liga werden die Brucker nicht beantragen.

"Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das momentan nicht darstellbar ist", sagt Raff. Der 34-Jährige ist mittlerweile der Teammanager des TuS Fürstenfeldbruck, er ist in die Fußstapfen seines Vaters getreten, Teil einer neuen Generation. Mit TuS-Trainer Martin Wild, 37, hat Raff viele Jahre zusammen in der Regionalliga gespielt, jetzt sollen sie eine neue, verheißungsvolle Zukunft gestalten. Denn sportlich ist der Klub erfolgreich wie lange nicht mehr, gerade gibt es einen richtigen Handball-Boom im Münchner Westen.

Der TuS spielte in seiner Vereinsgeschichte zwar schon einmal in der zweiten Liga, doch da waren die meisten der Spieler, die jetzt das Gesicht der Mannschaft bestimmen, noch gar nicht geboren. Fürstenfeldbruck hat die wohl jüngste Mannschaft im Klassement - den TV Großwallstadt einmal ausgenommen. Der Traditionsklub muss nach seinem finanziellen Kollaps gerade den Tiefpunkt in seiner Historie überstehen, mit wenig Geld und vielen jungen Talenten. Sportlich hat der TuS einen Verein wie Großwallstadt, den ehemaligen Serienmeister und Europapokalsieger, weit überholt. Teammanager Raff sagt, die Mannschaft habe den Klub mit ihren starken Leistungen geradezu überrollt. "Wirtschaftlich hat der Verein mit der Entwicklung der Mannschaft nicht Schritt halten können." Folgerichtig nun der Entschluss, auf den Lizenzantrag zu verzichten.

Es wäre ohnehin nur eine Option gewesen, eine wenig aussichtsreiche obendrein. Auf "drei Prozent" taxiert Raff die Chance darauf, den Aufstieg tatsächlich zu realisieren. Denn nur der Erste steigt auf, und vor den Bruckern rangiert im Zweitligaabsteiger TV Hüttenberg ein Schwergewicht. Ebenfalls ein großer Name, nicht ganz so wie Großwallstadt, aber ein Klub, der weiß, wie sich die erste Liga anfühlt. Ein Verein, der ein entsprechendes Umfeld hat, mit entsprechenden Mitteln, Hüttenberg will umgehend zurück in die zweite Bundesliga.

Der TuS dagegen ist ein Amateurverein durch und durch. Gerade hat die Tischtennisabteilung ihren Rückzug aus der zweiten Liga bekannt gegeben, so eine Mannschaft ist im Vergleich zu einer wettbewerbsfähigen Zweitliga-Kader im Handball geradezu billig. Außerdem ist für die Brucker nur der zweite Platz wirklich realistisch, man müsste dann die Relegation spielen und gewinnen. Und es müsste ein anderer Drittligist, der sportlich den Aufstieg geschafft hat, verzichten. Ein paar Unwägbarkeiten zu viel. Denn die eingleisige zweite Liga ist eine Profiliga, 38 Spieltage, englische Wochen, Mittwochsspiele. Wie soll das funktionieren mit Berufstätigen? Der Etat der Brucker liegt bei 100 000 Euro, viel zu wenig für die zweite Liga. "Wir müssten ihn verfünffachen", sagt Raff. Wie soll das so schnell gehen?

Also keine Abenteuer, keine Partien in Rostock oder Minden, gegen Nationalspieler aus vielen verschiedenen Ländern. Diesen Verzicht kann man aber auch als weiteren Beleg dafür sehen, dass es Profi-Handball im Raum München, ja in ganz Südbayern, auf absehbare Zeit nicht geben wird. "Dieses Ziel bleibt natürlich", sagt Trainer Wild, mittelfristig. Erst gelte es, sich in der dritten Liga zu etablieren, sagt Raff, für vier, fünf Jahre. Dann habe man "die Chance, sich auch wirtschaftlich in diese Richtung zu entwickeln". Allein die Fahrtkosten, die derzeit bei etwa 15 000 Euro lägen, würden eine Klasse höher auf 80 000 Euro steigen, rechnet Raff vor.

Die Gefahr indes, dass die Mannschaft nach dieser Entscheidung zerfällt, wie das in Friedberg der Fall war, sieht der Trainer nicht. Denn die Schwaben hätten seinerzeit schon perspektivisch Spieler geholt, die waren natürlich prompt wieder weg. In Bruck komme alles überraschend, zudem habe man sich mit den Spielern verständigt, sagt Wild. Der Kader werde wohl komplett zusammenbleiben. Und der Trainer? Hartmut Mayerhoffer war seinerzeit der Erste, der Friedberg in Richtung zweite Liga verließ. "Ich habe die Vision, das mit dem TuS zu schaffen", sagt Wild. Er will die Mannschaft in Ruhe weiterentwickeln für das große Ziel.

Der Lizenzantrag, dieses Papier mit einer Erfolgsaussicht von drei Prozent, würde alleine 2000 Euro kosten. Geld, das Manager Raff lieber in die Jugendabteilung stecken will: "Vielleicht können wir in fünf Jahren Profit daraus ziehen."

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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