Handball:Traumjahr

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Mit viel Schwung ins neue Jahr: Vera Balk (rechts) und der HCD Gröbenzell wollen in der zweiten Saisonhälfte die Tabellenspitze angreifen. (Foto: Günther Reger)

Frauen-Drittligist Gröbenzell will im Titelrennen angreifen

Von Ralf Tögel, Gröbenzell

Zwischen den Jahren, so nennt man gemeinhin die Zeit, wenn sich das alte Jahr unaufhaltsam dem Ende zuneigt, wenn die wichtigen Dinge erledigt sind, wenn die Zeit nach dem überdrehten Weihnachtstreiben ein bisschen langsamer zu verrinnen scheint, wenn die Menschheit kurz innehält, bevor das neue Jahr noch ein bisschen höhertourig beginnt. Ein Moment des Durchatmens auch für den Sport.

Zwischen den Jahren befindet sich auch die dritte Handballliga der Frauen in jener Ruhephase. Die halbe Saison ist gespielt, es ist Zeit, neue Kraft zu sammeln. Das gilt auch für die Handballerinnen des HCD Gröbenzell, die das Jahr mit einer Niederlage beschließen werden, erst der zweiten in der gesamten Hinrunde - eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. "Die beste, seit ich hier bin", sagt Trainer Hendrik Pleines, die beste des HCD in der dritten Liga. Anfang der Neunziger war der Klub in der zweiten Bundesliga notiert, und nun dürfte diese Hinrunde, die Gröbenzell mit 12:4 Punkten als Dritten hinter der TSG Ketsch (22:0) und dem TV Allensbach (19:3) ausweist, Begehrlichkeiten wecken. Denn gerade dieses letzte Spiel vor der Pause, dieses 28:31 beim verlustpunktfreien Primus, hat den finalen Hinweis gebracht, dass der HCD durchaus in der Lage ist, mit den Topteams der Süd-Gruppe mitzuhalten.

"Dass wir beim Tabellenführer gut mithalten und knapp verlieren, ist in Ordnung", sagt Pleines, "aber jetzt ärgere ich mich doch ein bisschen mehr." Zu Recht, denn seine Mannschaft war es, die den alles überragenden Favoriten erstmals aussichtsreich angreifen konnte. "Wir waren auf Augenhöhe", stellt Pleines fest, allein die 15:14-Führung zur Halbzeit war Beleg für diese These. Auch nach dem Wechsel war es ein offenes Rennen, fünf Minuten vor dem Ende lag Gröbenzell zwar 27:28 hinten, hatte aber reihenweise beste Torgelegenheiten verpasst - unter anderem einen Siebenmeter. "Wir haben das Spiel mit zwei, drei Aktionen aus der Hand gegeben", erinnert sich der Trainer noch sehr genau, darunter eine unnötige Zeitstrafe. Zudem hat Ketsch in Katrin Schneider die herausragende Spielerin der Liga im Team, die vor dieser Saison als aktuelle Torschützenkönigin vom Erstligisten Trier nach Ketsch gewechselt war. Möglich gemacht durch einen potenten Sponsor, dessen Anliegen es offenbar ist, an glorreiche Zeiten anzuknüpfen. Zuletzt spielte Ketsch zwischen 2005 und 2008 in der ersten Bundesliga, der Badener Klub hat eine große Handballtradition.

Pleines hat gefallen, was er in Ketsch gesehen hat: "Hier ist alles auf die zweite Liga ausgerichtet", beschreibt er, eine zweiseitige Tribüne, 800 Zuschauer, ein Trainierstab, eine Pressekonferenz nach dem Spiel, eine ganze Schar an Helfern. "Das sind Dimensionen, von denen wir meilenweit entfernt sind", sagt der Trainer, "das hat mich schon ein bisschen neidisch gemacht." Doch nicht zuletzt wegen der hervorragenden Leistung seiner Mannschaft habe er "ein bisschen Blut geleckt". Zumal der HCD gegen alle Topteams bereits auswärts gespielt hat, im zweiten Vergleich folglich den Heimvorteil auf seiner Seite hat. Einen Sieg in Gröbenzell hat in dieser Spielzeit noch niemand geschafft, dabei soll es bleiben, so ist der Plan des HCD-Trainers. "Der Abstand zu den beiden Spitzenteams Allensbach und Ketsch ist nicht so groß wie angenommen", sagt er nun, und: "Wir wollen ihnen weiter auf die Pelle rücken."

Er werde mit Co-Trainer Harald Fischer zeitnah mit dem Mannschaftsrat diskutieren, ob das Team dazu bereit ist. Bereit sein für den Angriff auf die Spitze, das bedeutet, so erklärt Pleines, "sich zu quälen". Trainingsqualität und Intensität müssten erhöht werden, um "im athletischen Bereich eine Schippe draufzulegen". "Das muss man wollen", erklärt Pleines, der Zusatzaufwand soll dem Tempospiel dienen, dort sieht der Coach im Spiel seiner Mannschaft ein Defizit: "Wir müssen im Ausdauerbereich noch besser werden". Am 3. Januar beginnt der HCD mit der Vorbereitung auf die Rückrunde, die am 16. Januar mit der Partie in Sulzbach startet.

Doch schon jetzt ist Pleines mit dem Erreichten zufrieden: Ich bin stolz auf meine Mannschaft, mit welcher Leidenschaft und Energie sie diese Saison angeht." Offenbar hat das Trainerteam bei der Neuordnung des Kaders das richtige Händchen gehabt, einige routinierte Kräfte waren durch hoch talentierte, junge Spielerinnen ersetzt worden. Angeführt von Vera Balk und den Fischer-Schwestern Sina und Aline haben sich vor allem Jugendnationalspielerin Amelie Bayerl, die Dänin Emma Laigaard oder Leonie Schweinsteiger als wertvolle Optionen erwiesen. Pleines spricht von einer sehr guten Chemie im Team, "jeder stellt sein Ego zurück".

Dann lässt er sich sogar zu einem für ihn untypischen weitreichenden Ausblick hinreißen, als er vom "Fernziel zweite Liga" spricht. "Das ist nicht komplett unrealistisch", sagt Pleines, es sei aber ein Gedanke für die kommende Saison. Es ist die richtige Zeit, um ein bisschen zu träumen. Zwischen den Jahren.

© SZ vom 29.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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