Handball:Showdown am Autobahnkreuz

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Augen zu und durch: Vera Balk wird von Harma van Kreij bei einem Wurf behindert. Das Spiel war geprägt von zwei starken Abwehrreihen. (Foto: Günther Reger)

HCD-Handballerinnen gewinnen Aufstiegshinspiel 19:18

Von Ralf Tögel, Gröbenzell

In Düsseldorf spottet man gerne, die Bekanntheit des 37 000-Seelen-Städtchen Kamp-Lintfort speise sich aus dem gleichnamigen Autobahnkreuz. In Oberbayern mag das ebenso sein, vielleicht hat der ein oder andere diese Ecke am westlichen Rand des Ruhrgebiets auf dem Weg in den Urlaub nach Holland passiert. Von den wunderschönen Terrassengärten des ehemaligen Karmeliterklosters Kamp wird hier wohl kaum jemand gehört haben. Den 850 Menschen, die den Donnerstagnachmittag in der Gröbenzeller Wildmooshalle verbracht haben, wird Lintfort fortan ein Begriff sein: wegen der dort ansässigen Handballerinnen. Die waren beim HCD zu Gast, es gilt, den letzten Aufsteiger in die zweite Bundesliga zu ermitteln, weshalb der Zweite der West-Gruppe eine Aufstiegsrelegation gegen den Süd-Zweiten spielt. Der HCD behielt in einer dramatischen und intensiven Partie mit 19:18 Toren die Oberhand, die Entscheidung, wer aus der dritten Liga aufsteigt, fällt am kommenden Sonntag im Rückspiel in Lintfort.

Gröbenzells Trainer Hendrik Pleines saß nach dem Spiel zerknirscht auf der Bank und empfand "große Unzufriedenheit". Seine Mannschaft hatte in einem wahren Kampfspiel in der Tat gute Gelegenheiten liegen lassen, mit einem größeren Polster in den Ruhrpott zu reisen. Etwa 13 Minuten vor dem Ende, als der HCD einen Siebenmeter und eine daraus resultierende zweiminütige Überzahl zu keinem Torerfolg nutzen konnte, sondern im Gegenteil: Lintfort verkürzte von 13:17 auf 15:17. Sieben Minuten vor dem Ende das Déjà-vu: Beim 18:16 verwirft der HCD einen Siebenmeter und kann die anschließende Überzahl zu keinem Tor nutzen.

Allein viermal scheiterte der HCD vom Siebenmeterpunkt, Pleines sprach von einer "unterirdischen Wurfleistung". Zudem hätte sein Personal speziell in der hektischen Schlussphase "falsche Entscheidungen getroffen". Lintforts Trainerin Bettina Grenz-Klein urteilte ähnlich: "Das war kein hochwertiges Handballspiel, aber es lebte vom Charakter eines Finales." In der Tat, die Fehlerquote war so hoch wie das Tempo, auf beiden Seiten wurden reihenweise Chancen vergeben. Man sollte aber nicht vergessen, dass kaum eine Spielerin Vergleiche dieser Bedeutung vor einer derart großen Kulisse bisher erlebt hat. Und unterhaltsam war der offene Schlagabtausch allemal, kein technischer Leckerbissen zwar, aber zweifellos Frauen-Handball der sehenswerten Sorte. Bei dem die Gastgeberinnen gut ins Spiel kamen, Sina Fischer und Vera Balk trafen mit wuchtigen Würfen schnell zum 2:0. Doch die Gäste, deren Reihen von niederländischen Spielerinnen geprägt sind, ließen sich nicht beeindrucken. Das Spiel wogte in irrwitzigem Tempo hin und her, angetrieben von Jugend-Nationalspielerin Amelie Bayerl erarbeitete sich der HCD eine 11:9-Pausenführung.

Nach dem Wechsel das umgekehrte Bild: Lintfort gelangen drei Treffer in Serie, Harma van Kreij, die in der kommenden Saison im Rückraum des Erstligisten Dortmund spielt, gelang beim 12:11 die erste Gäste-Führung. "Wir haben im Angriff viele Chancen liegen lassen", sagte Aline Fischer, mit vier Treffern wie Balk beste Torschützin, was allerdings in gleichem Maß für die Gäste galt. Woran wiederum die Torhüterinnen nicht unschuldig waren: Lintforts Nicole Hilling war in Halbzeit zwei nur noch schwer zu bezwingen, ihr Gegenüber Theresa Bauer stand ihr nicht nach. Pleines schickte sie für die starke Lidija Radovanovic für einen Siebenmeter aufs Feld, Bauer hielt und bot fortan Paraden der Extraklasse. Egal ob freie Würfe vom Kreis oder Konter, Bauer war zur Stelle. Was umso bemerkenswerter war, da sie per Zweitspielrecht für die verletzte Lisa Sagert ins Team gerückt war, eigentlich hält Bauer für den Landesligisten Schleißheim. Dennoch kam Lintfort wieder heran, vor allem dank der Wurfgewalt der achtmaligen Torschützin Naina Klein.

Der knappe Sieg hält indes für das Rückspiel alle Optionen offen: "Jetzt müssen sie uns erst mal schlagen", erinnerte Pleines, der für das Rückspiel "viel Luft nach oben" sieht. Vera Balk urteilte ähnlich: "Hauptsache gewonnen, wenn wir wieder so eine Abwehr hinbekommen und vorne weniger Fehler machen, dann schaffen wir es." In der Tat, beide Teams sind vom Leistungsvermögen ähnlich einzuordnen, die Tagesform wird entscheiden. "Im Grunde muss man mit dem Sieg zufrieden sein", fand auch Aline Fischer, "wir können auch dort gewinnen."

Die Spielerinnen des TuS Lintfort saßen noch lange nach Abpfiff in der Halle: Auch sie sind zuversichtlich: "Zu Hause haben wir 1000 Zuschauer, wir packen das", meinte Torhüterin Marie Groetelars. Trainerin Grenz-Klein formulierte es diplomatischer: "Wichtig ist, dass wir zweimal zurückgekommen sind. Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden."

© SZ vom 07.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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