Handball:Brucker Träumereien

Lesezeit: 4 min

Seine Spur führt Richtung Alpen: Der Österreicher Richard Wöss wird wohl von TUSEM Essen zum TuS Fürstenfeldbruck wechseln. (Foto: Eibner/imago)

Der Drittligist meldet für die kommende Saison die ersten Zugänge. Besonders der ehemalige österreichische Nationalspieler Richard Wöss könnte ein Indiz dafür sein, dass man bald in die zweite Liga möchte.

Von Ralf Tögel, Fürstenfeldbruck

Der jüngste Gegner Pfullingen ist trefflich geeignet, um die Entwicklung der Handballer des TuS Fürstenfeldbruck zu verdeutlichen. Zwar kann die Kleinstadt am Fuß der Schwäbischen Alb im südöstlichen Schatten von Reutlingen auf eine ungleich größere Handball-Vergangenheit als die Oberbayern zurückblicken, die Württemberger spielten zwischen 2002 und 2006 in der ersten Handball-Bundesliga. Doch die glorreichen Zeiten fanden in einer Insolvenz ihr unschönes Ende. Fortan besann sich der Klub auf regionale Talente, eine gelungene und zertifizierte Jugendarbeit führte die Pfullinger langsam zurück in die Nähe des professionellen Bereichs. Womit man bei den Gemeinsamkeiten mit den Bruckern wäre, denn auch für den TuS sind bekanntlich allein schon aus wirtschaftlichen Erwägungen Berufshandballer kein realistisches Thema. Vor drei Jahren stiegen die Württemberger in die dritte Liga auf, der nächste Schritt wäre gewesen, sich dort zu etablieren. Was nicht gelingen will, wie Pfullingens Trainer Till Fernow dem Kollegen Wild gestand, als sich beide vor einigen Tagen zum Ligaspiel trafen.

Es gibt auch große Löcher - und Rückschläge: Alexander Leindl hat einen Kreuzband erlitten

Der TuS Fürstenfeldbruck gewann ein intensives Duell zweier ähnlich strukturierter Klubs mit ähnlich strukturierten Mannschaften mit 32:31 Toren - und stellte damit erneut unter Beweis, dass er im Vergleich zum Gegner einen Schritt weiter ist. Er ist in seiner vierten Drittligasaison nicht mehr so sehr damit beschäftigt, die Klasse zu halten. Die Brucker haben sich etabliert an dieser Schwelle zum Profihandball, was natürlich Erwartungen und Träume weckt. Dass die Brucker auch in der kommenden Saison in dieser Klasse spielen werden, haben sie trotz eines formidablen Fehlstarts in die Saison längst gebucht - einer weiterhin möglichen Versetzung nach oben ist die Absage ebenfalls bereits erteilt. Der TuS hat auf den Lizenzantrag zur zweiten Liga verzichtet. Ziel bleibt in der laufenden Saison also der vierte Platz und die damit verbundene Teilnahme an der ersten Runde im DHB-Pokal, die einen attraktiven und damit lukrativen Bundesligisten in Aussicht stellt. Angesichts der Tatsache, dass die Bundesligareserven der Rhein-Neckar-Löwen und aus Balingen an diesem Ringen nicht teilhaben dürfen, würde dafür sogar Platz sechs genügen, die Aussichten für den derzeitigen Tabellenfünften sind darauf recht gut. Der Sieg bei den heimstarken Pfullingern war diesem Vorhaben zum einen dienlich und zum anderen bestens dazu geeignet, die mäßige Auswärtsbilanz aufzuhübschen. Nebenbei brachte er ein paar positive Erkenntnisse.

Sebastian Meinzer war mit sieben Treffern erfolgreichster Schütze, womit er die Nachwehen seiner langen Verletzungspause endgültig hinter sich gelassen hat. Felix Kerst, der aus der zweiten Mannschaft nach oben geführt wird, und Matthias Hild, der vom Bezirksoberligisten Marktoberdorf kam, akklimatisieren sich zusehends in der Mannschaft. Der groß gewachsene Linkshänder ist vor allem in der Abwehr schon ein wichtiger Faktor, der pfeilschnelle Kerst auf Linksaußen.

Ansonsten gilt es wie so oft für den TuS-Trainer zu improvisieren - und Rückschläge zu verdauen. Aktuell trifft das auf Alexander Leindl zu, der als Paradebeispiel für das Brucker Muster stehen darf, eigene Spieler zu entwickeln. In der Partie gegen Pfullingen verdrehte er sich nach 35 Minuten das Knie und musste passen, nun stellte sich die Blessur nach eingehender Untersuchung als Kreuzbandriss heraus. Da ist es kein Trost, dass der wurfgewaltige Linkshänder wegen eines Praktikums für den Rest der Saison sowieso nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte. Viel schlimmer ist für den Trainer der Gedanke, dass ihm in Leindl und Yannick Englmann, dem kürzlich ebenfalls das Kreuzband gerissen war, zwei Schlüsselspieler für die kommende Saison fehlen.

Denn trotz der vier noch zu absolvierenden Saisonpartien ist die neue Spielzeit das beherrschende Thema. Die Kaderplanung ist bereits weit gediehen, die Zugänge des Brüderpaars Maximilian und Alexander Horner vom Bayernligisten Haunstetten sind fixiert. Wild weiß in ihnen zwei "überragende Bayernligaspieler" in der kommenden Saison in seinem Kader, denen er eine zügige Akklimatisierung in der dritten Liga zutraut. Diese wird für einen sehr wahrscheinlichen Zugang nicht nötig sein, denn dem Vernehmen nach wird in der kommenden Spielzeit ein Spieler aus der zweiten Bundesliga nach Bruck wechseln. Zwar hält sich Wild bei diesem Thema noch bedeckt, doch die Spur zum TUSEM Essen ist schwer zu übersehen.

Der Zweitligist beklagt auf seiner Homepage den Verlust von Rechtsaußen Richard Wöss zum Saisonende, der "im Sommer zusammen mit seiner Familie nach München und damit etwas näher an seine Heimatstadt Wien" ziehen werde. In der bayerischen Landeshauptstadt will der 31-Jährige seine "berufliche Karriere als Fitnesstrainer vorantreiben". Und wie weiter der Presseverlautbarung zu entnehmen ist, befindet sich Wöss "zurzeit in Verhandlungen mit einem Handballklub aus der Umgebung". Ein weiterer Grund für Wöss Weggang sei die Tatsache, dass sein elfjähriger Sohn nach erfolgreichem Probetraining in die Jugendakademie des FC Bayern als Torwarttalent aufgenommen wurde. Nun ist nicht anzunehmen, dass der FCB das Mitwirken des Vaters im Handballteam des Fußball-Rekordmeisters zur Bedingung gemacht hat, das in der Bezirksliga zu Werke geht. Außerdem hat Präsident Uli Hoeneß kürzlich im Gespräch unterstrichen, dass sein Klub kein Handballteam nach Vorbild der Basketballer in den Profibereich zu entwickeln gedenkt.

Folglich spricht vieles dafür, dass sich der 76-malige österreichische Nationalspielers, der viel Erfahrung in der ersten Bundesliga gesammelt hat, den Bruckern anschließen wird, dem am höchsten notierten Klub in der Region. Trotz der drei Zugänge hat Wild einige Lücken zu füllen, besonders am Kreis. In Tobias Prestele (Karriereende) und Julian Prause (Auslandspraktikum) stehen ihm die beiden etatmäßigen Kreisläufer nicht mehr zur Verfügung, auch Torhüter Lucas Kröger wird im Ausland ein längeres Praktikum absolvieren. Zudem wurde der Vertrag von Linksaußen Toni Dundovic nicht verlängert. Spielmacher Tizian Maier (Studium) und Linksaußen Philip Ball (Berufsausbildung) werden sich der Belastung der dritten Liga künftig nicht mehr stellen. Ansonsten wird der Kader unverändert bleiben. Die Entwicklung der TuS-Handballer ist nach Ansicht des Trainers längst nicht abgeschlossen.

© SZ vom 12.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: