Brucker Handballer:Am Ballermann des Ostens

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Und jetzt? Haben sie nur zwei unbedeutende Spiele gewonnen? Oder die Klasse gehalten? TuS-Trainer Martin Wild weiß es auch nicht. (Foto: Johannes Simon)

Der TuS Fürstenfeldbruck feiert seinen Relegationssieg. Ob dieser den Drittliga-Verbleib bedeutet, ist aber weiter ungewiss.

Von Andreas Liebmann, Bernburg/Fürstenfeldbruck

Mitten im entscheidenden Spiel kam Fürstenfeldbrucks Handballtrainer Martin Wild wieder diese "Horrorvorstellung" in den Sinn. Gegner Köthen hatte bis auf ein Tor aufgeholt, ein Unentschieden drohte. Die Gastgeber, die im Köthener Nachbarort Bernburg Heimvorteil hatten, waren einige Stunden zuvor mit einem 34:23-Sieg gegen den favorisierten TV Beckdorf in dieses Dreierturnier gestartet, "das hat uns schon beeindruckt", sagte Wild. Doch auch sein Team hatte sich im Anschluss gegen Beckdorf, einen Klub aus der Nähe von Hamburg, durchgesetzt. Mit 32:21, also ebenfalls elf Toren Unterschied. Alles, bloß das nicht!, dürfte sich Wild nun gedacht haben - denn ein Unentschieden hätte zur Folge gehabt, dass es zwischen Köthen und Fürstenfeldbruck eines weiteren Entscheidungsspiels bedurft hätte. Eine Woche später. Auf neutralem Boden. Vermutlich irgendwo in der Nähe von Würzburg. "Ein Albtraum", urteilte Wild, "das hätte dem Ganzen noch einmal die Krone aufgesetzt."

Kurz vor Schluss stand es dann 29:27 für die Oberbayern, Köthens überragender Schütze Sebastian Greß warf einen Siebenmeter, den Brucks nicht minder überragender Torwart Dubravko Grgic parierte. Kurz darauf hüpften und tanzten die Fürstenfeldbrucker im Kreis umher und jubelten.

Grgic war ein Beispiel von vielen, das zeigte, was der TuS Fürstenfeldbruck alles auf sich nahm für dieses Relegationsturnier am Samstag. Grgic hatte seit zwei Wochen nicht trainiert, er weilte im Heimaturlaub in Kroatien. Für den Auftritt in Sachsen-Anhalt kehrte er zurück. Einen Tag früher schon reiste das Team in zwei Kleinbussen und einem Pkw an, übernachtete in Dessau. Eigentlich hätte ein Großteil der Spieler zu dieser Zeit auf Mallorca weilen wollen, die Reise war längst gebucht. Stattdessen traten sie eine 500 Kilometer lange Fahrt in den "Salzlandkreis" an, ins Ungewisse, für nichts als eine vage Hoffnung. Denn Beckdorf, Köthen und Fürstenfeldbruck, die drei abgestiegenen Viertletzten der Drittliga-Gruppen Nord, Ost und Süd, suchten in dieser Relegation lediglich eine Antwort auf die Frage, welcher Verein in der dritten Liga bleiben dürfte, falls dort aus irgendwelchen Gründen plötzlich ein Verein kollabiert oder auf sein Startrecht verzichtet. Die Antwort ist nun klar: Es wäre der TuS Fürstenfeldbruck. Doch vorerst bleibt es bei diesem Konjunktiv.

"Wir haben keine neuen Erkenntnisse", sagte Wild am Montag, auch zwei Tage nach dem Turniersieg hatte er keine Ahnung, ob der Erfolg in Bernburg etwas gebracht hat. Es gebe nur "diese Gerüchte".

Eigentlich ist es mehr als ein Gerücht: Die HSG Nienburg, Oberliga-Meister aus Niedersachsen, hat auf ihr Aufstiegsrecht verzichtet, an ihrer Stelle dürfte der zweitplatzierte MTV Vorsfelde nachrücken. Will er das nicht, bleibt der TuS in der dritten Liga. Den aktuellen Stand in Vorsfelde haben die Wolfsburger Nachrichten kürzlich so zusammengefasst: "Trainer Mike Knobbe hat Lust auf die dritte Liga, der Verein hat aber vermutlich nicht die Mittel, die höhere Spielklasse zu stemmen." Bis zum 30. Juni hat Vorsfelde Zeit, Wild muss befürchten, dass sein Klub so lange im Ungewissen bleibt. "Egal, ob es am Ende etwas bringt oder nicht, wir haben etwas Tolles geleistet", betonte er, letztlich habe sein Team ja an nur einem Tag in Sachsen-Anhalt genauso viele Auswärtsspiele gewonnen wie während der gesamten Saison, nämlich zwei.

Auch wenn sich Wilds These, dass im Süden die stärkste Drittliga-Gruppe zu Hause ist, letztlich bestätigte: Einfach war es nicht. "Ich bleibe dabei, Beckdorf hatte die stärksten Spieler", sagte Wild. Die Nord-Vertreter hatten auf eine Übernachtung verzichtet, ihr Kader mit vielen ehemaligen Zweitligaspielern und dem lettischen Nationalspieler Maris Versakovs wirkte alles andere als frisch. "Die sind nicht als Mannschaft aufgetreten, die meisten haben wohl schon woanders Verträge unterschrieben", schätzte Wild. Bis zum 9:9 habe sich sein Team das Leben gegen Beckdorf "selber schwer gemacht", dann hielt Torwart Lucas Kröger, eigentlich Brucks Nummer drei, einen Siebenmeter - und der TuS zog auf 20:10 davon. "Wir konnten durchwechseln und etwas Kräfte sparen", erzählte Wild. Sein Team war durch mehrere Ausfälle, darunter Torjäger Johannes Stumpf und Abwehrchef Andreas Kraus, ohnehin geschwächt. Korbinian Lex sprang in der Mitte und halb links gewissermaßen für beide ein, gegen die körperlich viel präsentere HG 86 Köthen, die etwa 400 Zuschauer im Rücken hatte, erzielte er sieben Treffer. Zur zweiten Halbzeit löste beim Stand von 16:16 dann Grgic Kröger zwischen den Pfosten ab und kassierte eine Viertelstunde lang nur einen einzigen Gegentreffer. "Das Tor war wie vernagelt", lobte Wild.

Der Jubel danach sei "riesengroß" gewesen. Zur zweiten Übernachtung ging es nach Leipzig, dort wurde dann gefeiert. "Die Jungs wären ja eigentlich auf Mallorca gewesen", erinnerte Wild. Nun machten sie eben die sächsische Großstadt zu ihrem Ballermann.

© SZ vom 02.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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