Golf:Im Biergarten der Möglichkeiten

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Mächtig guter Sport: Münchens Profiturnier bewährt sich als zünftige Veranstaltung.

Von Gerald Kleffmann

Vor der 29. Auflage der BMW International Open hatte Turnierdirektor Marco Kaussler gesagt, warum dieses Profigolfturnier so viele anlockt: "Man kann als Hobbyspieler einfach hautnah sehen, was möglich ist im Golf." Genau so ist es. Denn was nicht möglich ist im Golf, kennt jeder Amateur ohnehin aus eigener Erfahrung. Nach vier offiziellen Runden plus der Pro-Am-Runde am Mittwoch zuvor, bei der Profis und Nicht-Profis zusammen abschlugen, kamen 64 500 Zuschauer auf die Anlage des GC München Eichenried. Das ist einer der besten Werte seit Jahren, dabei hatte nicht mal ein Deutscher bis zum Schluss vorne im Feld mitgemischt. Aber auch Andres Romero war natürlich ein ehrenwerter Sieger, am Sonntag setzte er sich nach einem langen Vierkampf mit dem Spanier Sergio Garcia, dem Engländer Richard Blend und dem Belgier Thomas Detry mit einer überragenden 65er Runde und insgesamt 271 Schlägen (-17) durch; 333 330 Euro erhielt der Argentinier. Ein Rückblick auf kleine, besondere, andere Momente.

Goaßlschnalzer, Schuhplattler und Blasmusik: Man baut auf das bairische Alleinstellungsmerkmal

Als am Dienstag, zwei Tage vor der ersten Runde, die Titelmusik aus dem Film "Pirates of the Caribbean" ertönte, wäre es eine grandiose Vorstellung gewesen, Johnny Depp wäre das Schwert schwingend ausgestiegen aus dem vorfahrenden Rolls-Royce Dawn, für den im Internet eine UVP in Höhe von 329 630 Euro angegeben wird. Die zweitgrandioseste Vorstellung war dann, es möge einer wie Henrik Stenson hinter dem Lenkrad sitzen - tatsächlich: Der Schwede mit dem Fast-Bürstenhaarschnitt war es, der das Luxusvehikel wie ein König parkte. Neben ihm stellten zwei nicht minder erfolgreiche Profis ihre Geschosse ab vor der BMW Welt, in der Mitte der Spanier Sergio Garcia, der ein grünes Coupé erhalten hatte, rechts der Deutsche Martin Kaymer, der einen Roadster kurz sein Eigen nennen durfte. Die drei stellten ihre wichtigsten Pokale auf, Stenson den von der British Open, Kaymer die von der US Open und der PGA Championship. Und Garcia, der durfte seinen Stolz anziehen: das grüne Jackett als Masters-Champion.

Es folgte ein munteres Ballgechippe auf eine Brücke, mit weicheren Golfbällen, damit nichts Schlimmeres passiert so nah an der Straße, eine Drohne filmte von oben, und Kaussler moderierte wie bei der früheren Außenwette der Sendung "Wetten, dass...?". Stenson gewann diesen Wettbewerb, und als ihm der Preis überreicht wurde, sah sein Blick so aus, als würde er sich denken: In Bayern ist es sicher gesetzlich verankert, dass nur Lederhosen verschenkt werden dürfen. Andererseits: Fertigt man eine Strichliste mit Präsenten für globale Stars an, die eh alles kriegen, landet man am Ende ohnehin bei der Lederhose. Gibt nichts Besseres. Außer eine tiefgefrorene Lederhose vielleicht. Die erhält der Sieger des Münchner Turniers im Tennis. Die ist noch cooler, im wahren Wortsinne.

Direkt spritzig geriet der Auftritt von Martin Kaymer (oben) in München nicht. Eher schon galt das für Sergio Garcia, der erst im grünen Jacket dem Kollegen Henrik Stenson beim Bierzapfen zusieht... (Foto: Stefan Heigl / oh)

Tags darauf war Kaymers Bekenntnis, er habe nach seiner Ankunft aus den USA erst mal am Starnberger See ein Schnitzel mit Pommes verdrückt, jene Randnotiz, über die besonders geschmunzelt wurde. Und wie das so ist mit anfangs süffisanten Anekdötchen - sie werden aufgegriffen und ein bisschen tot geritten. Als Kaymer keine so gute erste Runde spielte, munkelte jemand, Kaymer müsse noch ein Schnitzel verspeisen. Als Kaymer am Freitag den Cut verpasste, die Qualifikation für die beiden Runden am Wochenende, kippte der Kalauer - nun war das Schnitzel schuld an der Vorstellung des zweimaligen Major-Gewinners. Kaymer motzte dann tatsächlich. Aber nicht übers Schnitzel. Er störte sich am Zustand der Grüns ().

Auf der Players Party im P1 standen dementsprechend Spieler im Fokus, die noch im Turnier verblieben waren, die Organisatoren hatten an diesem Freitagabend, das muss man ihnen wieder anrechnen, das Alleinstellungsmerkmal als bayerischer Gastgeber zünftig ausgespielt. Als die Profis vorfuhren, wurden sie von Goaßlschnalzern, Blasmusik und Schuhplattlern aus Ostermünchen empfangen. Die Stimmung war schnell dem Anlass würdig, besonders gejohlt wurde, als Garcia und Stenson sich Schürzen umbanden und zum Anzapfen ausholten. Als der Spanier an der Reihe war, rief Ralf Exel, der Mann am Mikrofon: "Da fehlt noch was!" Schon kam Kaussler herbeigeeilt und reichte einen grünen Janker, den Garcia anziehen musste. Als Masters-Sieger wird er diese Farbe nie mehr los. Bei den Schlagversuchen hat es leider weniger reibungslos geklappt, wohlwollend gezählt benötigten die beiden sechs Schläge, wobei es auch sehr feucht wurde. Für manchen Spieler war das offenbar der Startschuss, ein wenig mehr von diesem Gebräu zu trinken, besonders ein Profi aus einem kleineren Land soll sich von der guten Qualität bis weit in die Nacht ausgiebig überzeugt haben.

An dieser Stelle mal ein paar Worte zu Ralf Exel: Der 54-jährige Münchner geht ja manchmal unter in dem Trubel, weil er als Conférencier bei allerlei Gelegenheiten vom Veranstalter zwar eingesetzt wird, seit vielen Jahren, er ist der verbale Brückenbauer bei Pressekonferenzen, Sponsorenterminen, Siegerehrungen, Platzinterviews. Aber es geht immer um die anderen. Exel kommt vom Fernsehen, von Sat1. Ihm fehlt, das ist das Schöne, das Wichtigtuerische, das manchen Menschen von diesem Medium bisweilen zueigen ist. Wenn Exel im Einsatz ist, kommen wärmende Erinnerungen auf, etwa an die Zeit großer Münchner Radio-Moderatoren, wie sie Thomas Gottschalk und Stefan Schneider zum Beispiel waren. Mit deren bayerisch gefärbten Stimmen und Späßen wachte man früher gerne auf, als es noch kein iTunes und Spotify gab. Und ein Zufall ist dieses Gefühl nicht. Exel war auch lange beim Radio, bei Gong. Exel besitzt in seinen Ansprachen eine angenehme Zurückhaltung, ein dezenter Schelm kann er auch sein, in jedem Fall bereichert er mit seiner natürlich-lässigen Körperspannung auch dieses Event.

Münchner Zahlen: 5000 Brezn, 5000 Sandwiches, 2000 Flaschen Wein, 10 000 Liter Wasser

Eine alte Journalistenregel besagt: nicht zu viele Zahlen hintereinander auflisten. Manchmal ist es aber doch angebracht, sehr viele Zahlen zu transportieren, am besten hintereinander weg. Denn nur so wird eine gewisse Dimension vorstellbarer. Man könnte zum Beispiel sagen: Dieses Turnier ist groß. Aber das ist der Mond auch. Griffiger wird die Sache, wenn man es so schildert: 3500 Menschen arbeiteten beim Turnier während der ganzen Woche. 100 Sicherheitsleute. 250 Personen waren beim Fernsehen involviert, 500 als Techniker, 280 im Catering. 500 freiwillige Helfer packten mit an. In der Wertung Materialaufwand sah es so aus: 150 Kilometer Kabel wurden verlegt, 400 Steckdosen. 16 Fernsehkameras wurden postiert und 60 Mikrofone. Die sogenannte Public Area umfasste ein Gebiet von 20 000 km², 65 Aussteller boten ihre Produkte oder Dienstleistungen feil. Weil es auch ums Business ging, wurden auch diese Werte prognostiziert: Auf den Grandstands, den aufgebauten Tribünen, konnten sich mehr als 2800 Zuschauer versammeln, 4000 Gäste des Titelsponsors und Veranstalters konnten Einladungen für die "Customer Lounge" wahrnehmen, für den "Fairway Club" waren es 3500. Wer jetzt auch noch wissen will, was beispielsweise bei einem Golfturnier dieser Größe verputzt wird, dem ist zu helfen: 5000 Brezn, 5000 Sandwiches, 2000 Flaschen Wein, 10 000 Liter Wasser. Übrigens, auch interessant: Um diese Zahlen als Pressemitteilung zu tippen, wie es ein Mitarbeiter des Veranstalters tat, reichte offensichtlich: ein Mensch.

Ein Letztes noch: Das Turnier heißt ja International Open und nicht nur Open, weshalb es intern beim Veranstalter auch als BIO abgekürzt wird, niemand sagt BO. Das Internationale ist wichtig, weil man als guter Gastgeber wirklich jeden willkommen heißt. In diesem Jahr waren unter den weit gereisten Profis etwa der Thailänder Pavit Tangkamolprasert, der Australier Wade Ormsby, der Neuseeländer Ryan Fox und Shih-chang Chan aus Taipeh. Im Grunde ist dieses Golfturnier ein riesiger Biergarten: Alle rutschen zusammen, Lederhosen werden verteilt, Fässer angezapft, und ein paar spielen nur Golf während all dieser Tage. Halt mächtig gut nur. Das ist der feine, riesige Unterschied, wie schon Kaussler zu berichten wusste.

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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