Fußball-Landesliga:Ambitioniert verkrampft

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Der kriselnde Titelfavorit Sportverein Türkgücü empfängt Spitzenreiter Freising zum Landesliga-Gipfel.

Von Stefan Galler, München/Freising

Es ist eine gehässige Branche, in der einer dem anderen nicht das Schwarze unter den Nägeln gönnt. In der Gerüchte gestreut werden, um andere zu diskreditieren. Nein, es geht hier nicht um Politik oder die Finanzwelt, sondern um Fußball. Und derlei Mechanismen greifen nicht nur im Profigeschäft, sondern auch im Amateurfußball, dort womöglich sogar noch besser.

In der Landesliga Südost etwa ist der SV Türkgücü-Ataspor als klarer Favorit in die Saison gestartet: mit dem höchsten Etat, den ambitioniertesten, großteils höherklassig erprobten Spielern. Anfangs lief es rund: Rasch setzte sich die neu formierte Mannschaft von Trainer Andreas Pummer, der dem Regionalliga-Aufsteiger FC Unterföhring abspenstig gemacht worden war, vom Rest des Feldes ab. Doch seit einigen Wochen läuft es nicht mehr, seit einem Monat wartet Türkgücü auf einen Sieg. In den jüngsten vier Spielen gab es zwei Remis und zwei Niederlagen - gegen die Abstiegskandidaten TSV Kastl und TuS Pfarrkirchen. Mittlerweile ist das Team auf Platz drei abgerutscht - und empfängt am Sonntag (15 Uhr, Heinrich-Wieland-Straße) den unbesiegten Tabellenführer SC Eintracht Freising.

Prompt tauchten erste Gerüchte auf. Eine solche Talfahrt eines Teams dieser Qualität müsse doch Gründe haben, gemunkelt wird etwa: Der Verein sei gar nicht so wohlhabend, die vereinbarten Zahlungen würden nicht geleistet, die Halbprofis hätten daher keine rechte Lust, sich voll reinzuhauen. Trainer Pummer bleibt cool, wenn er mit diesen Gerüchten konfrontiert wird. Da sei nichts dran: "Es wird von Vereinsseite alles eingehalten, was zugesagt wurde", versichert der Coach, der das Verhalten von Klubpräsident Hasan Kivran als "vorbildlich" bezeichnet: "Er war sogar schon in der Kabine, hat der Mannschaft den Rücken gestärkt. Die Vereinsführung bewahrt bislang absolut Ruhe."

Heimatlos: In der vergangenen Saison hängten die Türkgücü-Fans ihre Fahnen auf der Bezirkssportanlage an der Heinrich-Wieland-Straße auf. Zurzeit müssen sie für Heimspiele des Klubs nach Kirchheim fahren, zum Platz des Regionalligisten SV Heimstetten. (Foto: Claus Schunk)

Dass sich das schnell ändern könnte, ist dem Trainer bewusst. Die gegenwärtige Schwächephase ist für Pummer, 35, rätselhaft: "Erschütternd ist vor allem die Art und Weise, wie wir Tore bekommen. Die sind von den Gegnern nicht herausgespielt, sondern meistens individuelle Fehler von uns. Da sind dir als Trainer die Hände gebunden." Mittlerweile habe sich aus diesen Unzulänglichkeiten eine ungute Dynamik entwickelt: "Die Schnitzer führen zu Misserfolgen, und wenn die Ergebnisse nicht stimmen, fehlt irgendwann die Leichtigkeit. Ein paar Jungs fangen an zu verkrampfen." Dazu kommen personelle Probleme, etwa der verletzungsbedingte Ausfall von Stoßstürmer Valonis Kadrijaj, 25, der noch kein Saisonspiel bestritten hat. "Ein Brecher wäre dringend nötig, gerade wenn die Gegner im 5-4-1-System hinten drin stehen", sagt Pummer. Auch Stabilisatoren wie Yasin Yilmaz oder Yakub Dora fehlten zwischenzeitlich wegen Blessuren, Cengiz Ötkün war zuletzt drei Spiele gesperrt, er kehrt zum Spitzenspiel gegen Freising in den Kader zurück.

Spitzenreiter Freising ist heiß auf das "Schlüsselspiel", wie Abteilungsleiter Georg Appel die Partie nennt. Der Druck hält sich in Grenzen. "Gut für uns ist, dass wir selbst im Falle einer Niederlage Erster bleiben würden", sagt Appel. Im Falle eines Sieges würde Freising den Favoriten bereits um acht Punkte distanzieren. Alexander Plabst, der das Traineramt im Sommer vom langjährigen Coach Michael Schütz übernommen hat, gibt sich gelassen: Der 16. Spieltag stehe an, nicht mehr und nicht weniger. Auch Spartenchef Appel blickt bereits weiter, nach dem Gipfel in München stünden weitere wichtige Spiele an, das Derby gegen Hallbergmoos zum Hinrundenende etwa oder der Rückrundenstart gegen den ASV Dachau.

In Freising pflegen sie den Gegenentwurf zum türkischen Modell: "Wir haben eine gewachsene Mannschaft, eine Reihe von Spielern ist schon seit Jahren bei uns", sagt Appel. Die wichtigsten Zugänge vor der Saison seien neben einigen U-19-Spielern aus der eigenen Jugend der nigerianische Stürmer James Joseph (Nandlstadt) und Abwehrspieler Andreas Schredl. Wobei Letzterer lediglich aus beruflichen Gründen pausiert hatte. Für Georg Appel liegt eines der Erfolgsgeheimnisse im harmonischen Trainerwechsel: Vorgänger Schütz gab den Stab freiwillig ab, mit Nachfolger Plabst bildete er einst das Sturmduo bei Eintracht Karlsfeld: "Michi Schütz übergab eine intakte Mannschaft, die beiden haben sich intensiv über alles ausgetauscht", sagt Appel.

So gehen beide Landesliga-Spitzenteams mit unterschiedlichen Gefühlen in dieses Duell. "Freising ist die Mannschaft der Stunde. Verlieren dürfen wir nicht", sagt Türkgücü-Coach Pummer und versucht, die Favoritenrolle loszuwerden. Freisings Appel bleibt gelassen: "Die Krise der Türken ist nur vorübergehend, dazu ist die Qualität im Kader einfach zu groß. Aber ganz egal wie es am Sonntag läuft, danach sind immer noch 57 Punkte zu vergeben."

© SZ vom 21.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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