Fußball-Bayernliga:Neunzig Minuten Vergessen

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Unter dem Eindruck des Geschehens von Freitagnacht gewinnt Bayernligist SV Pullach gegen Wolfratshausen 2:0. Nach dominanter erster Halbzeit schaltet die Elf von Frank Schmöller ab. Der BCF wartet weiter auf den ersten Punkt

Von Matthias Schmid, Pullach

Andreas Pummer kramte sein Mobiltelefon aus der Hosentasche. Es fiel ihm nicht leicht, das merkte man. Der Trainer des FC Unterföhring atmete schwer, als er auf sein Handy blickte. Er hatte die Kurzmitteilung schon so oft gelesen. Aber der Text seines früheren Spielers ließ ihn einfach nicht los. "Es ist alles so unbegreiflich", sagte Pummer am Samstagnachmittag auf dem Sportplatz an der Pullacher Gistlstraße. Pummer war gekommen, um so etwas wie Ablenkung zu finden von den schrecklichen Geschehnissen des Freitags, von dem Amoklauf mit zehn Toten, bei dem einer seiner ehemaligen Spieler seine 14-jährige Schwester verloren hatte. Es war jener Spieler, der Pummer die Nachricht geschrieben hatte. Bis zum Sommer hatte er beim FC Unterföhring gespielt, viele beim FC sind mit der Familie noch freundschaftlich verbunden. Unterföhrings Verantwortlichen hatten daraufhin die Partie gegen Vilzing abgesagt, "weil wir alle nicht mit dem Kopf beim Fußball gewesen wären", wie Pummer sagte.

Zu Hause hielt Pummer es aber auch nicht, deshalb besuchte er die Bayernliga-Partie zwischen Pullach und dem BCF Wolfratshausen, die der SV am Ende 2:0 (2:0) gewann. Pullachs Trainer Frank Schmöller fand es richtig, dass die Begegnung angepfiffen worden war, wenngleich er zugab, dass es ein "schweres Spiel" war. "Ich hatte meinen Spielern mit auf den Weg gegeben, dass sie das Glück haben, 90 Minuten die schrecklichen Bilder zu vergessen", sagte Schmöller. Und seine Mannschaft machte in den ersten 45 Minuten tatsächlich den Eindruck, als könnte sie sich voll und ganz dem Sport widmen. "Wir haben richtig gut Fußball gespielt", lobte Schmöller.

Mit dem Kopf nicht immer bei der Sache: Pullachs Alexander Benede und Wolfratshausens Gilbert Diep (l.) in einem ob der Umstände "schweren Spiel". (Foto: Claus Schunk)

Die Pullacher kombinierten sich gegen defensiv spielende Wolfratshauser phasenweise flink und kunstvoll durchs Mittelfeld und waren häufig nur mit unfairen Mitteln vor dem Torabschluss zu stoppen. Ein Foul am wuchtigen Pullacher Stürmer Menelik Ngu'Ewodo führte in der 14. Minute auch zur Führung. Kapitän Peter Beierkuhnlein legte sich in fast zentraler Position 17 Meter vor dem Tor den Ball zurecht, ein letzter liebvoller Klaps, dann lief er ein paar Schritte zurück: Anlauf, Schusstechnik und Geschwindigkeit harmonierten perfekt, der Ball flog hoch über die Mauer hinweg und senkte sich genau im richtigen Moment unter die Latte - ein Traumtor.

Pullachs Torhüter Michael Hofmann konnte sich das ganze Spiel seiner Mannschaft fast von der Mittellinie aus ansehen, er langweilte sich, so überlegen traten seine Mitspieler auf. Nur ein einziges Mal war er in der ersten Hälfte in seinem Kerngeschäft gefordert, als er den Ball vor dem heranlaufenden Alpay Özgül weggrätschen musste. "Trotzdem war das eine Top-Leistung von uns", befand Wolfratshausens Trainer Patrik Peltram. Er meinte das ganz im Ernst.

Wie devot, ja fast unterwürfig seine Elf angesichts den vielen Verletzungen und urlaubsbedingten Absenzen inzwischen auftritt, zeigte sich auch in der Begeisterung, mit der die Spieler und auch die Betreuer auf der Bank gewonnene Zweikämpfe feierten - sie jubelten fast so wie die Pullacher über ihr Führungstor. "Wir haben defensiv enorm viel geleistet, damit der Gegner nicht richtig ins Spiel kommt", sagte Peltram. In der Tat fiel auch der zweite Treffer nach einer Standardsituation. Den an Tim Sulmer verschuldeten Strafstoß verwandelte Ngu'Ewodo lässig zum 2:0 (38.). Zwei, drei Schritte Anlauf, eine Körpertäuschung - und BCF-Torhüter Kevin Pradl flog ins linke Eck. Der Ball landete im rechten.

Kurz darauf trotteten beide Mannschaften in die Kabinen - und nach Meinung Schmöllers hätte zumindest die seine gar nicht mehr herauskommen müssen. "Sie hat aufgehört, Fußball zu spielen", schimpfte der Trainer, "jeder Spieler hatte plötzlich seine eigene Idee und machte, was er wollte". Der ehemalige Profi resignierte bald und setzte sich auf die Bank. "Da bringt es auch nichts mehr, sich draußen wie ein Verrückter aufzuführen", sagte Schmöller. Was er von dem teilweise überheblichen Auftritt seiner Mannschaft hielt, teilte er seinen Spielern hinterher in der Kabine mit. Lautstark, wie er sagte. "Damit ist für mich das Thema aber auch beendet." Denn richtig etwas vorwerfen kann er seiner Mannschaft ja nicht, sieben Punkte hat sie aus den ersten drei Saisonspielen geholt. "Das war unser Minimalziel", wie Kapitän Beierkuhnlein einräumte. Auf den ersten Zähler warten dagegen immer noch die Wolfratshauser. Verzagt wirkte Patrik Peltram aber nicht: "Wir haben uns in jedem Spiel gesteigert."

© SZ vom 25.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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