Fußball-Bayernliga:Nachmittag der Neutralität

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Sechzigs U21 macht gegen Dachau das Spiel, kommt aber wieder nicht über ein Remis hinaus. Trainer Christian Wörns fehlt bei vielen Akteuren der nötige Biss.

Von Christoph Leischwitz

Unentschieden", klar, was soll er sonst schon sagen. Franz Hübl stand aus verständlichen Gründen mit einem neutral-grünen Anorak am Sonntagnachmittag nur am Rand des Kunstrasens an der Grünwalder Straße. Der 29-Jährige spielt Fußball für den TSV 1865 Dachau, er arbeitet allerdings für den TSV 1860 München, er ist als Co-Trainer zuständig für die Videoanalyse der Regionalliga-Mannschaft. Und viele, die er regelmäßig analysiert, wären im Bayernliga-Spiel der Dachauer gegen die U 21 der Sechziger plötzlich seine direkten Gegner gewesen - nicht auszudenken, was das für einen Ärger geben würde, wenn der bisweilen recht rustikal auftretende Hübl unabsichtlich die Winterpause eines Nachwuchsspielers verlängerte. Am Ende dürfte er einer von ganz wenigen Zufriedenen gewesen sein: Das Ergebnis, 2:2 (2:2), war ideal für einen, der an diesem Nachmittag zur Neutralität verpflichtet war. Richtig gefreut haben dürfte er sich aber weder als Dachauer noch als Sechziger: Beide Teams bringt das Remis nämlich nicht entscheidend voran.

Schiedsrichter Maximilian Riedel hält sich mit expressiver Gestik warm. (Foto: Claus Schunk)

Womöglich hätte Hübl in der Anfangsphase für etwas mehr Stabilität in der Dachauer Abwehr gesorgt, so aber stand es schon nach sieben Minuten 2:0 für die Gastgeber. Sechzigs Kapitän Lukas Aigner traf in der vierten Spielminute per Kopf nach einem Eckball, er war recht unbedrängt am Fünfer an den Ball gekommen. Nur drei Minuten später stand der 21-Jährige zum Freistoß bereit, zirkelte den Ball aus mehr als 20 Metern ins linke Kreuzeck, und winkte ohne zu jubeln ungläubig ab, während ihm die Mitspieler auf den Rücken sprangen. Zuvor hatte Aigner im Männerfußball noch kein einziges Pflichtspieltor erzielt, plötzlich waren es zwei innerhalb von drei Minuten. "Ich habe gedacht, ich bin im falschen Film", sagte Dachaus Kapitän Alexander Weiser, der es sich nach vierwöchiger Verletzungspause nicht nehmen ließ, im letzten Spiel vor der Winterpause aufzulaufen - zumal Hübl in der Viererkette ja fehlte. Ärgerlich sei das gewesen, denn man habe in der Anfangsphase außer den beiden Standards ja eigentlich nicht viel zugelassen.

Sechs Tage zuvor, auswärts beim FC Ismaning, hatte das Nachwuchsteam der Löwen auch schon 2:0 geführt, und dann noch den Sieg aus der Hand gegeben. So kam es auch diesmal, weil der "Biss" in den Zweikämpfen gefehlt habe, wie Trainer Christian Wörns fand. Kurz nach dem Doppelschlag tauchte Dachaus Spielertrainer Fabian Lamotte, ein ehemaliger Sechziger, im gegnerischen Sechzehner auf und überlupfte erfolgreich den nicht gerade kleinen 1860-Keeper Hendrik Bonmann (1,92 Meter). Womöglich stocherte Christian Doll den Ball noch über die Linie. Wiederum sieben Minuten später war Doll dann ganz sicher der Torschütze: Bei einem Pressschlag mit dem unglücklich agierenden Bonmann kullerte der Ball schon Richtung Tor, ehe ihn der Dachauer Angreifer jubelnd in die Maschen drosch (16.).

Ab in die Winterpause: Sechzigs Ersatzbank hat sich bereits für die stille, fußballlose Zeit eingemummt. (Foto: Claus Schunk)

Der weitere Verlauf war überraschend: Die an sich spielstarken Dachauer ließen sich häufig in die eigene Hälfte drängen, die Sechziger hatten deutlich mehr vom Spiel. "Wir haben in der ersten Halbzeit versucht, Pressing zu spielen, das hat nicht geklappt", sage Weiser. Und durch das gute Anlaufen der Löwen sei man oft zu langen Bällen gezwungen worden. Die beste Möglichkeit zum 3:2 vergab Sechzigs Felix Bachschmid: Er traf nach schönem Zuspiel des starken Lucas Genkinger zwar ins Tor, davor war ihm aber der Ball an die Hand geprallt (82.). Die Schlussminuten gehörten allerdings den auf Konter lauernden Dachauern, Moritz Hannemann verzog in der 88. Minute knapp.

Lukas Aigner (rechts, gegen Dachaus Torschützen Christian Doll) wurde trotz kurzer Hosen ganz mollig ums Herz: Der Kapitän erzielte beide Treffer für die Löwen. (Foto: Claus Schunk)

"Ich kann heute zufrieden sein", sagte Wörns nach seinem vierten U-21-Remis in Serie. Sein erstes Fazit nach knapp einem Monat bei der 1860-Nachwuchsabteilung fällt aber "durchwachsen" aus. Die Winterpause müsse man nutzen, sich in allen Bereichen zu verbessern. Weil die U21 keinen eigenen Kader stellt, sondern sich zum Großteil aus U-19-Spielern zusammensetzt, bezog er in seine Kritik vor allem die Jüngeren mit ein. Seine Worte waren mehr als deutlich: "Man denkt eigentlich, die Jungs wollen in den Herrenbereich. Da müsste dann eigentlich mehr kommen. Bei manchen geht mir das Gockel- und das Pfauengehabe tierisch auf den Keks, die Qualität passt überhaupt nicht dazu." Deshalb müsse man einige Spieler erst noch "einnorden", so der ehemalige Nationalspieler. Wenn das nicht klappe, scheue er sich auch nicht, "bei dem einen oder anderen die Reißleine" zu ziehen. Nur drei U-19-Spieler standen diesmal in der Startelf, und Wörns verzichtete auch darauf, auch nur einen der fünf U-19-Feldspieler einzuwechseln, die auf der Bank saßen.

Trainer Christian Wörns. (Foto: Claus Schunk)

Dachau bestätigte mit dem Ergebnis immerhin seine Konstanz. Seit Anfang Oktober hat die Mannschaft nur einmal verloren. Mit "zwei, drei guten Spielen" nach der Pause könne man ja mal sehen, ob der Relegationsplatz möglich sei, sagte Weiser - immer vorausgesetzt, der Zweite Pullach verzichtet auch diesmal aus infrastrukturellen Gründen auf den Aufstieg. Ansonsten müsse man natürlich darauf achten, "so früh wie möglich nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben". Man ist in Dachau irgendwie immer noch unentschieden.

© SZ vom 04.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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