Fußball-Bayernliga:Die Rückkehr des echten SV Heimstetten

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Der Tabellenführer verliert zwar in Dachau, überwindet seine Formdelle aber mit einem 3:0 in Kirchanschöring. Dagegen kassiert der FC Ismaning in zwei Heimspielen acht Gegentore.

War da was? Der Bayernliga-Tabellenführer SV Heimstetten hatte binnen einer Woche zweimal verloren: zunächst gegen den FC Ismaning, am Ostersamstag beim TSV 1865 Dachau. War es eine Mini-Krise? Es war wohl eher eine Unpässlichkeit, denn am Ostermontag trat der SV Heimstetten wieder so auf, als sei er es wirklich und nicht seine irgendwie umständliche und inkonsequente Kopie wie gegen Ismaning und Dachau: Der echte Sportverein gewann souverän 3:0 in Kirchanschöring. Wie launenhaft der Fußball ist, zeigte das umgekehrte Beispiel: Der zuletzt formstarke FC Ismaning kassierte an Ostern in zwei Heimspielen acht Gegentore: 1:5 gegen Landsberg und 0:3 gegen Vilzing.

FC Ismaning - TSV Landsberg 1:5

"I kann's nimmer sehn", sagte der Zuschauer, der sich gerade auf der Gegengerade postierte, und er freute sich, denn er meinte: Kunstrasen. Die Ismaninger hatten ihr Stadion und ihren Naturrasen wieder, es duftete nach Bratwürsten, und zuletzt hatte die Mannschaft ja auch ganz ansehnlich gespielt. Okay, die Anzeigetafel ging nicht, aber das war im Nachhinein auch ganz gut so. Denn am vergangenen Samstag war es schon vor dem Schlusspfiff so, dass auch die Partie gegen den TSV Landsberg niemand mehr sehen wollte. Ein Zuschauer auf einem Campingstuhl meckerte in der 66. Minute so sehr, dass sich Kapitän Maximilian Siebald verpflichtet fühlte, verbal reinzugrätschen: "Wir spielen hier zu Hause, nicht auswärts", brüllte er angesichts der mangelnden Unterstützung. Auf jeden Fall war die klare 1:5-Niederlage hochverdient.

Den frühen Rückstand nach einem Distanzschuss von Andreas Fülla (9.) konnte Rechtsverteidiger Clemens Kubina zwar noch ausgleichen. Doch insgesamt hatte Ismaning viel zu wenig Ballbesitz, um die Partie zu dominieren, viel zu oft verlor das Mittelfeld den Ball durch uninspirierte Pässe und wegen fehlendem Wissen bezüglich der Laufwege von Mitspielern. So lief man nach dem 1:2 durch einen Uwe-Seeler-Kopfball von Sebastian Bonfert (32.) immer wieder in Konter. Das führte nicht nur zu weiteren Gegentoren (36., 49., 76.), sondern auch zur roten Karte für den kurz zuvor eingewechselten Gianfranco Soave. Ob er dabei wirklich letzter Mann war, bezweifelte Trainer Rainer Elfinger später. Der Coach gab sich, gemessen an der Leistung seines Teams, erstaunlich unkritisch. "Landsberg hatte mehr Leidenschaft", gab er zwar zu, doch insgesamt hätten auch die Bodenverhältnisse zu der hohen Niederlage beigetragen. cal

1865 Dachau - SV Heimstetten 1:0

In die Luft gerissene Arme gehören zum Standardrepertoire des SV Heimstetten in dieser Saison. Der Tabellenführer der Bayernliga Süd hat ja nicht nur die meisten Siege, sondern auch mit Abstand die meisten Tore der Liga auf seinem Konto. Auch Heimstettens Torhüter Maximilian Riedmüller riss am Ostersamstag seine Hände in die Höhe - allerdings nicht jubelnd, sondern um darin aus Enttäuschung über eine vergebene Torchance seiner Teamkollegen seinen Kopf zu vergraben.

Torjubel war den Heimstettenern beim TSV 1865 Dachau keiner vergönnt. Stattdessen hatten sie nach der 0:1-Niederlage erhöhten Redebedarf. "Wir haben momentan nicht diese Selbstsicherheit", sagte Trainer Christoph Schmitt nach der zweiten Pleite in Serie. "Fehlendes Selbstverständnis" charakterisiere das aktuelle SVH-Spiel. Schmitt ärgerte sich besonders darüber, dass sein Team wie schon in der Vorwoche gegen Ismaning die Anfangsphase verschlafen hatte: "Wir sind der Tabellenführer, das muss man auch von der ersten Sekunde an sehen können. Momentan strahlen wir das aber nicht aus", sagte er.

Im Mittelpunkt steht derzeit die über weite Phasen der Saison kaum zu stoppende SVH-Offensive um Orhan Akkurt, Sebastiano Nappo und Lukas Riglewski, die im Schnitt fast 2,6 Tore pro Spiel erzielte. Gegen Ismaning und Dachau war es allerdings nur ein Treffer. "Wir treffen im Offensivspiel momentan häufig die falschen Entscheidungen", sagte Schmitt. Die lange Zeit komfortable Tabellenführung habe auch ihren Beitrag zur momentanen Schwächephase geleistet, glaubt Schmitt. "Die Jungs sind vielleicht auch zu bequem geworden. Woche für Woche hören und lesen sie, dass sie quasi schon Meister sind. Das ist nicht ganz einfach." Nach dem "massiven Lob" der vergangenen Monate müsse "unsere Offensiv-Reihe jetzt auch mal die Arschbacken zusammenkneifen und sich die Leichtigkeit einfach wieder erarbeiten", betonte er.

Wenn Männer eine Mauer bauen: Heimstetten sucht vergeblich eine Lücke in Dachaus Deckung. (Foto: Niels P. Joergensen)

Dieses Bestreben war dem SVH nach der Pause deutlich anzumerken. Schmitt stellte früh auf eine Dreier-Abwehrkette um, der Druck auf die Dachauer wurde größer. Die beste Chance zum Ausgleich bot sich dem Ex-Dachauer Riglewski, sein Schuss ging aber an die Querlatte (67.). Kurz vor dem Schlusspfiff wurde ein Kopfball der Gäste gerade noch vor der Torlinie geklärt. "Es hat nicht sollen sein", sagte Schmitt.

Aus Dachauer Sicht sollte es am Ostersamstag sein. Nach zwei Auswärts-Remis bei den Spitzenteams Vilzing und Rain gelang der Mannschaft von Spielertrainer Fabian Lamotte das, was in dieser Saison zuvor erst der SpVgg Hankofen-Hailing gelungen war: ein Zu-Null-Sieg gegen die Heimstettener Tormaschine. Wie schafft man das? "Indem alle defensiv arbeiten", erklärte Lamotte. "Es geht nur als Mannschaft, da haben heute alle gut mitgemacht." Trotzdem dürfe man sich gegen Heimstetten nicht nur auf die Defensive verlassen, sondern müsse auch selbst Fußball spielen, fügte der Ex-Profi an. "Das haben wir in der ersten Halbzeit gut gemacht. Nach der Pause haben wir viel ohne Ball gearbeitet." Christian Doll (29.) und Dominik Schäffer (39.) ließen gute Tormöglichkeiten ungenutzt.

Passend zur starken Defensivvorstellung ging auch der spielentscheidende Treffer auf das Konto eines Abwehrspielers. Nach einem Freistoß von der linken Seite, der flach in die Mitte gespielt wurde, traf Dachaus Kapitän Alexander Weiser im zweiten Versuch aus kurzer Distanz zum goldenen 1:0 (18.). cbe

Schwaben Augsburg - 1860 II 1:0

Lennert Siebdrat ist normalerweise ein Fußballer, dem man gerne zusieht. 1,90 Meter groß, schlank, unaufgeregt, feine Ballbehandlung mit dem stärkeren linken Fuß - der 19-Jährige ist eine positive Erscheinung in der Innenverteidigung des TSV 1860 München II. Aber am Samstag, bei der 0:1-Pleite bei Schwaben Augsburg, machte der Junge einen schweren Fehler (nachdem Kollege Rother schon einen minder schweren Fehler gemacht hatte). Es lief die 14. Minute, als 1860-Keeper Hipper den Ball auf die rechte Abwehrseite spielte, in den Fuß von Fabian Rother; der machte dann, was im ungeschriebenen Fußball-Gesetzbuch als kleinere Schandtat gilt: Er spielte den Ball in die Abwehrmitte. Dort bekam Siebdrat die Kugel nicht unter Kontrolle. Der Augsburger Maximilian Löw klaute sie, legte sie links am heraus eilenden Hipper vorbei und bugsierte sie ins Tor. Es blieb der einzige Treffer in einem Spiel, das die Löwen unverdient verloren. Sie hatten mehr Chancen, unter anderem lenkte Schwaben-Schlussmann Antoni einen Awata-Kopfball an die Latte, und Rother schoss aus zwei Metern über das Tor. Am Ende sah Okan Memetoglu auch noch die rote Karte, weil er seinen Gegenspieler geschubst hatte (90.). In der Tabelle geht es weiter abwärts. Ihren letzten Sieg feierten die Sechziger am 21. Oktober 2017, ein paar Wochen nach der Bundestagswahl. gfi

Hankofen-Hailing - Pullach abg.

Ein spielfreies Osterwochenende gab es unverhofft für den Tabellenzweiten SV Pullach: Die Partie bei der SpVgg Hankofen-Hailing wurde wegen der schlechten Platzverhältnisse in Niederbayern abgesagt. "Die hatten am Mittwoch und am Ostermontag jeweils ein Spiel, da kam die Absage jetzt nicht ganz überraschend", kommentierte SVP-Trainer Frank Schmöller und äußerte Verständnis für diese Entscheidung: "Nachvollziehbar, dass sie sich ihren Platz nicht total kaputt machen wollten." Die Partie wird am 1. Mai nachgeholt, was Schmöller "nicht als Nachteil" sieht, schließlich könne seine technisch beschlagene Mannschaft von besseren Platzverhältnissen profitieren. Blöd nur, dass die SVP-Kicker dann weite Teile des Pullacher Maifestes verpassen werden: "Aber mit drei Punkten feiert es sich dann später am Nachmittag auch ganz gut", sagte Frank Schmöller. stga

Kirchanschöring - Heimstetten 0:3

Das Spiel beim SV Kirchanschöring war so etwas wie eine Reha-Maßnahme für den SV Heimstetten, schon das Ambiente diente der Regeneration: Der Fußballplatz der Ostbayern ist von Bäumen gesäumt, es war sonnig, und Lärm gibt es hier draußen kaum, weit weg von München und seinen permanenten Geräuschen. Der Tabellenführer kombinierte gefällig, wirkte erstaunlich souverän nach seiner jüngsten Formdelle - und ging nach 22 Minuten in Führung. Yannick Günzel schlug den Ball in den Strafraum, wo Orhan Akkurt in halblinker Position lauerte. Unbehelligt erzielte er mit einem Drehschuss das 1:0. Sekunden vor der Pause erhöhte Akkurt auf 2:0 - diesmal zog er aus kurzer Entfernung ab, und der Ball trudelte gemächlich über die Linie, er war nur unzureichend gebremst worden vom Körper des sich in die Flugbahn werfenden Keepers Dominic Zmugg.

Heimstetten verpasste es nach der Pause, zeitig das entscheidende dritte Tor zu schießen. Vielleicht hat das Kirchanschöring stark gemacht, wer weiß. Jedenfalls hatten die Gastgeber binnen zwei Minuten drei Chancen, einmal schoss Özgür Kart knapp neben das Tor (75.), dann blockte Tormann Maximilian Riedmüller zwei Schüsse ab (76.). Der SV Heimstetten reagierte wie ein Erziehungsberechtigter, dem das Kind zu frech geworden war: Er stellte rasch auf 3:0, damit kein Zweifel aufkommen konnte über die Herrschaftsverhältnisse. Akkurt, dessen Jagd nach dem dritten Tor vergeblich blieb, traf mit einem famosen Heber bloß den linken Torpfosten, doch Manuel Duhnke staubte ab (77.). Als der Schlusspfiff ertönte, riss Tormann Riedmüller die Hände nach oben. Anders als am Samstag in Dachau bedeutete das: Ich freue mich. Trainer Christoph Schmitt lobte seine Mannschaft für ein "sehr gutes Spiel, eine große Laufbereitschaft, Aggressivität und Zweikampfstärke". Er sei froh, dass sie auf die beiden Niederlagen "eine so tolle Reaktion" gezeigt habe. gfi

FC Ismaning - DJK Vilzing 0:3

Am besten alle Fehler in einem Spiel, dann sei das schon in Ordnung - das hatte Trainer Rainer Elfinger noch nach dem 1:5 gegen Landsberg gesagt. 48 Stunden später aber stellte sich heraus, dass sich die Fehler beileibe nicht auf ein Spiel konzentrierten, sie blieben. Das Ergebnis im zweiten Oster-Heimspiel fiel kaum besser aus: 0:3 (0:1) hieß es am Ende gegen die DJK Vilzing. "Jetzt sind wir wieder mittendrin, jetzt müssen wir es wieder annehmen", sagte Elfinger. Nur kurz schien man dem Abschiedskampf entronnen.

Diesmal blieb Ismaning vor allem in der Offensive harmloser, auch nach dem 0:1 durch André Luge (14.) tat sich kaum etwas nach vorne. Die spielentscheidende Szene ereignete sich nach 53 Minuten, als die Lücken im Mittelfeld zu einer roten Karte für Anton Siedlitzki und zu einem Gegentor führte. Siedlitzki wusste sich nach einem Steilpass nur noch mit einer Notbremse zu helfen, sein Platzverweis nach dem Foul war unstrittig. Den anschließenden Freistoß verwertete Michael Faber zum 2:0, den Schlusspunkt setzte erneut Luge (59.). Elfingers Fazit nach einem langen 1:8-Wochenende: "Die Niederlage gegen Landsberg tut weh. Aber Vilzing ist eine abgezockte Mannschaft", findet Elfinger. Gegen Hankofen am kommenden Samstag müsse man "voll dagegenhalten". cal

1865 Dachau - Holzkirchen 1:1

Freistoß, 92. Minute, 0:1-Rückstand. Julian Allgeier legt sich im Mittelfeld den Ball zurecht. Seit der Winterpause hatte der TuS Holzkirchen kein Tor mehr geschossen, jedes Spiel verloren. Auch in Dachau hatten 90 Minuten nicht für ein Tor gereicht. Allgeier nimmt Anlauf, schlägt einen weiten Ball mitten in das Getümmel im Strafraum. Der Ball prallt gegen Christopher Korkors Oberschenkel, trudelt den Fünf-Meter-Raum entlang, bis ihn Semir Ljumani über die Linie drückt. Ausgleich. Wenige Momente später ist das Spiel vorbei. "Das ist eben das Auge vom Trainer", scherzt Holzkirchens Trainer Gediminas Sugzda, der für die Schlussphase alle seine Stürmer eingewechselt hatte, auch den Torschützen. "Semir ist vor dem Spiel zu mir gekommen und hat gesagt, dass er heute ein richtig gutes Gefühl hat."

Wenn ein Mann ratlos ist: Ismanings Coach Elfinger sucht eine Erklärung für zwei Pleiten. (Foto: Claus Schunk)

Für beide Teams war es das zweite Spiel innerhalb von drei Tagen. Aus Dachaus Startelf hatte nur Mario Maric beim Derbysieg gegen Heimstetten nicht mitgewirkt, Holzkirchen schonte keinen einzigen Spieler. Trotzdem begannen beide das Spiel intensiv und mit schönen Kombinationen im Mittelfeld. Holzkirchen attackierte den Gegner früh und war zielstrebiger in den Aktionen nach vorne. Nach 14 Minuten schlenzte Marco Höferth den Ball aus dem Mittelfeld in den Lauf von Maximilian Preuhs, der ihn kurz vor dem Strafraum mitnahm und in Richtung des herausstürmenden Torwarts Maximilian Meyer trieb. Meyer parierte aus kurzer Distanz.

Holzkirchen war nun deutlich besser und bestimmte das Spiel. Höferth war trotzdem nicht zufrieden. Er kritisierte lautstark das Zweikampfverhalten, die Konzentration und das "Rumgeheule" seiner Mannschaft, die in der 29. Minute nach einem Kopfball von Preuhs zum ersten Mal traf - allerdings aus dem Abseits.

In der Schlussphase der ersten Halbzeit wurde der TSV Dachau stärker und kam zu seiner ersten großen Chance: Nach einer Ecke stand Spielertrainer Fabian Lamotte am langen Pfosten frei, Torwart Benedikt Zeisel parierte gut. Dachau bestimmte das Spiel auch nach der Pause, verteidigte konzentriert und wartete auf Konter. Nach einem Ballverlust von Holzkirchen bekam Christian Doll den Ball an der Mittellinie und leitete ihn an Dominik Schäffer weiter, der frei auf Zeisel zulief. Schäffer zögerte kurz und legte auf den mitgelaufenen Moritz Hannemann ab, der nur noch einschieben musste (61.). Den Gästen war die Frustration anzumerken. Sie diskutierten und stritten miteinander. Die drei jüngsten Niederlagen hatten deutliche Spuren hinterlassen, bestätigte Sugzda: "Das passiert in so einer Situation, aber ich finde das gut. Die Spieler sollen sich aneinander reiben, so entsteht Energie."

Der TSV Dachau verwaltete das Spiel nach dem 1:0 und hätte nach einem Konter alles klar machen können, doch Alexander Weiser scheiterte am Torwart (78.). Es folgte der Freistoß in der 92. Minute und der 1:1-Endstand. "Es hätte das perfekte Wochenende werden können, leider haben zwei Minuten gefehlt - dann fällt so ein Tor", sagte Lamotte. Auch für den Torschützen wird sein Treffer spürbare Konsequenzen haben: "Das war sein Tor-Debüt. Jetzt muss er auf jeden Fall eine Runde ausgeben", sagte Sugzda gut gelaunt. rpw

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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