FC Pipinsried:Weihnachten im November

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Sein früher Führungstreffer ebnet dem FC Pipinsried den Weg zum 2:1-Sieg in Schweinfurt: Atdhedon Lushi. (Foto: Johannes Simon)

Der Underdog aus dem Dachauer Hinterland bezwingt Schweinfurt 2:1. Dass die Elf von Fabian Hürzeler den Großen der Regionalliga standhalten kann, ist aber keine neue Erkenntnis.

Von Sebastian Leisgang, Schweinfurt

Am Ende dieses kühlen Samstagnachmittags, das Regionalligaspiel zwischen dem FC Schweinfurt 05 und dem FC Pipinsried war längst Geschichte, da kulminierten die gegensätzlichen Gemütszustände in einer Banalität. Es war nur ein Augenblick, doch in ihm wurde deutlich: Beifall ist nicht gleich Beifall.

Fabian Hürzeler hatte vor wenigen Momenten die vorangegangenen 90 Minuten eingeordnet und dafür vom Auditorium kräftigen Applaus erhalten im VIP-Zelt, in dem nach Schweinfurter Heimspielen die obligatorische Pressekonferenz abgehalten wird. Nun schloss gerade Hürzelers Gegenüber Gerd Klaus mit seiner Analyse - und die Hörerschaft klatschte verhalten, ja zaghaft in die Hände, um die Etikette zu wahren. Die Botschaft aber war klar: In Schweinfurt herrschte Endzeitstimmung - während die Pipinsrieder kurz nach der Pressekonferenz lächelnd von dannen zogen, um den Rückweg ihrer weitesten, 263 Kilometer langen Dienstreise im Bus mit rund 20 Fans anzutreten.

Ungläubiges Staunen in Schweinfurt: "Was? Die trainieren nur zweimal in der Woche?"

Als Hürzeler das Zelt längst verlassen hatte, herrschte noch immer ungläubiges Staunen unter den Schweinfurtern. "Was? Die trainieren zweimal in der Woche?", fragte einer, während ein anderer zu Recht einräumte: "Man kann nicht mal sagen, dass der Sieg unverdient oder glücklich war." Hürzeler selbst teilte diese Ansicht nach dem 2:1, sagte aber auch: "Es ist normal, dass es in Schweinfurt Phasen gibt, in denen man leiden muss. Wir hatten auch Glück - aber das Glück des Tüchtigen." Etwa bei Ünal Tosuns Siegtreffer aus Abseitsposition acht Minuten vor Ende der regulären Spielzeit. Oder wenig später, als Schiedsrichterin Angelika Söder Schweinfurt um einen Elfmeter brachte. Und doch waren sich hinterher alle einig: Der Pipinsrieder Erfolg war keinem Zufall und keiner Laune der Natur entsprungen.

Dass Hürzelers Team imstande ist, mit einer Spitzenmannschaft vom Zuschnitt Schweinfurts mitzuhalten, war keine Erkenntnis dieses Samstags, hatte Pipinsried doch schon Mitte August selbst im Grünwalder Stadion bei der Reserve des FC Bayern 1:0 gewonnen. Die Serie von vier Siegen überrasche ihn daher nicht, sagte Hürzeler: "Ich habe das meiner Mannschaft zugetraut. Ich sage immer: Harte Arbeit wird belohnt." Die Selbstverständlichkeit, mit der seine Mannschaft in Schweinfurt auftrat, war aber allemal bemerkenswert.

Pipinsried in Schweinfurt - dieses Duell bebildert ja die in der Sportberichterstattung inflationär bemühte Metapher von David und Goliath so treffend wie sonst wohl nur die Partie zwischen dem Dorfverein aus dem Dachauer Hinterland und dem TSV 1860 München. Hier Hürzelers Feierabendfußballer, die nur zweimal in der Woche trainieren, dort die Schweinfurter, die unter professionellen Bedingungen arbeiten und offen Ambitionen auf die dritte Liga hegen. Auf dem Feld aber verwischten die Vorzeichen dieses ungleichen Duells - David hielt Goliath Stand. Zwar nicht mit einer Steinschleuder, aber mit einer sicheren Deckung und gezielten Gegenstößen.

Atdhedon Lushi bescherte Pipinsried vor 671 Zuschauern in der zehnten Minute die Führung, kurz darauf traf Manuel Müller nach einem Konter den Außenpfosten (17.). Dass Schweinfurts Trainer Gerd Klaus seine Ersatzspieler schon Mitte der ersten Hälfte zum Warmlaufen beorderte, durfte als Kompliment für die Gäste gelten. Nach gut einer halben Stunde glichen die Nullfünfer durch Adam Jabiri aus (33.), wenig später traf Schweinfurts Torjäger per Fallrückzieher die Latte (43.). Acht Minuten vor Schluss schlug der Außenseiter aber erneut zu, kurz nachdem auf der alten Anzeigetafel des Willy-Sachs-Stadions "Auf geht's Schnüdel" aufblinkte: Der eingewechselte Tosun traf nach einem Konter (82.). Nun ergoss sich Häme über die Schweinfurter, als die Gästefans intonierten: "Gegen Pipi kann man mal verlieren". Die Nullfünfer hingegen forderten einmal mehr die Entlassung von Gerd Klaus und skandierten: "Klaus raus! Klaus raus!" Als sich ein Schweinfurter Journalist bei dem Trainer mit betont milden Worten erkundigte, ob man inzwischen von einer Mini-Krise schreiben dürfe, da stellte Klaus bemerkenswert offen klar: "Es ist keine Mini-Krise, es ist eine große Krise. Wir haben letzte Woche mal draufgehauen, gut, müssen wir halt noch mal draufhauen die Woche, vielleicht wird es dann besser."

Während sich an diesem Samstagnachmittag also Tristesse über Schweinfurt legte, jubelte auf der anderen Seite mal wieder der Dorfklub. Vor der Partie hatte Pipinsrieds Präsident Konrad Höß betont, es sei für ihn gleichbedeutend mit einem vorgezogenen Weihnachtsfest, sollte nach drei Siegen noch ein Punkt in Schweinfurt hinzukommen. Am Ende waren es gar drei, doch Hürzeler gab sich nach dem Erfolg nüchterner als Höß. Der Spielertrainer verwies auf die noch ausstehenden Heimspiele gegen Eichstätt und Nürnberg II und sagte dann: "Ich bin noch nicht in Weihnachtsstimmung, aber Konrad Höß wünsche ich ein frohes Fest."

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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