FC Pipinsried:Paradigmenwechsel

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51 Jahre lang waren Konrad Höß und sein Klub unzertrennlich. Nun hat der Gründungsvorsitzende sein Amt abgegeben. Seitdem es mit der Beschaulichkeit im Dachauer Land vorbei.

Von Ralf Tögel

Als Erster fand Uli Bergmann versöhnliche Töne. Bergmann ist einer der Protagonisten, die den FC Pipinsried oder zumindest dessen Fußball-Abteilung in eine rosige Zukunft führen sollen. Die Fußballer werden in eine GmbH ausgegliedert, Bergmann ihr Geschäftsführer. GmbH, das heißt "mit beschränkter Haftung", aber eben auch "Gesellschaft", mehrere Personen also. Bislang führte Präsident Konrad Höß den Klub ja allein, autokratisch, aber erfolgreich. Vor drei Wochen hat der 77-Jährige abgedankt. Damit könnte diese Geschichte hier enden.

Alles gut?

Ganz und gar nicht. Seit Wochen "schießt der Conny quer", sagt Bergmann. Am Rand einer Pressekonferenz, in der die Öffentlichkeit über die Pläne für den Regionalligisten informiert werden sollte, landete man schnell bei Höß. "Es wäre schön, wenn er mit uns und nicht gegen uns arbeitet", sagte Bergmann. Auch Roland Küspert, jahrelang Höß' Stellvertreter und jetzt dessen Nachfolger, reichte Höß die Hand: "Ich habe Verständnis, dass er ein Problem hat, loszulassen. Aber wir müssen die Arbeit auf mehrere Schultern verteilen." Über Hilfe seines Vorgängers wäre auch er dankbar, sagt er.

Höß’ heiliger Rasen: Das für die Regionalliga umgebaute Stadion des FC Pipinsried an der Reichertshauser Straße. (Foto: Toni Heigl)

Der FC Pipinsried, so lautet das ambitionierte Vorhaben seiner neuen Lenker, soll in den kommenden zwei Jahren in der Regionalliga etabliert werden. Der Aufsteiger, ein Dorfverein aus dem Dachauer Hinterland, soll fester Bestandteil der vierthöchsten Spielklasse werden, an der Schwelle zum professionellen Bereich. Die Voraussetzungen will die neue Vereinsführung schaffen, neben Küspert dessen Stellvertreter Martin Schmidl, Teammanager Roman Plesche, der neben Bergmann zweiter Geschäftsführer wird, Kassier und Jugendleiter Josef Ankner, Schriftführer Hubert Fesl. Küspert war von Konrad Höß selbst zum Nachfolger aufgebaut und mit großer Mehrheit in der Mitgliederversammlung gewählt worden. Konsens gab es auch beim Vorhaben, die Fußball-Abteilung in eine GmbH auszugliedern, in der Bergmann den wirtschaftlichen Bereich verantworten wird, Plesche den sportlichen. Beide sind bereits mit Hochdruck dabei, Geldgeber zu finden. Wofür Bergmann keine schlechten Voraussetzungen mitbringt. Der Privatier hat im vergangenen Oktober seine Tätigkeit als Filialleiter einer Bausparkasse aufgegeben, hat gute Kontakte und viel Zeit, die er beim FC Pipinsried einzubringen gedenkt: "Ich stehe immer noch um sieben auf und bin den ganzen Tag unterwegs", sagt Bergmann. Sein Amt als Abteilungsleiter des SC Oberweikertshofen, den er in den vergangenen zehn Jahren in die Landesliga geführt hat, werde unter der neuen Tätigkeit nicht leiden.

In der GmbH wird der Stammverein mit 51 Prozent der Anteile die Mehrheit und damit das Sagen behalten, weshalb 12 750 Euro des geforderten Stammkapitals von 25 000 Euro vom e.V. eingebracht werden. Nach derzeitigem Stand wird es zwei weitere Gesellschafter geben, einer ist Bergmann, der zweite könnte Reinhard Höß sein, der Sohn von Konrad Höß, dem Bergmann eine Beteiligung anbieten wird. Reinhard Höß ist Anwalt und hat den Klub schon in vielen Angelegenheiten juristisch betreut, auch die Neugestaltung des Klubs begleitet Höß junior. Als Termin für die GmbH-Gründung hat der FC Pipinsried den 1. Mai genannt, rechtzeitig vor dem Beginn der kommenden Saison: "Die Haftung der GmbH ist auch ein Schutz für den Verein", sagt Bergmann.

Es ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel, der dem FC Pipinsried bevorsteht, das fängt schon beim Trainingsaufwand an. Es war bislang eine Art Alleinstellungsmerkmal, andere sagen: Folklore, dass in Pipinsried nur zweimal pro Woche trainiert wird. So fanden ehemals höherklassig spielende Akteure die Möglichkeit, neben ihrem Beruf mit überschaubarem Aufwand Fußball auf höchstem Amateurniveau zu spielen. Zahlreiche ehemalige Profis gaben sich die Klinke in die Hand. Ein Kennzeichen der Ära Höß war auch die hohe Fluktuation im Kader: Der Patron favorisierte Verträge mit kurzer Laufzeit. Freilich verstand es der findige Präsident immer wieder, Spieler günstig zu verpflichten, zudem hatte er ein gutes Gespür für die richtigen Akteure. So führte er seinen Klub stetig nach oben. Zuletzt gelang unter dem Sportlichen Leiter Plesche und Spielertrainer Fabian Hürzeler der nie für möglich gehaltene Aufstieg in die Regionalliga. Dort soll sich der FC nun etablieren. Das Modell Höß - viel Klasse, wenig Aufwand - gilt als Auslaufmodell.

Die Wucht des Zorns, mit dem der scheidende Alleinherrscher dagegen vorgeht, überrascht die Beteiligten zusehends. Mittlerweile ist von übler Nachrede und falschen Anschuldigungen die Rede. Höß hat es als seinen größten Fehler bezeichnet, Plesche und Hürzeler "nicht noch rechtzeitig entfernt zu haben". Dabei hatte er sie zu Amtszeiten selbst installiert und war einst voll des Lobes. Ähnlich verhält es sich mit seinem Nachfolger Küspert, den Höß selbst als Kronprinz aufgebaut hat. Davon will der ehemalige Präsident allerdings nichts mehr wissen: "Ich habe mich getäuscht." Höß, von 1967 bis 2018 Gründungsvorsitzender des Klubs, sieht nicht weniger als sein Lebenswerk in Gefahr. Die Sportanlage an der Reichertshauser Straße zählt nicht nur wegen ihres exzellent gepflegten Rasens zu den Schmuckstücken der Liga. Der moderate Anstieg von zwei auf drei Trainingseinheiten pro Woche, im Ligavergleich nach wie vor unteres Niveau, diese banale Tatsache genügt schon, um Höß in Rage zu bringen.

"Wenn wir absteigen, wollen wir die Strukturen schaffen, um schnell wieder aufzusteigen."

Höß hat den Platz gebaut, den Rasen in jahrzehntelanger Pflege auf Wimbledon-Niveau getrimmt - und sich für eine Fortführung seiner Tätigkeit, worum er von Küspert gebeten wurde, das Recht ausbedungen, auch zukünftig alleine über Spielabsagen zu entscheiden. Als ihm das verwehrt wurde, warf Höß im Zorn die Brocken hin und macht seither Stimmung gegen die neue Klubführung. Angesichts der sich verhärtenden Fronten und der Schärfe der Kritik des Ex-Präsidenten scheint eine friedliche Lösung ausgeschlossen.

Man wolle sich auf das Sportliche konzentrieren, sagt Plesche, zuvorderst also auf den Klassenerhalt. Nach dem 1:1 vom Mittwochabend beim FC Augsburg II scheint das machbar, an diesem Samstag (14 Uhr) gastiert die SpVgg Bayreuth, Sechzehnter, beim Tabellen-Vierzehnten. Am neuen Kader wird bereits gebastelt, Plesche plant zweigleisig: "Wenn wir absteigen, wollen wir die Strukturen schaffen, um möglichst schnell wieder aufzusteigen." Auch die Ausrichtung der Mannschaft und damit des Vereins soll sich ändern: Junge, hungrige Spieler rücken stärker in den Fokus, sagt Plesche, allein deshalb müsse der Trainingsaufwand erhöht werden. Jugendarbeit gab es unter Höß nicht. Die Idee: Spielern, die bei Profiklubs ausgebildet wurden, dort aber nicht unterkommen, im Bundesliga-Dreieck München-Ingolstadt-Augsburg eine Heimat bieten. Am besten in Harmonie und Ruhe, draußen im Dachauer Land.

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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