Basketball-Euroleague:Wie Schach ohne Dame

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Weil ihm vor den Spielen gegen Istanbul und Oldenburg die Spieler ausgehen, denkt der FC Bayern über Zukäufe nach

Von Joachim Mölter, München

Das haben die Basketballer des FC Bayern München jetzt davon, dass sie in der vorigen Saison deutscher Meister geworden sind und in der Euroleague die Runde der besten 16 Teams erreicht haben. "Wir haben einen guten Ruf, uns nimmt keiner auf die leichte Schulter, jeder spielt mit einer hundertprozentigen Einstellung gegen uns", sagt Trainer Svetislav Pesic. Und fügt hinzu: "Das ist nicht gut für uns." Jedenfalls nicht in diesen Tagen, in denen der Mannschaft zwei wichtige Heimspiele bevorstehen, am Donnerstag (20.15 Uhr) in der Euroleague gegen den türkischen Meister Fenerbahce Istanbul und am Sonntag (17 Uhr) in der Bundesliga gegen die Baskets Oldenburg, die als Tabellenzweiter einen Platz vor den Münchnern liegen. Zwei Spitzenspiele, die für Pesic zur falschen Zeit am falschen Ort stattfinden. "Schade, dass wir so früh schon so gute Gegner haben", sagt er, und dass er lieber auswärts antreten würde - da ließen sich Niederlagen leichter verschmerzen.

Mit Niederlagen muss der 65-Jährige ja rechnen, weil ihm allmählich die Leute ausgehen: Seit Wochen grassieren Viren innerhalb der Mannschaft, die einen Profi nach dem anderen flachlegen und einen Trainer nach dem anderen auch. Am Sonntag beim Gipfeltreffen mit Pokalsieger und Tabellenführer Alba Berlin (80:83) schleppten sich gleich drei Mann geschwächt übers Parkett: Lucca Staiger, Dusko Savanovic und Vasilije Micic. Dann zog sich Anton Gavel eine Sprunggelenksverletzung zu, wegen der er voraussichtlich vier Wochen pausieren muss. Zu allem Übel rutschte auch noch Nihad Djedovic aus, "der gerade einen guten Lauf hatte", wie Spielgestalter Heiko Schaffartzik anmerkt. Djedovic erlitt dabei eine Zerrung in der Hüfte, "er wird wahrscheinlich gegen Fenerbahce nicht spielen", glaubt Pesic. Immerhin sei der von einem Magen-Darm-Virus heimgesuchte und gegen Berlin nicht einsatzfähige Robin Benzing auf dem Weg der Besserung. "Er wird spielen", sagt Pesic, "aber wie lange und mit welcher Intensität, das wissen wir nicht."

Er weiß auch nicht, wen er außer Benzing auf den Flügel schicken soll, auf die Position des Small Forward. Denn dort fehlt jetzt nicht nur Djedovic, sondern weiterhin auch Kapitän Bryce Taylor (Leistenoperation) sowie der junge Paul Zipser (Reha nach Knie-Operation). "So tief besetzt, wie unsere Konkurrenten immer behaupten, sind wir nicht", seufzt Pesic angesichts seiner eingeschränkten Möglichkeiten: "Einer muss dort spielen, wo er vorher noch nie gespielt hat." Was bleibt ihnen denn übrig, fragt Spielmacher Schaffartzik: "Wir können es nicht ändern. Wir müssen mit denen spielen, die gesund und fit sind."

Ende der Absprachen: Heiko Schaffartzik (rechts) lässt Svetislav Pesic und den FC Bayern hinter sich. (Foto: Lukas Schulze/dpa)

Der ganze Oktober sei schon frustrierend gewesen wegen der vielen gesundheitlichen Probleme, klagt Svetislav Pesic, "aber so schlimm wie in der vergangenen Woche war's noch nie". Inzwischen ist der Leidensdruck bei den FC-Bayern-Basketballern so groß, dass sie über eine kurzfristige Neuverpflichtung nachdenken - ein Novum, seit Pesic im Dezember 2012 das Traineramt in München übernommen hat. Sein Sohn Marko, der Geschäftsführer der Basketball-Sparte, habe das Klubpräsidium bereits informiert, dass man Spieler suche, berichtete Pesic senior: "Aber es ist nicht einfach, einen zu finden, der uns helfen kann. Es laufen nicht viele Nowitzkis und Michael Jordans herum."

In dieser "frustrierenden Situation" (Pesic) erwarten die FC-Bayern-Basketballer nun also erst einmal Fenerbahce Istanbul und deren Trainer Zeljko Obradovic, "einen der wenigen Menschen, die man auf ein Level mit unserem Trainer bringen kann", wie Heiko Schaffartzik findet. Svetislav Pesic ist ja zweifelsohne ein Großer unter den europäischen Basketball-Trainern, aber Zeljko Obradovic ist vielleicht noch ein Größerer: Achtmal hat er den bedeutendsten Klubwettbewerb des Kontinents gewonnen, mit vier verschiedenen Vereinen, so oft wie kein anderer. Außerdem hat der 54 Jahre alte Serbe Jugoslawien zu je einem EM- und WM-Titel geführt, was im Übrigen auch Pesic gelungen ist.

Pesic und Obradovic gelten beide als ausgefuchste Strategen, aber der Bayern-Coach muss sich vor dem Vergleich der Großmeister nun vorkommen wie ein Schachspieler, dem man ein paar wichtige Figuren weggenommen hat. "Wir freuen uns, wenn wir respektiert werden", sagt Svetislav Pesic vor dem Prestigeduell mit seinem Kollegen: "Aber bitte nicht so viel. Denn so gut sind wir nicht." Zumindest nicht in diesen Tagen.

© SZ vom 13.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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