Eishockey:Vorhang auf

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Meister München startet als Favorit und Gejagter in die neue DEL-Saison - vorher bewundert sich das Team von Don Jackson noch selbst auf der Leinwand

Von Christian Bernhard, München

Mit riesigen Popcorn-Tüten und Ein-Liter-Softdrinks eingedeckte Eishockey-Profis? Gibt es. Zumindest beim EHC Red Bull München. Eine Kino-Premiere, bei der man eine Hauptrolle spielt, will gebührend begangen werden. Die komplette Mannschaft tauchte am Dienstagabend noch einmal in jenen Kosmos ein, in den sie sich vor viereinhalb Monaten katapultiert hat; in einem Münchner Lichtspielhaus war erstmals die Dokumentation zu sehen, die den EHC auf seinem Weg zu seinem ersten Meistertitel begleitete. Vor der Leinwand stand der Meisterpokal, den die Münchner in der am Freitag beginnenden neuen Spielzeit der Deutschen Eishockey Liga (DEL) verteidigen wollen. Da nur Manager Christian Winkler den Film vorab gesehen hatte, gab es auch für die Spieler einige überraschend Momente - und natürlich ein Happy End.

Am Mittwoch war wieder alles beim Alten, Trainer Don Jackson scheuchte seine Profis gewohnt intensiv über das Eis. Die Spieler und das Betreuerteam wissen: Eine Sache ist es, den Titel zu holen. Eine andere, ihn - erfolgreich - zu verteidigen.

Die bislang letzte Mannschaft, der das in der DEL gelang, waren die Eisbären Berlin im Jahr 2013. Ihr Trainer damals: Don Jackson. Wie verteidigt man also den Titel, Herr Jackson? "Wir müssen den simplen Ansatz wählen", sagte der 60-Jährige am Mittwoch in der EHC-Kabine, die ausnahmsweise für Pressvertreter geöffnet war. Es gehe darum, sich auf die wichtigen Dinge zu fokussieren und täglich gute Arbeit zu machen, erklärte er, "das mag langweilig klingen, aber es gibt genug Variablen im Spiel, die das aufregend machen." Geht es nach seinen Trainerkollegen, stehen die Chancen auf die nächste Meisterfeier in München gut: Sieben der 13 anderen DEL-Coaches sehen den EHC im Rennen um den Meisterpokal vorn.

Dass die Münchner das Potenzial dazu haben, haben sie bereits bewiesen. In der Champions Hockey League (CHL) gewannen sie nach der 0:3-Auftaktniederlage beim HC Fribourg-Gotteron (Schweiz) die restlichen drei Gruppenspiele und qualifizierten sich souverän für die im Oktober beginnende K.-o.-Runde. Dort treffen sie im Sechzehntelfinale auf den schwedischen Spitzenklub Växjö Lakers. Erst einmal steht aber der Liga-Start im Mittelpunkt. Und das Auftakt-Wochenende hat es für den EHC gleich in sich: Am Freitag (19.30 Uhr) eröffnet der Meister bei den Kölner Haien die Saison, zwei Tage später tritt er ebenfalls auswärts an, bei Finalgegner Wolfsburg (16.30 Uhr).

Die Haie, deren Trainer Cory Clouston sagt: "Ich will den Titel holen", zählen neben Mannheim zu den größten Konkurrenten des EHC. Auch die Grizzlys Wolfsburg zeigten in der CHL, aus welchem Holz sie geschnitzt sind: Augenscheinlich erneut aus sehr feinem, wie der 3:2-Sieg beim aktuellen Champion Frölunda Göteborg und die Qualifikation für die K.-o.-Runde vermuten lassen. "Bei diesen Gegnern wissen wir gleich, wo wir stehen", sagt EHC-Angreifer Maximilian Kastner angesichts des anspruchsvollen Münchner Auftaktprogramms.

Da Jackson nur fünf neue Spieler in seinen Meisterkader einzubauen hatte, sind die Automatismen, die sich die Mannschaft in der vergangenen Saison nach einem stetigen Auf und Ab in den ersten Monaten ab Dezember erarbeitete, bereits wieder zu erkennen. "Wir sind vom System her schon sehr weit", sagt Kastner, "weiter als im letzten Jahr zu diesem Zeitpunkt." Das neue Quintett habe sich schon sehr gut eingefügt, "ich glaube, dass wir gleich ins Rollen kommen". Augsburgs Trainer Mike Stewart fasst die Vorzüge des Münchner Teams knapp zusammen: "Sie hatten den besten Kader und sind auf dem Papier nicht schlechter geworden." Kurzfristige Nachverpflichtungen aufgrund der mehrwöchigen Verletzungspausen von Steve Pinizzotto und Richie Regehr schließt Jackson aus: "Wir haben genug Spieler, um erfolgreich zu sein", sagt der Amerikaner.

Das gilt es nun zu beweisen. Kastner hat aufgrund der ungewohnten Rolle des Gejagten ein "schon etwas anderes Gefühl" ausgemacht. Eine Beobachtung, die Frank Mauer teilt. Die Arbeit sei die gleiche geblieben, sagt der Nationalstürmer, verändert habe sich allerdings das "Bewusstsein", denn die Mannschaft wisse nun, "was es braucht, um in entscheidenden Momenten Spiele gewinnen zu können". Köln und Wolfsburg könnten gute erste Indikatoren dafür werden.

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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