Eishockey:Ode ans Rodeo

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Im Derby gegen Augsburg geht der EHC München zwei Mal in Führung, holt spät einen Drei-Tore-Rückstand auf und muss sich schließlich in der Verlängerung geschlagen geben. Trainer Don Jackson inspiriert die dritte Niederlage im Jahr 2017 zu einer Eloge auf die Liga

Von Christian Bernhard, München

War es diese verflixte Nummer 41? Oder Gegentreffer Nummer sechs? Wahrscheinlich von allem etwas. David Leggio jedenfalls knallte seinen Schläger zweimal derart hart an den eigenen Pfosten, dass sich sein Ausrüster getrost auf die eigene Schulter klopfen durfte: Sein Fabrikat blieb heil. Auch den dritten Hieb, diesmal auf die Eisfläche, überstand das gute Stück unbeschadet. Dann hatte der Torhüter des EHC Red Bull München sich abreagiert und lief zwischen den feiernden Augsburger Panthern hindurch Richtung Mittelkreis, um dem Schiedsrichter noch etwas mit auf den Weg zu geben.

Eishockey-Derbys zwischen München und Augsburg sind immer etwas Besonderes, beide Fangruppen fiebern den Spielen zwischen den beiden nur rund 70 Kilometer entfernten Kontrahenten entgegen. So speziell und verrückt wie das Derby am vergangenen Sonntag waren aber nur wenige. Augsburg gewann 6:5 in der Verlängerung, obwohl die Münchner in der Schlussphase innerhalb von weniger als vier Minuten aus einem 2:5 ein 5:5 gemacht hatten. "Etwas wild", fand Panther-Trainer Mike Stewart das Spiel - und untertrieb damit maßlos. Ein Rodeo ist eine Spazierfahrt dagegen. Trotz der Aufholjagd, die dem Tabellenführer zumindest einen Punkt bescherte, stehen 2017 nur ein Sieg, aber bereits drei Niederlagen für den EHC zu Buche.

Münchens Jason Jaffray musste trotzdem grinsen. "Wir haben in einem großartigen Eishockeyspiel den Kürzeren gezogen", betonte er. "Was können sich die Zuschauer noch mehr wünschen? Sie werden die Halle glücklich verlassen." Jaffrays 100. Spiel in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) hätte kaum spektakulärer verlaufen können. Die Partie, in der die Münchner zweimal in Führung gegangen waren, um knapp zehn Minuten vor Ende der regulären Spielzeit mit 2:5 zurück zu liegen, war so verrückt, dass auch der erfahrene Angreifer aus Kanada bei der Einordnung etwas durcheinander kam. "Wir sind nicht gänzlich enttäuscht, aber wir sind enttäuscht von den ersten beiden Dritteln", sagte er direkt im Anschluss an das Spiel beim TV-Interview auf dem Eis. Später meinte er dann: "Wir waren mit dem ersten Drittel zufrieden." Wild.

Der Stürmer hatte einiges dazu beigetragen, dass aus einem normalen ein denkwürdiges Ligaspiel wurde. Er hatte den EHC in Führung gebracht (18.) und ihn knapp drei Minuten vor Spielende mit seinem Treffer zum 5:5 in die Verlängerung befördert. Damit war er drauf und dran, die Hauptrolle in diesem Krimi zu übernehmen. Stattdessen sahen er und seine Münchner Teamkollegen sich einem Déjà-vu ausgesetzt, denn für den EHC war es bereits die zweite 5:6-Derbypleite in dieser Saison: Ende November hatte er in Nürnberg in einer denkwürdigen Partie eine 5:1-Führung noch aus der Hand gegeben und ebenfalls nach Verlängerung verloren.

Wie schon in Nürnberg, als der Hattrick von EHC-Verteidiger Dereks Joslin noch von Jesse Blackers entscheidendem Dreierpack überstrahlt wurde, musste am Sonntag auch Jaffray den Platz im Rampenlicht einem anderen überlassen. Dieser gebührte dem Augsburger mit der Trikotnummer 41: Justin Shugg. Der erst Ende Dezember zu den Panthern gewechselte kanadische Angreifer bestritt gegen den EHC sein siebtes DEL-Spiel und fixierte dabei seine Treffer Nummer vier, fünf und sechs; darunter den entscheidenden Penalty 19 Sekunden vor Ende der Verlängerung, der Leggios rabiaten Materialtest zur Folge hatte.

"In der Verlängerung hatten beide Teams die Chance, das Spiel zu gewinnen", analysierte EHC-Trainer Don Jackson, "aber wir haben nichts." Seine Antwort auf die Frage, ob diese oder die Niederlage in Nürnberg mehr schmerze, wurde zu einer Liebeserklärung an die Liga. Jackson verwies darauf, wie eng es in den vergangenen Jahren in der DEL zugehe und dass die Teams leistungsmäßig immer näher zusammenrückten. "Kompliment an die Liga, an die Eigentümer und die Mannschaften", betonte er, jeder versuche in jedem Spiel an die Grenzen zu gehen. "Spiele wie dieses sind ein Beispiel dafür, wie großartig das Eishockey in der DEL ist", unterstrich er - jeder, so Jackson weiter, verbessere sich stetig. Jaffray erklärte, nach dem "verrückten Spielplan" der vergangenen Wochen mit acht Spielen innerhalb von 17 Tagen stehe jetzt erst einmal Regeneration an oberster Stelle. Erst am "Dienstag oder Mittwoch" werde er sich mit dem nächsten Gegner Düsseldorf beschäftigen. Bis dahin sollte der Derby-Wahnsinn einigermaßen verdaut sein.

© SZ vom 10.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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