Eishockey:Nahtloser Übergang

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Ein Anfang ist gemacht: Die EHC-Fans begrüßen vor dem ersten Heimspiel ihre Mannschaft. Die grüßt nach dem 6:2 gegen Augsburg als Tabellenführer zurück. (Foto: Getty)

Nach vier Spieltagen steht der EHC München schon wieder an der Spitze der DEL - und erinnert stark an die Meistersaison

Von Christian Bernhard, München

Die Deutschkenntnisse von Don Jackson sind noch ausbaufähig, keine Frage. Obwohl der Trainer des EHC Red Bull München mittlerweile seit zwölf Jahren im deutschsprachigen Raum arbeitet, fällt er bei Interviews gerne ins Englische zurück. Er fühlt sich dort einfach wohler. Am vergangenen Freitagabend überraschte der 60-Jährige aber mit einer verblüffenden Deutsch-Einlage. Auf die Frage, welches sein Lieblingssprichwort sei, antwortete Jackson in lässigem Deutsch: "Der frühe Vogel fängt den Wurm." Zwei Abende und sechs Punkte später ist klar: Der EHC ist ein früher Vogel. Die überzeugenden Siege am Wochenende, 4:2 in Berlin und 6:2 gegen die Augsburger Panther, katapultierten den Meister an die Spitze der Deutschen Eishockey Liga (DEL). Verteidiger Konrad Abeltshauser, der im Derby gegen Augsburg den fünften Münchner Treffer beigesteuert hatte, fand, "wirklich alles hat gut geklappt".

Die Übergangsphase von der alten, erfolgreichen Saison zur neuen sei gut verlaufen, betonte Jackson. Der erfolgreichste DEL-Trainer holte bei seiner Einordnung sogar noch weiter aus. Das Münchner Team aus dem Jahr 2014, als er seinen Dienst beim EHC antrat, habe sich am schnellsten von all seinen Mannschaften an die Arbeitsweise seines Trainerstabes angepasst. Die Erfahrung, die viele Spieler mitbringen, und die "exzellenten Führungsqualitäten" täten ein Übriges. "Die Jungs sind wirklich bereit, das zu tun, was wir wollen", sagte Jackson. Er schätze es sehr, mit diesen Spielern zu arbeiten. Vom Meister-Blues, der den ein oder anderen Titelverteidiger am Saisonstart gerne mal heimsucht, ist beim EHC nichts zu sehen.

Michael Wolf sieht den Hauptgrund dafür in der Konstanz im Kader. Nur fünf Zugänge mussten im Sommer integriert werden, das mache es auch für die Neuen einfacher, erklärte der Kapitän. Letzte Saison sei es zu Beginn auf und ab gegangen, "weil wir nicht genau wussten, wo wir stehen", sagte Wolf. "Jetzt ist es anders. Wir wissen, dass wir eine gute Mannschaft haben und was wir zu tun haben." Diese Selbstsicherheit strahlen auch die Neuankömmlinge bereits aus. Jerome Flaake, der aus den Ruinen der Hamburg Freezers an die Isar gekommen ist, hat in München eine "sehr, sehr starke Mannschaft" ausgemacht: "Wenn wir unser Spiel machen, das uns der Trainer mitgibt, können wir jeden schlagen."

Das untermauerten die Münchner in Berlin und gegen Augsburg. Bisweilen entstand der Eindruck, dass der EHC seine Gegner mit seiner aggressiven Spielweise dominiert, wann immer er will. "Sie halten die Räume unheimlich eng, geben einem kaum Zeit und machen viel Druck", sagte Berlins André Rankel. Die fünfminütige Unterzahl etwa im Auftaktdrittel gegen Augsburg, nachdem Matt Smaby eine Spieldauerdisziplinarstrafe kassiert hatte, war ein Lehrstück in der Disziplin Penalty Killing. Die - zugegebenermaßen schwachen - Augsburger wurden von den Münchnern über das Eis gejagt und kamen erst zehn Sekunden vor Ablauf von Smabys Strafzeit in ihre Powerplayformation. Die Münchner waren in diesen fünf Minuten sogar gefährlicher, gestanden den Augsburgern lediglich einen Torschuss zu. "Wir sind aggressiv geblieben", sagte Jackson, "das hat sich ausgezahlt."

Der größte Profiteur von Smabys Ausschluss war Flaake. Da Yannic Seidenberg als sechster Verteidiger aushalf, rückte der 26-Jährige von der nominell vierten Reihe nach oben zu Jon Matsumoto und Brooks Macek - und nutzte diese Chance. Dreimal traf Flaake, zweimal nach idealen Pässen von Matsumoto. Für Flaake, der in Augsburg aufgewachsen ist, war es der perfekte Abschluss des Wochenendes - in Berlin hatte er das spielentscheidende 3:2 erzielt.

Folglich konnte der Nationalspieler am Montag besonders entspannt den mannschaftlichen Ausflug auf die Wiesn angehen, Flaake strahlte im Zelt dementsprechend bis über beide Ohren. Wie seine Teamkameraden hatte er nichts dagegen, dass Jackson den Dienstag zum trainingsfreien Tag erklärte. In all die Anfangs-Euphorie hinein betonte Kapitän Wolf allerdings gewohnt sachlich, dass man nach vier Spieltagen noch nichts gewonnen habe. Er weiß: Auch der frühe Vogel kommt nicht mit einem einzigen Wurm über den Winter.

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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