Eishockey:Moralische Neuverpflichtung

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Die Bayernligisten können seit dieser Saison so viele EU-Ausländer einsetzen, wie sie wollen. Sie wollen aber nur einen

Von Christian Bernhard, München

Anrufe zum Thema Eishockey sind bei Petr Vorisek Teil des Alltags. Der 55-jährige Tscheche hat sich in der Branche einen Namen gemacht, er arbeitete schon im Nachwuchsbereich des Augsburger EV und des ESV Königsbrunn. Mittlerweile trainiert er den Bayernligisten Erding Gladiators, zum zweiten Mal nach 2010/11. In den vergangenen Wochen klingelte Voriseks Telefon aber auffällig oft. Am anderen Ende der Leitung waren zahlreiche Landsmänner von ihm, aber auch Spieler aus der Slowakei oder Österreich. Sie alle hatten eine Frage: Kann ich bei euch unterkommen?

Voriseks Antwort lautete Nein. Der TSV Erding, unter dessen Dach die Gladiators spielen, hatte beschlossen, ohne Ausländer in die Saison zu starten. Mittlerweile stehen überall die Kader, an diesem Freitag beginnt die neue Bayernliga-Saison (siehe Kasten). Die vielen Anrufe in den vergangenen Monaten hatte Vorisek Rupert Kellerbauer zu verdanken. Der zweite Vorsitzende des Bezirksligisten EV Berchtesgaden hatte das Ständige Schiedsgericht des Deutschen Eishockey-Bundes angerufen, um die Ausländerbeschränkung des Bayerischen Eissportverbandes anzufechten. Kellerbauer bekam Recht - von dieser Saison an gibt es keine Beschränkung für die Verpflichtung von EU-Ausländern oder Spielern gleichgestellter Nationalitäten mehr. Statt wie bisher einen (plus einen Berufssportler, der meistens gleichzeitig der Ausländer war) dürfen die Klubs nun EU-Ausländer in unbegrenzter Zahl einsetzen. Stichwort: Diskriminierungsverbot.

Das Urteil versetzte die bayerische Eishockey-Szene in helle Aufregung. Josef Jung, Vorsitzender des ESC Dorfen, sprach gar vom "Untergang des Eishockeys". Zahlreiche Verantwortliche befürchteten, dass grenznahe Vereine mehrere Spieler aus Tschechien oder Österreich verpflichten würden; der wenig schmeichelhafte Begriff "Eishockey-Tourismus" tauchte wieder und wieder auf. Die andere zentrale Frage, die viele beschäftigte, lautete: Welche Auswirkungen würde das auf den eigenen Nachwuchs haben? Und: Wer kann sich überhaupt mehrere Ausländer leisten? Zwischen den Bayernligisten glühten die Telefondrähte, schnell war klar: Eine freiwillige Selbstbeschränkung muss her.

Unter der Federführung von Sven Müller, Sportlicher Leiter beim ECDC Memmingen, einigten sich schließlich alle 14 Vereine darauf, wie bisher mit nur einem transferkartenpflichtigen ausländischen Spieler anzutreten. Einzig in der Verzahnungsrunde zwischen Bayern- und Oberliga können zwei ausländische Spieler eingesetzt werden, da in den Oberligen auch zwei Ausländer spielberechtigt sind. "Wir wollten ein gutes Zeichen setzen", sagt Jung. "Lasst doch die Bayernliga, wie sie ist." Jung ist sich aber bewusst, dass die Statuten es aus rechtlicher Sicht jedem Verein ermöglichen, so viele EU-Ausländer einzusetzen, wie er will. Er weiß: "Die Selbsterklärung ist eine moralische Verpflichtung." Und Moral ist ein dehnbarer Begriff. So wie Thomas Stöber, Vorsitzender des ESC River Rats Geretsried, glaubt aber auch Jung daran, "dass die Vereine nicht anfangen zu spinnen".

Auch Erding steht nicht im Verdacht, zu Spinnereien zu neigen. Einen ausländischen Spieler haben die Gladiators jetzt aber doch in ihren Reihen: David Michel, 21, aus Tschechien. Der Stürmer lief für die U18- und U20-Nationalmannschaft seines Landes auf und durfte beim HC Pilsen in der Extraliga vorspielen. Durchsetzen konnte er sich dort nicht. In Klatovy, in der dritten Liga, kam er immerhin auf 22 Scorerpunkte in 28 Spielen. Bei einem Heimatbesuch fiel er Vorisek auf, er lud Michel auf Probe nach Erding ein. Michel überzeugte. Im Schnitt sammelte er pro Spiel zwei Punkte. Die ersten deutschen Wörter kann er auch schon, laut Vorisek lauten sie "Servus" und "Prost". Dann können die Punktspiele ja beginnen. Auf eine friedliche Bayernliga-Saison.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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