Eishockey:Im Letzten-Loch

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Am kürzeren Hebel: Nach drei Siegen gegen Bayreuth muss sich Tölz mit Marinus Reiter (r.) den Tigers um Anthony Luciani erstmals geschlagen geben. (Foto: Peter Kolb/imago)

Die Hochstimmung nach dem Derbysieg gegen Riessersee ist verflogen. Nach dem 2:5 in Bayreuth droht Tölz ein zermürbendes Saisonende.

Von Johannes Schnitzler, Bad Tölz

Die Vokabel ausgerechnet gehört zum Grundwortschatz der Sportberichterstattung wie der Pinsel zum Maler. Ausgerechnet Fußballer X, der gerade erst zu Verein Y gewechselt ist, schießt in seinem ersten Spiel für den neuen Klub ein Tor gegen seinen alten Arbeitgeber! Hastdunichtgesehen. Nun ist die Welt des Sports relativ überschaubar, Zusammentreffen wie jenes von Fußballer X mit seinem alten Klub kommen immer wieder vor, weshalb die Vokabel ausgerechnet eher zurückhaltend zu verwenden ist. Einerseits. Andererseits, was soll man tun, wenn Sportler sich einen Spaß daraus machen, ausgerechnet gegen ihre früheren Vereinen besonders hervorzustechen. Timo Gams zum Beispiel.

Der Eishockeyspieler aus Bad Tölz hat in dieser Saison zwei Spiele für seinen Heimatverein in der DEL 2 gemacht. Der 18-Jährige gilt als talentierter Stürmer, kam aber beim Aufsteiger nicht recht zum Zug. Für sechs Spiele liehen die Tölzer Löwen ihn an den Oberligisten Miesbach aus, der seit Sonntag als erster Absteiger aus der dritten Liga feststeht, je ein Tor und eine Vorlage von Gams konnten das nicht verhindern. An Weihnachten wechselte Gams also zum Tölzer Ligakonkurrenten Bayreuth, damals wie heute Vorletzter der Tabelle - vor den Löwen. Gleich in seinem ersten Spiel für Bayreuth - nein, nicht gegen Tölz, sondern gegen Kassel - gab Gams eine Vorlage, in seinem zweiten - auch nicht gegen Tölz, sondern gegen Nauheim - schoss er sein erstes Tor in der DEL 2. Es folgten 14 Einsätze ohne Punkt und ohne Tor für Gams. Bis zum Sonntag. Da traf er wieder. Gegen Tölz. Ausgerechnet.

Gams' 1:0 (17.) für Bayreuth, ein abgefälschter Schuss, gegen den Mikko Rämö im Tölzer Tor machtlos war, bildete den Auftakt zu einem Abend, wie ihn die Löwen in dieser Saison schon viel zu oft erlebt haben. Kapitän Florian Strobl (22.) und Johannes Sedlmayr (35.) mit seinem 20. Saisontor drehten die Partie zunächst. "Wir haben im zweiten Drittel sehr, sehr gut gespielt", sagte Trainer Rick Boehm, "wir sind defensiv gut gestanden und haben die neutrale Zone beherrscht. Leider haben wir es nicht geschafft, das 60 Minuten durchzuziehen." Beim Ausgleich durch Eric Chouinard (38.) sah Rämö nicht besonders glücklich aus, auch das 2:3 (40.) kurz vor der Drittelpause wirkte nicht unvermeidbar. Wieder lag Tölz vor einem entscheidenden Drittel zurück.

Bis zur Abstiegsrunde sind es noch sieben Spiele, das erste gleich am Dienstag - "eher gut", sagt Boehm

Am Freitag hatten die Löwen gegen Tabellenführer Bietigheim erst geführt, dann einen Rückstand egalisiert und am Ende doch verloren durch ein Tor 13 Sekunden vor Schluss. "Wahnsinn", sagte Boehm. "Da spielst du 59 Minuten lang überragend gegen den Ersten. Und dann schenkst du es her." Vielleicht spukte die Erinnerung daran den Löwen durch den Kopf. In Bayreuth schafften sie es jedenfalls nicht mehr, das Spiel noch einmal zu drehen. Michal Bartosch erhöhte auf 4:2 (58.), und als Rämö sein Tor für einen sechsten Feldspieler verlassen hatte, fiel das 5:2 (59.). Die erste Niederlage gegen Bayreuth war perfekt.

Sieben Spiele haben die Löwen in der Hauptrunde noch auszutragen, das erste bereits am Dienstag (19.30 Uhr) in Dresden. Der Abstand zu Bayreuth beträgt fünf Punkte, es droht eine zermürbend zähe Schlussphase, ehe es in der Abstiegsrunde um den Klassenerhalt geht. Boehm sagt: "Wir müssen die Tabelle verdrängen und uns darauf fokussieren, konstant zu spielen." Dass sein Team nach nur einem Tag Pause schon wieder ran müsse, sei "eher gut", findet der Trainer: "Wir werden versuchen, den Kopf frei zu bekommen, regenerieren, und am Dienstag geben wir wieder Gas." Allein Konstanz lässt sich nicht per Verordnung herstellen.

Auch in Dresden, gegen das der ECT alle drei Saisonduelle verlor (2:3, 2:4, 2:3), muss Boehm noch auf den verletzten Chris St. Jacques verzichten, Marcel Rodman ist mit dem slowenischen Nationalteam zu den Olympischen Spielen abgereist. Und ob Stürmer Manuel Edfelder, der am Montag zum Arzt musste, und Verteidiger Beppo Frank, der noch nicht wusste, ob sein Arbeitgeber ihm frei gibt, bei Abfahrt um 10.30 Uhr im Bus sitzen, konnte Boehm am Montag auch noch nicht sagen. Dem emotionalen Hoch nach dem 3:2-Derbysieg gegen Riessersee ist das nächste Loch mit drei Niederlagen gefolgt. Boehm sagt: "Ich arbeite weiter." Abgerechnet wird am Schluss.

© SZ vom 13.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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