Eishockey:Ein Stürmen und Aufbrausen

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Immer feste druff: Steve Pinizzotto bearbeitet Straubings Mike Cornell. (Foto: Imago Sportfotodienst/Buthmann)

Steve Pinizzotto, Münchens Mann fürs Grobe, gibt gegen Straubing wieder einmal den Wirbelwind. Den 7:1-Sieg verfolgt der 32-Jährige von der Strafbank aus, für das Spitzenspiel gegen Nürnberg ist er gesperrt

Von Christian Bernhard, München

Die Ruhe nach dem Sturm ist oft noch unheimlicher als die Unheil kündende Stille davor. Als seine Mannschaft am Sonntag in nur acht Minuten vier Tore gegen die Straubing Tigers schoss, saß Steve Pinizzotto, Stürmer beim deutschen Eishockeymeister EHC Red Bull München, auf der Strafbank und verzog keine Miene. Der Tabellenführer gewann das ober-niederbayerische Derby 7:1 - aber Pinizzotto zuckte nicht einmal mit einer Wimper. Sein Aufbrausen war längst abgeflaut.

Knapp 42 Minuten lang war dieses Derby ein temporeiches mit vielen Torchancen gewesen, in dem München nach dem mittlerweile fast traditionellen 0:1-Rückstand schon 3:1 geführt hatte. Dann kam Pinizzotto in Wallung. In der Straubinger Zone fuhr der Münchner Angreifer mit Tempo auf den scheibenführenden James Bettauer zu und checkte den Verteidiger mit voller Härte. Die Schiedsrichter ahndeten die Aktion nicht. "Das hätte man, glaube ich, schon pfeifen müssen", fand indes Straubings Thomas Brandl. Bettauer sei "ein bisschen weit von der Bande weg gestanden", etwa einen Meter. Die Gefahr von Kopf- und Schulterverletzungen ist aus diesem Abstand besonders hoch.

Bettauers Teamkollege Mike Cornell wollte auf metrische Diskussionen verzichten. Er fuhr direkt auf Pinizzotto zu und sprang ihn quasi an, Handschuhe und Fäuste flogen durch die Luft. Den Kampf entschied Pinizzotto für sich, Cornell fuhr mit blutverschmiertem Gesicht in die Kabine, seine Strafe saß Stefan Loibl für ihn ab. Pinizzotto aber hatte noch lange nicht genug. Auf dem Weg Richtung Strafbank fuhr er demonstrativ an der Straubinger Kurve vorbei und warf seinen Helm in das Fangnetz. Dann saß er regungslos seine 14 Strafminuten ab und verfolgte, mit dem Kopf an die Wand gelehnt, ebenso regungslos die vier EHC-Treffer von Jason Jaffray, Derek Joslin, Daryl Boyle und Konrad Abeltshauser, die dem EHC einen deutlichen Siegbescherten. "Im letzten Drittel ist alles in unsere Richtung gelaufen", fand Trainer Don Jackson.

Knapp vier Minuten vor Spielende kehrte Pinizzotto demonstrativ gelangweilt auf die Spielerbank zurück, seine nächsten Aktionen hatte er sich für die Zeit nach Spielschluss aufgespart. Bei der Ehrenrunde verneigte er sich provokativ vor der Straubinger Kurve, danach schnappte er sich auch noch die Bullenmaske, die Daryl Boyle als Zeichen für den besten Mann des Abends getragen hatte, winkte noch einmal in den Gästeblock und feierte dann mit dem Münchner Anhang. Jackson nahm Pinizzotto hinterher in Schutz. Er zollte dem 32-Jährigen für dessen Verhalten in jener Situation "großen Respekt". Pinizzotto habe nicht kämpfen wollen, sagte Jackson, er wolle Eishockey spielen. Deshalb sei er selbst am meisten enttäuscht gewesen, dass er das im Schlussdrittel nicht mehr konnte. Was Jackson zu diesem Zeitpunkt anscheinend noch nicht wusste: Auf dem Weg in die Kabine hatte Pinizzotto einmal mehr die Schiedsrichter zugetextet und dafür noch eine 20-minütige Disziplinarstrafe erhalten. Es waren seine Strafminuten 89 bis 108 in dieser Saison, in gerade einmal 20 Spielen.

In den Wochen zuvor war es ziemlich ruhig um Pinizzotto gewesen. Knapp drei Wochen hatte der Stürmer verletzt gefehlt. Nach seiner Rückkehr Mitte Januar spielte er unauffällig und sammelte in sechs Partien lediglich einen Assist-Punkt. In dieser Phase verlor er auch seinen angestammten Platz in der Angriffsformation um Keith Aucoin und Mads Christensen an Brooks Macek, Pinizzotto steht seitdem mit Yannic Seidenberg und Jerome Flaake auf dem Eis. Seidenberg, der mit seinen zwei Toren im Startdrittel die Partie innerhalb von nur 19 Sekunden zugunsten der Münchner gedreht hatte, musste grinsen, als er auf Pinizzottos Disziplinarstrafe angesprochen wurde. Die hätte "nicht unbedingt" sein müssen, sagte er, "aber das werden dann andere mit ihm besprechen."

Michael Wolf hatte all das nicht mehr miterlebt. Der 36-Jährige verschwand nach einem Schlag auf die Hand Mitte der Partie in die Kabine. Wolfs Finger sei nicht gebrochen, sagte Jackson nachher, er rechne dennoch mit mindestens einer Woche Pause für seinen Kapitän. Das würde bedeuten, das Wolf am Freitag beim Topspiel in Nürnberg, wo der Liga-Primus auf den Zweiten trifft, fehlen wird. Er teilt dieses Schicksal mit Steve Pinizzotto. Der Deutschkanadier ist gesperrt.

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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